Es muss einiges passieren, damit der Wirtschaftsstandort Deutschland eine gute Zukunft hat. Das ist oft zu hören bei vielen Teilnehmern des 14. Gipfeltreffens der Weltmarktführer in Schwäbisch Hall. Konkret werden dann Themen wie Bürokratieabbau, Fachkräfte, Digitalisierung, aber auch die hohen Energiepreise genannt.
Bei einer spontanen Online-Umfrage auf dem Kongress sagten über 90 Prozent der Teilnehmer, Deutschland habe an Wettbewerbsfähigkeit im vergangenen Jahr eingebüßt. 52 Prozent der Befragten meinten jedoch auch, dass die Bevölkerung die wirtschaftliche Lage in Deutschland derzeit zu pessimistisch sehe.
Schwarz-Chef: IT-Themen kosten viel Geld für Mittelstand
Er mache sich Sorgen um den Mittelstand, sagte der Chef der Neckarsulmer Schwarz Gruppe (Kreis Heilbronn) mit Lidl und Kaufland, Gerd Chrzanowski. Gerade für die Themen IT-Sicherheit und Digitalisierung bräuchten auch kleine Firmen sehr viel Geld. Die Cyberangriffe auf Unternehmen seien teils massiv. Chrzanowski plädierte zudem für mehr europäische Souveränität und Unabhängigkeit beim Thema Daten von den USA. Die Schwarz Gruppe wolle ihre Daten selbst in der Hand behalten und auch wissen, wo diese liegen. Deshalb setze die Schwarz Gruppe mit dem eigenen IT-Angebot STACKIT auf eine deutsche Cloud für Unternehmen.
Auch das Thema Cyber-Sicherheit hat das Unternehmen mittlerweile im Portfolio. Außerdem ist das Unternehmen am Aufbau des künftigen Innovationsparks Künstliche Intelligenz (Ipai) in Heilbronn beteiligt. Derartige Ökosysteme würden immer wichtiger, so Chrzanowski. Die Schwarz Gruppe öffne sich und lade kleine oder große Unternehmen ein, bei diesen IT-Lösungen mit dabei zu sein. "Klar, wir verdienen damit auch Geld", so Chrzanowski.
Die Schwarz Gruppe beschäftigt nach eigenen Angaben in ihren verschiedenen Unternehmen weltweit über 575.000 Mitarbeitende. Im Geschäftsjahr 2022 lag der Umsatz über alle Geschäftsfelder hinweg bei 154 Milliarden Euro. Die Gruppe gilt als größtes Handelsunternehmen Europas.
Finanzminister Lindner per Video zugeschaltet
Die deutsche Wirtschaft sei nicht krank, aktuell nur erschöpft, sagte Finanzminister Christian Lindner (FDP) am Nachmittag. Es brauche jetzt Kraft, strukturelle Reformen und eine Wachstumsagenda. Man brauche keine Gesund-, aber auch keine Schwarzbeterei. Eine Unternehmenssteuerrefrom sei finanziell möglich, dafür müssten im Haushalt Mittel umgeschichtet werden, so Lindner. Bislang gebe es dafür aber keine politische Mehrheit.
Zum Bürokratieabbau sagte Lindner, es brauche keine bürokratische EU-Lieferketten-Richtlinie für Unternehmen. Deutschland werde sich dem in den Weg stellen. Diese Richtlinie sei nur eine zusätzliche bürokratische Belastung für die Betriebe.
Kretschmann: "Wirtschaft brutal unter Druck"
Bereits am Vorabend des ersten Kongresstages gab es einen exklusiven "CEO-Abend" für Unternehmerinnen und Unternehmer. Dieses Jahr war unter anderem Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zu Gast.
In seiner Rede im Neuen Haller Globe Theater ging Ministerpräsident Kretschmann auf die vielfältigen aktuellen Herausforderungen ein. Die Wirtschaft habe es mit dem Fachkräftemangel, hohen Energiepreisen, globalen Krisen und Lieferkettenproblemen zu tun. Hinzu würden eine explodierende Cyberkriminalität und ein "beinharter Wettbewerb" rund um Digitalisierung und die Antriebswende kommen. All das setze die Wirtschaft "brutal unter Druck", so Kretschmann.
Bei all den Problemen dürfe man aber nicht aus den Augen verlieren, so der Ministerpräsident, dass die Ausgangssituation in Baden-Württemberg immer noch "ausgezeichnet" sei. Auch im internationalen Vergleich gebe es hoch qualifizierte Arbeitskräfte, eine industrielle Basis und die höchste Weltmarktführerdichte der Welt. Hinzu komme ein Netz an herausragenden Universitäten, Instituten und Hochschulen.
