Autoindustrie in Heilbronn-Franken

Forscher: "Einige Autozulieferer werden Tempo des Wandels nicht mitgehen können"

Stand
Autor/in
Raphael Moos
Alexander Dambach

Mit dem schleppenden Absatz von E-Autos ist auch der Zeitplan der EU für ein Verbrenner-Aus wieder in die Diskussion geraten. Kolbenschmidt zum Beispiel fordert mehr Zeit.

Mit ihrem Verkaufsverbot für Verbrenner ab dem Jahr 2035 hat die EU einen Zeitplan gesetzt. Einige Zulieferer aus Heilbronn-Franken hegen jedoch Zweifel, dass der Strukturwandel bis dahin gelingt. Die Unternehmen seien hier sehr unterschiedlich aufgestellt, sagte Stephan Hirth vom Netzwerk TRANSFORMOTIVE dem SWR. Manche verharrten in der Situation, da die Geschäfte mit Verbrenner-Komponenten bislang noch gut liefen. Namen möchte er keine nennen. Andere gestalteten den Wandel sehr viel aktiver mit, so Hirth. Für das Netzwerk sei es herausfordernd, Daten zu bekommen, denn gerade Unternehmen, die schon Probleme haben, hielten sich bedeckt.

Neben dem Wandel der Antriebstechnik mache gerade die Digitalisierung den kleineren und mittleren Unternehmen oft Schwierigkeiten, sagte Bernd Bienzeisler vom Fraunhofer Institut in Heilbronn dem SWR. Entwicklung und Bau von Autos bedeute inzwischen immer mehr digitale Komponenten. Dafür ausreichend qualifiziertes Personal zu finden, sei gar nicht so einfach. Die Geschwindigkeit des Wandels werde sich erhöhen. "Viele werden diese nicht mitgehen können", so der Experte.

Tausende Jobs im Automotive-Bereich

Intensiv mit dem Thema befasst sich auch Raoul Zöllner. Er ist Professor an der Hochschule Heilbronn und leitet dort das Institut für Kraftfahrzeugtechnik und Mechatronik. In Heilbronn-Franken gebe es zwischen 80.000 und 90.000 Menschen, die im Automotive-Sektor beschäftigt seien. Der Wandel sei in den Betrieben längst angekommen. "Im Großen und Ganzen ist die Situation stabil. Die ganze Automobilindustrie und die Zulieferer in der Region haben sich seit fünf Jahren auf den Weg gemacht", so der Wissenschaftler. Klar sei aber natürlich, dass der Transformationsprozess den einen oder anderen Betrieb durchaus auch etwas stärker treffen könne. Konkrete Namen will der Wissenschaftler hier allerdings nicht nennen.

Aus Sicht von Zöllner kommt es jetzt vor allem darauf an, dass deutsche Hersteller günstigere Elektroautos auf den Markt bringen. Die Qualität dürfe dabei nicht heruntergefahren werden, denn diese zeichne die Produkte aus. "Dann kommen wir auch durch das Tal der Tränen", so Zöllner. Zum Thema Verbrenner-Aus merkt der Professor noch an: "Verbrennen können wir auch Wasserstoff oder Ethanol. Wir sollten den Motor an sich daher nicht verteufeln. Wir sollten technologieoffen sein."

Kleinkolben-Hersteller: Mehr Zeit für Strukturwandel

Comitans, der neue Eigentümer der Kleinkolbensparte von Kolbenschmidt in Neckarsulm (Kreis Heilbronn), hält das beschlossene Aus ab dem Jahr 2035 für nicht umsetzbar. In der Sparte sind aktuell rund 460 Menschen beschäftigt. Unternehmenschef Ulrich Hauck begründet die Skepsis unter anderem damit, dass sich der Aufbau der Infrastruktur für rein elektrische Fahrzeuge in praktisch allen EU-Ländern noch im Anfangsstadium befinde.

Auch sei der derzeitige Stand der Technologie batterieelektrischer Fahrzeuge noch nicht ausgereift genug, um für die breite Bevölkerung eine attraktive Alternative zum Verbrennungsmotor darzustellen, so Hauck. Das Jahr 2040 erscheine ihm eher ausreichend, auch um den erforderlichen Strukturwandel besser bewältigen zu können.

