Metall- und Elektroindustrie

Was der Tarifkampf für Azubis bedeutet

Stand
Autor/in
Alice Robra

Die wirtschaftliche Lage bedroht Ausbildungsplätze, hat sie sogar schon gekostet, wie bei iwis Automotive. Dabei mussten die Azubis in den vergangenen Jahren schon zurückstecken.

Mitarbeitende von 16 Betrieben rund um den Telefunkenpark in Heilbronn waren am Mittwoch von der IG Metall zum Streik aufgerufen. Mit dabei auch die Auszubildenden des Heilbronner Halbleiterherstellers Vishay. Sie kämpfen für mindestens 170 Euro mehr im Monat - also mehr Geld für sie, statt für die Aktionäre. Und auch bei anderen Unternehmen kämpfen die Azubis für mehr Lohn.

"Den Azubis etwas mehr herüberreichen"

Bei Vishay steht Anton Taube an der Spitze der Jugend-und Auszubildendenvertretung. Er versteht, dass die Industrie gerade unter Druck ist. Seine Firma hat erst im Oktober angekündigt, Stellen in einem anderen deutschen Werk abzubauen, um das Unternehmen schlanker zu machen - eine Botschaft an die Aktionäre. Der Mechatroniker sieht es trotzdem nicht ein, dass an den Azubis gespart werden soll.

Wir sind gerade voll in einem Wandel in unserer Firmenstruktur, in der wir mehr zur Aktionärsbefriedigung verwandeln. Und in dem Zuge könnte man auch den Azubis etwas mehr herüberreichen.

Der seit Kurzem Ausgelernte erklärt, Azubis hätten bei den steigenden Preisen keinen finanziellen Puffer. Wenn ihre Fixkosten um 300 Euro steigen, dann fehlen ihnen nicht nur zehn, sondern gleich rund 30 Prozent des Einkommens.

Arbeitskampf auch bei Audi

Klatschen, Trillerpfeifen und vor allem gegen die Absperrung des Parkhauses hämmern - auch die Audi-Azubis machten in der vergangenen Woche zum Warnstreik in Neckarsulm (Kreis Heilbronn) ordentlich Lärm. Ihre Forderungen sollen genauso gehört werden, wie die der anderen 5.000 Audi-Beschäftigten, die ebenfalls die Arbeit niedergelegt haben. Mit dabei ist auch die 19-jährige Elisawet Panagiotu.

170 Euro klingen vielleicht für manche nach wenig, aber für einen Azubi macht das schon was, gerade wenn man vielleicht seine Eltern etwas unterstützen möchte.

Azubis beim IG-Metall-Warnstreik lächeln in die Kamera
Fatih Dülger und Erblind Demhasai machen ihre Ausbildung bei Audi. Um auch die Eltern mitzuunterstützen, reicht das Ausbildungsgehalt nicht, sagen sie. Bild in Detailansicht öffnen
Azubis beim IG-Metall-Warnstreik lächeln in die Kamera
Elisawet Panagiotu sagt, 170 Euro seien für einen Azubi viel wert, insbesondere wenn man nicht mehr zu Hause wohne. Bild in Detailansicht öffnen

IG-Metall-Tarif: Das Schlusslicht unter den Ausbildungstarifen

Der IG-Metall-Tarif gilt allgemein als großzügig. Doch bei den Azubis waren die Lohnsprünge in den vergangenen Jahren unterdurchschnittlich. Nach dem Tarifarchiv des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, bekamen die Metaller-Azubis zwischen 2019 und 2024 in Baden-Württemberg 8,7 Prozent mehr Geld. Das ist Schlusslicht unter den Ausbildungsberufen.

Allgemein bekamen Tarif-Beschäftigte durchschnittlich 15 Prozent mehr Lohn. Nun zieht die IG Metall nach: Ihre Forderung von 170 Euro mehr für Azubis entspricht einem Zuwachs von über 15 Prozent im ersten Lehrjahr. Für die übrigen Beschäftigten fordert die Gewerkschaft sieben Prozent mehr Lohn. Aktuelles Einstiegsgehalt im ersten Lehrjahr sind 1.127 Euro brutto.

Azubis versorgen Familien mit

"Das Leben ist teuer geworden!", sagt Fatih Dülger. Er ist 22, im ersten Lehrjahr und will seine Mutter unterstützen, bei der er wohnt. Doch mit diesem Gehalt sei das schon schwer. Auch sein Kollege Erblind Demhasai will mehr Geld. Mit Ausbildung und Schule sieht er keinen Raum, um auch noch einen Minijob anzunehmen. Angst, seinen Ausbildungsplatz zu verlieren, hat er nicht. Audi hält fest an der Job- und Ausbildungsplatzgarantie bis 2029, auch wenn der Gewinn zuletzt fast komplett eingebrochen ist.

iwis-Azubis bekommen zweite Chance

Mitte September hatten die neuen iwis-Azubis etwas anderes zu spüren bekommen. Auch ihr neuer Arbeitgeber, der Automobilzulieferer iwis mechatronics aus Schwaigern (Kreis Heilbronn), hatte große Absatzprobleme. Er kündigte deshalb den zehn Azubis, noch bevor sie ihren ersten Tag hatten. Mittlerweile hat die Firma auch Insolvenz beantragt. Betriebsrat Martin Stäbe sagt, alle Azubis aus dem ersten und zweiten Lehrjahr seien bei anderen Firmen in der Region untergekommen. Angelika Schilling ist eine von ihnen und fühlt sich jetzt bei ihrem neuen Arbeitgeber IPR, einem Robotic Unternehmen in Eppingen (Kreis Heilbronn), wohl. Sie habe hier auch neues Vertrauen geschöpft, sagt sie, trotz der aktuellen wirtschaftlichen Lage.

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