Starke Ökosysteme für Forscher und Unternehmen
Beim Thema Innovationen hole allerdings China mächtig auf, so Kretschmann. Die Landesregierung verfolge daher eine umfassende Innovationsagenda, etwa beim Thema Künstliche Intelligenz (KI) oder bei nachhaltiger Mobilität. Es gehe um starke Ökosysteme für Forscherinnen und Forscher und Unternehmen. "Dieser enge Austausch von Wissenschaft und Wirtschaft stärkt auch unsere Unabhängigkeit von anderen Weltregionen", so der Ministerpräsident.
Zum Thema Künstliche Intelligenz sagte Kretschmann, hier kaufe man "ein ganzes Weltbild" mit ein. Deshalb sei es so wichtig, dass Europa auf seine technologische Souveränität achte. "Wir müssen technologisch an der Spitze bleiben. Auf Augenhöhe mit den USA und China. Das ist ganz entscheidend."
Ministerpräsident besorgt über Cyberkriminalität
Das Thema Cyberkriminalität führe inzwischen die Top Ten der Unternehmensrisiken an, so der Grünen-Politiker. Es gebe milliardenschwere Schäden für die Wirtschaft. Gerade bei kleinen und mittelständischen Unternehmen komme das Thema aber noch zu kurz, auch aus Kostengründen. Hier brauche es dringend ein Ökosystem für Cybersicherheit, so Kretschmann.
"Globaler Wettbewerb um grüne Transformation"
Die Energiewende bezeichnete der Ministerpräsident als ein "Mega-Projekt". Das sei kein Sprint, sondern ein Marathon. Auch bei der grünen Transformation hole China "mit Riesenschritten" auf. Das Land könne rechnen und wisse, dass Wind und Sonne umsonst und unendlich verfügbar seien. Der rasche Ausbau der Erneuerbaren Energien sei eine ökonomische Notwendigkeit, so Kretschmann.
Ziele der AfD "Horror-Szenario"
Kretschmann streifte in seiner Rede auch die Themen Fachkräfte und Bürokratie-Abbau. Ein weiterer Standortvorteil sei der "demokratische Rechtsstaat", um den man sich kümmern müsse. "Die AfD schlägt aus den Sorgen der Menschen Kapital", so der Ministerpräsident. Die inhaltlichen Ziele der Partei seien ein "Horror-Szenario" politisch und wirtschaftlich.
Weitere Gäste bei "CEO-Abend"
Der Vorstandsvorsitzende des Goethe-Instituts, Johannes Ebert, beleuchtete, welche Fachkräftepotenziale es für Firmen im Ausland gibt. Durch das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz würden sich neue Chancen ergeben. Der Chef des Stuttgarter Ernst Klett Verlags gab den Führungskräften Einblicke in das Thema Strategie. Auch Robert Friedmann, Sprecher der Konzernführung der Würth-Gruppe, sprach zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Würth hatte zuletzt die Marke von 20 Milliarden Euro Umsatz geknackt.
Hochrangige Referenten
Zu den Teilnehmenden spricht zum Beispiel auch der Chef des Gesundheitskonzerns Fresenius, Michael Sen. Sein Thema: "Worauf es jetzt für die Gesundheitswirtschaft ankommt." Der Sprecher des Vorstands von Vorwerk, Thomas Stoffmehl, gibt Einblicke, wie man die Marktführerschaft in disruptiven Zeiten ausbauen kann. Vorwerk produziert etwa den bekannten Thermomix.
Astronaut Alexander Gerst zu Gast
Im Künzelsauer Carmen-Würth-Forum (Hohenlohekreis) steht nach dem ersten Kongresstag eine "Highlight Session" an. Als besonderer Talkgast wird Astronaut Alexander Gerst erwartet, der selbst Ehrenbürger in Künzelsau ist.
Künstliche Intelligenz im Fokus
Für den zweiten Kongresstag am Donnerstag hat sich auch der Chef des Heidelberger KI-Start-ups Aleph Alpha, Jonas Andrulis, angekündigt. Er spricht zum Thema: "Die Folgen der letzten industriellen Revolution mit dem Menschen am Steuer." Aleph Alpha hat 2023 eine Partnerschaft mit dem künftigen Innovationspark Künstliche Intelligenz (Ipai) abgeschlossen, der in Heilbronn entstehen wird. Erwartet wird auch die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger (FDP).
Ehemaliger Wirtschaftsminister als Mit-Organisator
Das Gipfeltreffen wird von der WirtschaftsWoche (Handelsblatt Media Group) und der Akademie Deutscher Weltmarktführer (ADWM) organisiert. Hinter der ADWM steht der frühere baden-württembergische Wirtschaftsminister Walter Döring (FDP) aus Schwäbisch Hall.