"Lieber spät als nie"

Interview zu "Döner-Obergrenze": Diskussion hat Heilbronn viel gebracht

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Luca Bauer
Luca Bauer

Nach der Diskussion um eine "Döner-Obergrenze" erkennt ein Tourismusexperte Chancen für Heilbronn. Auch das Thema Sicherheit spielt eine Rolle.

Monatelang ist im Sommer und Herbst diskutiert worden, ob es in Heilbronn zu viele Dönerläden, Barbershops und Nagelstudios gibt. Seit November gibt es das Konzept "Aufbruch Innenstadt", mit dem Gemeinderat und Stadtverwaltung die Diskussion um eine sogenannte Döner-Obergrenze in Heilbronn beendet hatten. Durch das Konzept könnte es Schwerpunkte für Gastronomie, Dienstleistungen und Gewerbe geben. Dafür sowie für weitere Maßnahmen soll eine Million Euro in die Hand genommen werden.

Mit dem Konzept will die Stadt in Zukunft Teilräume feiner steuern und einseitige Nutzungen vermeiden. Doch wie umsetzbar ist dieses Konzept? Hat diese monatelange Diskussion der Stadt geschadet? Und wann sind Veränderungen in der Heilbronner Innenstadt zu erkennen? Im SWR-Interview gibt Tourismusexperte Christian Buer von der Hochschule Heilbronn Antworten auf viele entscheidende Fragen.

SWR: Hat die lange Diskussion um die sogenannte Döner-Obergrenze einen Imageschaden für die Stadt Heilbronn mit sich gebracht?

Christian Buer: Die Frage ist doch eher, was hat die Stadt durch die Diskussion erreicht? Sie hat einen Stein ins Rollen gebracht, inklusive der öffentlichen Diskussion, dass das Bewusstsein für die Innenstadt nicht nur ein Thema im Gemeinderat ist, sondern plötzlich in der breiten Öffentlichkeit. Damit haben sie das Thema in einer Stadt zum Bewegen gebracht. Vielleicht hat das kurzfristig auf die Stadt ein Licht geworfen mit einer Aufmerksamkeit zu einem Problem, was alle Städte haben. Deswegen glaub ich nicht, dass es einen Imageschaden gebracht hat, überhaupt nicht. Das zeigt ja nur, dass die Stadt agieren und reagieren kann.

Sie (Anmerkung der Redaktion: Gemeint ist "die Stadt") hat einen Stein ins Rollen gebracht, inklusive der öffentlichen Diskussion, dass das Bewusstsein für die Innenstadt nicht nur ein Thema im Gemeinderat ist, sondern plötzlich in der breiten Öffentlichkeit.

SWR: Was würden sie sagen, hat die monatelange Diskussion gebracht?

Buer: Bewusstsein. Manchmal missbrauchen wir in der Politik eine lange Diskussion, die sich urplötzlich auch in einer breiten Öffentlichkeit wiederfindet, um das Bewusstsein zu stärken und den Mut zu haben, Dinge verändern zu können. Wir sind in den 2010er-Jahren in eine bequemliche Haltung gekommen, weil wir Wachstum hatten. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Jetzt müssen wir mit Bewusstsein stärker agieren. Das hat die Diskussion gebracht. Heilbronn hat sich zusammengerauft, gemeinsam etwas nach vorne zu bringen.   

Tourismusexperte Christian Buer von der Hochschule Heilbronn erwartet keine Imageschaden nach der Diskussion zur Döner-Obergrenze.
Tourismusexperte Christian Buer von der Hochschule Heilbronn sieht Positives an der monatelangen Diskussion über die "Döner-Obergrenze" in Heilbronn.

SWR: Wie schnell lässt sich so ein neues Konzept dann in die Praxis umsetzen?    

