Bei den Abschlussprüfungen für eine Berufsausbildung nehmen in Baden-Württemberg die Durchfallquoten seit einigen Jahren zu. Auch die bundesweite Zahl der vorzeitig aufgelösten Ausbildungsverträge ist mit fast 30 Prozent auf einem Höchststand.
Der Berufsschullehrerverband Baden-Württemberg (BLV BW) sieht Handlungsbedarf - insbesondere bei der gezielten Förderung von Auszubildenden, die durch ihre Herkunft oder ihr Elternhaus benachteiligt sind. Hier müsse die Politik mehr investieren, fordert Vorstand Thomas Speck im SWR. Auch Claus Paal vom Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertag (BW IHK) mahnt, solche Auszubildende "nicht hinten runterfallen zu lassen".
Über 92 Prozent schaffen den Abschluss
Bisher steht Baden-Württemberg im Bundesvergleich bei den bestandenen Abschlussprüfungen gut da. Im Jahr 2022 waren es 92,4 Prozent, 2021 dann 94,5 Prozent. Allerdings gibt es Unterschiede bei den Berufen und der Herkunft. So bestehen bundesweit laut Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) im Handwerk weniger Azubis die Prüfung im ersten Anlauf als in Industrie und Handel. Nimmt man die weiteren Prüfungsversuche mit dazu, so schafften 92 Prozent der Teilnehmenden mit deutschem Pass am Ende den Abschluss, aber nur knapp 80 Prozent der Nichtdeutschen. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Ausbildung abgebrochen wird, ist bei Ausländern wesentlich höher.
Heilbronn: Schülerinnen und Schüler tun sich schwerer
"Wir stellen fest, dass sich die Schülerinnen und Schüler heute mit den Prüfungen schwerer tun," sagt Christoph Franz von der Arbeitsgemeinschaft der Direktorenvereinigungen an Beruflichen Schulen in Baden-Württemberg (ADV). Er ist Schulleiter an der Peter-Bruckmann-Schule in Heilbronn. Ein Grund sei, dass die Anforderungen in den Berufen immer komplexer würden. Auch die Sprache sei eine zentrale Hürde. "Da schwingt ein Bäcker-Azubi gigantisch die Brezeln, aber versteht die Aufgabe für die Berechnung der Rezeptur nicht," so Franz. Hier brauche es gezielte Sprachförderkurse, nicht nur für Ausländerinnen und Ausländer.
Anteil sozial auffälliger Schülerinnen und Schüler steigt
"Wir haben viele tolle und engagierte Schülerinnen und Schüler an der Kaufmännischen Schule Öhringen (Hohenlohekreis)," sagt Schulleiter Matthias Kyek. Allerdings nehme der Anteil jener mit Auffälligkeiten seit Jahren zu. So sei das Schuleschwänzen ein großes Thema. Dazu kommen vermehrt psychische Probleme wie soziale Phobien. Auch fehlt es manchen an Tugenden wie Pünktlichkeit oder Durchhaltevermögen, so Kyek. Er fordert unter anderem kleinere Klassen und mehr Lehrerinnen und Lehrer für die beruflichen Schulen, zu denen die Berufsschulen gehören.
Fast 30 Prozent - Warum werden so viele Ausbildungen abgebrochen?
Brechen Auszubildende eine Ausbildung ab, so liegt dies in der Regel nicht an der Berufsschule. Genannt werden im DGB-Ausbildungsreport 2024 vor allem Konflikte mit Vorgesetzten, ungünstige Arbeitsbedingungen oder falsche Berufsvorstellungen. Die Betriebe beenden die Verträge überwiegend wegen mangelnder Leistung oder fehlender Motivation der Auszubildenden. Besonders hoch ist die Abbrecherquote in der Gastronomie und Hotellerie, im Lebensmittelhandwerk und in der Gebäudereinigung. Auszubildende in der öffentlichen Verwaltung brechen dagegen sehr selten ab.
Einen Grund für die erhöhte Bereitschaft, die Ausbildung vorzeitig abzubrechen, sieht Schulleiter Matthias Franz in der großen Auswahl für die Jugendlichen. Wenn sie eine Stelle verlieren, können sie heutzutage vergleichsweise leicht auch woanders unterkommen.
Wie viele Auszubildende die Berufsschule ganz ohne Abschluss verlassen, erfasst das Statistische Landesamt nicht. Es gibt nur Zahlen der beruflichen Schulen insgesamt. Darunter fallen Berufsschulen, aber eben auch berufliche Gymnasien und andere. Der Landesschnitt lag hier im Abgangsjahr 2022/23 bei 18,7 Prozent. Für Heilbronn-Franken, wo die Schulen von Kyek und Franz liegen, waren es 17 Prozent.