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Audi hält am vorzeitigen Ausstieg fest

Audi mit einem Werk in Neckarsulm (Kreis Heilbronn) will bereits ab 2026 keine neuen Autos mit Verbrennungsmotor mehr produzieren. Das Unternehmen setzt dann rein auf elektrische Antriebe. An dieser Strategie werde der Konzern festhalten, sagte Werkleiter Fred Schulze im Dezember 2023 in einem SWR-Interview.

Natürlich sei der Zeitpunkt, ab wann mehr E-Fahrzeuge als Autos mit Verbrennungsmotor verkauft würden, etwas unsicher. Der Konzern werde aber bei seiner Strategie bleiben, denn die Frage sei nicht ob, sondern wie schnell und wann die E-Fahrzeuge kommen.

Schlagzeilen hatte im Dezember 2023 die Nachricht gemacht, dass sich Audi von allen Leiharbeitern im Werk Neckarsulm trennt. In Summe geht es dabei um mehrere hundert Zeitarbeitskräfte. Als einen Grund nannte der Werkleiter damals auch: "Die Nachfrage nach Elektromodellen ist nicht so eingetroffen, wie wir das mal prognostiziert haben. Davon ist auch unser e-tron GT in den Böllinger Höfen betroffen."

Elektrifizierung Audi Neckarsulm
Elektrifizierung Audi Neckarsulm

Option Wasserstoff-Verbrenner?

Thomas Bortz vom Präzisionsteile-Hersteller Hofstetter in Schwaigern (Kreis Heilbronn) sieht das Verkaufsverbot von neuen Verbrennern ab 2035 ebenfalls kritisch. Er befürwortet die Entwicklung eines durch "deutsche Mobilitätstechnologie zur Reife gebrachten Wasserstoff-Verbrenners". Denn um global alle Verkehrsbereiche elektrifizieren zu können, fehlten zum Beispiel genügend seltene Erden und Stromnetze, so Bortz. Andere Zulieferer wie Läpple Automotive in Heilbronn, Magna in Untergruppenbach (Kreis Heilbronn) oder KW in Fichtenberg (Kreis Schwäbisch Hall) haben eine SWR-Anfrage bislang noch nicht beantwortet.

400 Hektar zusätzliche Fläche in Heilbronn-Franken

In der Strukturstudie BW 2023 gehen die Autorinnen und Autoren davon aus, dass für den Wandel in der Autoindustrie zusätzliche Flächen gebraucht werden. Schon allein, weil Verbrenner und E-Fahrzeuge gleichzeitig weiterentwickelt und produziert werden. Zu wenige Erweiterungsmöglichkeiten sehen die Autoren als Risiko für den Standort. In Heilbronn-Franken hat der Regionalverband in seiner letzten Fortschreibung dafür rund 400 Hektar zusätzlich vorgesehen. Hauptsächlich entlang der Autobahnen, sagte Direktor Klaus Mandel dem SWR. Wobei nach wie vor die Effizienz wichtig sei. "Wir werden jetzt nicht mit Flächen aasen", so Mandel. Zudem sei bei den Flächen wichtig, dass auch genügend grüner Strom vorhanden sei. Ein weiterer Grund für den Flächenbedarf seien Lager, da das Thema Liefersicherheit während der Corona-Pandemie wieder mehr in den Fokus gerückt sei, so der Verbandsdirektor.

Finanzminister Lindner für "Technologieoffenheit"

Beim Gipfeltreffen der Weltmarktführer in Schwäbisch Hall griff Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) das Thema Verbrenner-Aus in der EU ebenfalls auf. Der Verbrennungsmotor werde noch lange Zeit benötigt, so der Minister. Er sei "ohne Not" abgeschafft worden, damit schwäche sich der Standort. Aus seiner Sicht müsse es möglich sein, Neuwagen mit Verbrennungsmotor auch noch nach dem Jahr 2035 zuzulassen. Er denke hierbei an synthetische Kraftstoffe. Der Finanzminister plädierte vor den Firmenchefs für eine "Technologieoffenheit". Es sei ein "neuer Realismus" nötig, so Lindner beim Kongress in Schwäbisch Hall.

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