Buer: Grundsätzlich wird mit dem Konzept ja geschaut, gewisse Zonen zu regulieren, dass es dort weniger Take-away-Angebote gibt. Also, klassische Stadtentwicklung. Wenn ich das mache, muss ich mir überlegen, welche Alternativen bekomme ich in diese Zonen. Genau das ist das, was sich letztendlich erst noch zeigt, ob es die Nachfrage wirklich gibt. Erst dann ist zu erkennen, ob das Konzept erfolgreich ist. Einen möglichen Strukturwandel in der Innenstadt bekommen sie nicht in zwei bis drei Jahren hin. Es hat ja auch rund zehn Jahre gedauert, bis es so weit gekommen ist, wie es aktuell aussieht. Jetzt muss es eben noch mal zu einem Wandel kommen. In fünf bis sieben Jahren werden wir die ersten Erfolge messen können.        

SWR: Im neuen Doppelhaushalt 2025/26 soll ein Startkapital von einer Million Euro eingeplant werden. Ist das für eine geplante Umgestaltung der Innenstadt ein angemessener Betrag?

Buer: Aus dem Geld kann nur die Initialzündung kommen. Sie brauchen in dem Moment dann auch die Wirtschaft, die mitmacht. Das war schon immer so. Eine Stadt ist auch nicht dafür zuständig, die gesamten Investitionen zu tragen. Sie kann nur die Rahmenbedingungen schaffen und die Initialzündung machen. In diesem Sinne ist das nur eine Starthilfe, dass der Stein zum Rollen kommt. Er muss dann auch rollen und die Wirtschaft muss ihn aufnehmen. Auf den ersten Blick ist es ein hoher Betrag. Wenn man ihn aber genau aufteilt, ist es ein überschaubarer Betrag im Rahmen der Initiative.

Aus dem Geld kann nur die Initialzündung kommen.

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SWR: Bei unserem Gespräch im August hatten sie gesagt, dass das nicht vorhandene Sicherheitsgefühl ein Problem sei. Die Stadt hätte hier "gepennt". Jetzt soll das Sicherheitsgefühl gestärkt werden, unter anderem durch Kameras, wenn das gesetzlich möglich ist. Steht und fällt das Konzept und die Umsetzung mit dem Thema Sicherheit?

Buer: Im Kern ja. Wenn die Stadt selbst unternehmerisch handelt und Flächen umwandeln möchte, um dadurch zum Beispiel für die Gastronomie einen Anlaufpunkt zu gestalten, dann muss der Unternehmer auch das Gefühl haben, dass der Standort sicher ist. Gleichzeitig muss er den Eindruck haben, dass die Stadt etwas macht für die Sicherheit. Zum Beispiel muss ein Restaurant-Betreiber den subjektiven Eindruck haben, dass es auch nachts sicher ist, dass es ein Sicherheitskonzept und es eine gute Beleuchtung gibt. Das zieht dann auch Unternehmer an. Ich bin sicher, das wird eines der Kernthemen sein.  

SWR: Außerdem hatten sie damals bei unserem Gespräch gesagt, dass die Diskussion zur Obergrenze zu spät kommt. Würden sie sagen, die Stadt hat gerade noch die Kurve bekommen?

Buer: Lieber spät als nie. Vor zehn Jahren hätte die Stadt das Thema schon aufgreifen müssen, da wäre es sicherlich einfacher gewesen. Es gibt vier Ebenen der möglichen Krisen. Bei der normativen Ebene wird besprochen, was wir in 15 Jahren machen. Bei der strategischen Ebene wird geschaut, was wir jetzt machen. Die operative Ebene stellt sich die Frage, wie ein großes Problem gelöst werden kann. Bei der Liquiditätskrise ist es dann schon kurz vor der Insolvenz. Jetzt sind wir an genau dem Punkt gewesen, als erkannt wurde, dass die Flächen nicht genutzt werden, wir haben weniger Einnahmen. Daher müssen wir in die Krise eingreifen, durch den Zuschuss von einer Million Euro. Jetzt geht es an die strategische Frage, was machen wir jetzt. Es wird eine Chance sein, die jungen Menschen, die neu nach Heilbronn kommen und unvoreingenommen sind, vom Standort Heilbronn zu überzeugen.    

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