Die Heilbronner Staatsanwaltschaft zieht nach einem halben Jahr Modellprojekt "beschleunigte Verfahren" eine positive Bilanz, die Bewährungshilfe sieht dagegen auch Probleme. Einige prominente Fälle wurden in der Zeit bereits auf diese Weise verhandelt - vom sogenannten Silvesterrandalierer bis zu Klimaaktivisten.
Modellprojekt soll beschleunigte Verfahren wiederbeleben
Zwar lässt die Strafprozessordnung beschleunigte Verfahren schon lange zu, diese Möglichkeit gerät jedoch immer wieder in Vergessenheit. Deswegen gibt es seit Jahresbeginn ein neues Modellprojekt dazu - unter anderem auch in Heilbronn. Dabei soll der "kurze Prozess" stets fortentwickelt werden und ein Kriterienkatalog geschaffen werden, welche Verfahren sich dafür überhaupt eignen. Klar ist: nur wenn der Sachverhalt einfach und die Beweislage klar ist, ist ein Fall für ein beschleunigtes Verfahren geeignet, sagt Paragraf 417 der Strafprozessordnung (StPO). Der Täter, bei dem ein beschleunigtes Verfahren klassisch angewendet wird, ist jemand, der kurz nach der Haft direkt wieder straffällig wird.
Staatsanwaltschaft zieht Bilanz
Von Januar bis Mai hat die Staatsanwaltschaft 67 Anträge auf Durchführung des beschleunigten Verfahrens gestellt. Davon sei auch keiner abgelehnt worden, sagt die zuständige Erste Staatsanwältin Sara Oeß. In zehn Fällen wurde noch am selben oder am Tag nach der Straftat geurteilt, in den anderen binnen fünf Wochen.
Warum wird das beschleunigte Verfahren aber nicht immer genutzt? Es sei nicht immer möglich, am nächsten Tag einen Staatsanwalt, einen Richter und einen Verteidiger bereitzustellen.
Staatsanwaltschaft erhofft sich mehrere Vorteile
Die Staatsanwaltschaft verspricht sich von den beschleunigten Verfahren nicht etwa weniger Aufwand, sagt der leitende Oberstaatsanwalt Frank Schwörer, sondern eine Chance auf eine Verhaltensänderung bei den Tätern: "Je eher Unrecht und Sanktion verknüpft sind, desto bewusster ist das Unrecht". Außerdem bedeutet ein schnelleres Verfahren, auch eine kürzere Zeit in Untersuchungshaft. Schwörer erhofft sich auch, dass so das Sicherheitsgefühl in der Gesellschaft stärker wird. Er hat den Eindruck, eine schnelle Verurteilung wie beim sogenannten Silvesterrandalierer, zeige der Bevölkerung, dass der Rechtsstaat funktioniere.
Der damals 30-jährige Tunesier hatte in der Silvesternacht Raketen in Richtung einer Gruppe Kinder gefeuert. Als die Polizei seine Personalien verlangte, ging er auf die Beamten los. Er wurde nur wenige Tage danach im beschleunigten Verfahren zu neun Monaten Haft verurteilt und mittlerweile abgeschoben.
Verfahren für Klimaaktivisten womöglich nicht geeignet
Schwörer sagt, im Modellprojekt geht es auch darum, sich auszuprobieren. Etwa im Fall der Klimaaktivisten habe man gesehen, dass bei ihnen durch das beschleunigte Verfahren keine Einsicht oder ein Ende der Aktionen zu erzielen war. Diese hatten nämlich direkt nach dem Urteil wieder eine Straße blockiert. Ansonsten sei es aber gut angelaufen, das Projekt laufe bis auf weiteres. Nach Angriffen auf Einsatzkräfte, vor allem in Berlin, forderte Innenminister Thomas Strobl (CDU), beschleunigte Verfahren im ganzen Land auszurollen.
Bewährungshilfe mit Lob und Kritik
Tim Schreiber von der Bewährungshilfe Heilbronn findet das beschleunigte Verfahren grundsätzlich gut. Der Verurteilte könne so einen besseren Zusammenhang zwischen Tat und Konsequenz herstellen. In langwierigen Verfahren, wenn die Tat länger her ist, würden sich hingegen im Täter die Faktoren, die zu Straftaten führen, bis zur Verurteilung manifestieren.
Schreiber wäre es wichtig, nicht nur die Strafe, sondern auch die Gründe und Ursachen, die zur Tat geführt haben, in den Vordergrund zu rücken. Das klappe nicht immer, weil im beschleunigten Verfahren die Bewährungshilfe nicht immer mit am Tisch sitzt. Er sieht in der Personalnot einen wunden Punkt. Denn während in der Strafverfolgung, also bei der Staatsanwaltschaft, Stellen für das beschleunigte Verfahren geschaffen wurden, ist das bei der Bewährungshilfe, also der potentiellen Strafvereitelung, nicht der Fall.