In Gaildorf (Kreis Schwäbisch Hall) gibt es Unstimmigkeiten über die Zustände in einer kommunalen Asylbewerber- und Obdachlosenunterkunft. Die Bewohner hatten sich bei einer Zeitung über Schädlingsbefall, über unhaltbare Zustände beklagt.
Bewohner der Unterkunft: Kakerlaken vermehrten sich rasant
Bernd W. lebt seit Dezember in der Unterkunft. Der 67-Jährige hatte nach längerer Krankheit seine Wohnung verloren, die Stadt Gaildorf hat ihm ein Bett in einem Zweierzimmer im Obergeschoss zugeteilt. Er sagte dem SWR, die Zustände vor Ort seien unhaltbar. Auf privaten Handyaufnahmen wuseln die Kakerlaken an den Wänden der Küche und auf dem Fußboden. Seit Monaten seien die unerwünschten Mitbewohner da, klagt er. Die Kakerlaken krabbelten nachts aus Fugen und Ritzen und unter den Türspalten hindurch durchs ganze Zimmer.
Im Gebäude wohnen rund 30 Menschen, der Großteil von ihnen Asylbewerber aus Syrien, Afghanistan oder der Ukraine. Schädlinge sind laut Bernd. W. schon lange ein Problem. Zunächst hatten sie Bettwanzen. Die Stadt beauftragte eine Schädlingsbekämpfungsfirma, die das Problem in den Griff bekam. Dann tauchte aber eine neue Gattung Schädlinge auf: die Deutsche Schabe.
Diese habe sich rasant vermehrt, sagt Bernd W. Als dann ein Säugling vermeintlich von Kakerlaken gebissen oder gestochen wurde, war das Maß für ihn voll. Er ging zur Zeitung, um die Probleme öffentlich zu machen. Er meinte, anders würde sich hier nichts bewegen.
Stadt Gaildorf: Haben umgehend reagiert
Dass die Bedingungen nicht optimal seien, gesteht Daniel Kuhn, Sprecher der Stadt Gaildorf, ein. Im März sei der Schabenbefall über Monitorfallen, die der Hausmeister aufgestellt habe, aufgefallen. Daraufhin habe man umgehend reagiert und eine Schädlingsbekämpfungsfirma eingeschaltet, die zuvor schon das Bettwanzenproblem behoben hatte.
Die Bewohner geben an, ein Kammerjäger sei vor zwei Wochen aufgetaucht. Die beauftragte Firma bestätigt: Ein Einsatz habe vor gut zwei Wochen stattgefunden, ein zweiter dann am vergangenen Montag. Weitere vier bis fünf Termine im Abstand von je 14 Tagen seien geplant, neben den Klebefallen kämen auch Gelköder zum Einsatz. In rund drei Monaten bekomme man das Problem erfahrungsgemäß in den Griff, meint die Firma.
Auch Gesundheitsamt war eingeschaltet
Und der Vorfall mit dem Baby? Der Inhaber der Schädlingsbekämpfungsfirma sagt ganz deutlich, Kakerlaken würden weder beißen noch stechen. Den Vorfall an sich bestätigte die Stadt dem SWR. Was nun aber gestochen oder gebissen habe, lasse sich schwer rekonstruieren. Der behandelnde Kinderarzt, den der Vater mit dem vermeintlich gebissenen Kind aufgesucht hatte, vermutete Krätze und informierte das Gesundheitsamt. Dieser Verdacht wurde nach zwei Begehungen der Unterkunft ausgeräumt.
Stadtsprecher Daniel Kuhn sagte dem SWR, nach dem Vorfall habe die Stadt die Bemühungen zur Schädlingsbekämpfung intensiviert. Die Bewohner umzuquartieren, kam aber nicht infrage. Das mache man nur, wenn eine gesundheitliche Beeinträchtigung vorliege und kein bloßes Hygieneproblem wie der Schabenbefall.
Sammelunterkünfte seien prädestiniert für derartige Probleme, sagt Kuhn. Er habe auch von anderen Kommunen gehört, die damit kämpfen. Es seien aber auch die Bewohner gefordert, ihren Teil zur Verbesserung beizutragen - etwa kein Geschirr mit Essenresten herumstehen zu lassen.
Stadt will Mängel angehen
Bernd W. ärgert sich darüber, dass man sich die Verantwortung gegenseitig zuschiebe. Klar könne die Stadt die Kakerlaken nicht wegzaubern, sagt er, er würde sich aber wünschen, dass sie das Problem mit mehr Nachdruck angehe und auch Ursachen bekämpfe.
Damit meint er Schäden in der Unterkunft, in denen die Kakerlaken optimale Schlupflöcher finden wie fehlende Fugen und lose Fliesen. Damit konfrontiert, verspricht die Stadt, die Mängel angehen zu wollen. Sie verweist aber auch auf das Landratsamt, das für bauliche Schäden zuständig sei. Dem SWR hat das Landratsamt Schwäbisch Hall bislang nicht geantwortet.
Können sich Asylbewerber ohne Bedenken beschweren?
Die betroffene syrische Familie möchte nicht mit dem SWR sprechen. Zu groß sei die Angst vor den Behörden, meint Bernd W. Die Stadt betont, sie wolle die Sorgen der Bewohner ernst nehmen. Bedenken der Asylbewerber, bei Beschwerden ihre Bleibeperspektive verlieren zu können, seien unberechtigt. Es brauche niemand Angst zu haben, betont Kuhn.
Auf die Frage, ob sie hier gerne lebe, antwortet eine afghanische Familie, die anonym bleiben will: "Ja natürlich". Sie seien dankbar, ein Dach über dem Kopf zu haben. Nach der Flucht vor den Taliban sei alles besser als nichts. Dennoch litten die Kinder unter dem Schädlingsbefall. Für sie wünsche man sich eine eigene Wohnung, am liebsten in Gaildorf und ohne Kakerlaken.
Spätestens zum Jahresende neue Situation
Zum Jahresende endet der Mietvertrag für die Unterkunft. Das Landratsamt braucht den Raum für Geflüchtete, die dem Kreis Schwäbisch Hall zugeteilt sind oder werden. Die jetzigen Bewohnerinnen und Bewohner müssen dann umziehen. Voraussichtlich aber nur auf die andere Seite der Wiese. Hier will das Landratsamt bis März eine neue Unterkunft für die Stadt errichten.