Eine Zwergfledermaus wird mit einer Pipette gefüttert.

Bodensee-Oberschwaben: Ehrenamtliche für Wildtierhilfe gesucht

Wenn Fledermausbabys und kranke Igel Pflege brauchen

Stand
Autor/in
Rebecca Lüer
SWR-Redakteurin und Studioleiterin Rebecca Lüer Autorin Bild
Onlinefassung
Stefanie Baumann
SWR-Redakteurin Stefanie Baumann Autorin Bild

Naturschutzverbände und Wildtiervereine in der Bodenseeregion suchen dringend Ehrenamtliche, die junge oder verletzte Fledermäuse, Igel, Störche oder kleine Vögel aufpäppeln und pflegen wollen.

Vereine und Verbände für den Schutz von Wildtieren beklagen, dass es zu wenig ehrenamtliche Pflegestellen für hilfsbedürftige Wildtiere gibt, auch in der Region Bodensee-Oberschwaben. Das liege auch an der fehlenden Unterstützung durch die öffentliche Hand. In vielen Fällen würden bestenfalls die Sachkosten erstattet, oftmals nicht mal die, heißt es etwa vom BUND Ortsverband Friedrichshafen.

Fred Boneberg in Friedrichshafen kümmert sich zurzeit ehrenamtlich um drei verwaiste Fledermausbabys. Sie wogen anfangs nur zwei Gramm und müssen mit dem "Fläschchen" ernährt werden, das in dem Fall eine kleine Pipette ist.

Fred Boneberg aus Friedrichshafen ist eigentlich Technischer Zeichner. Neben Job und Familie kümmert er sich derzeit um kleine Fledermausbabys, die aus ihrem Dachquartier in einer Turnhalle gefallen sind und ohne menschliche Hilfe verhungert wären. Insgesamt waren es rund 70 kleine Fledermäuse, für die die Fledermausbeauftragte aus dem Kreis Lindau Pflegeeltern suchte. Dem Aufruf über den BUND folgte unter anderem Fred Boneberg.

Ein Fledermausbaby in der Hand eines Mannes
Fred Boneberg päppelt ehrenamtlich Fledermausbabys auf.

Seitdem klingelt alle sechs Stunden Bonebergs Wecker und der Ziehvater muss Milchpulver anrühren. Außerdem gibt es entköpfte und entdarmte Mehlwürmer für die Winzlinge. In drei Wochen müssen die Zwergfledermäuse groß genug sein, um selbständig fliegen und jagen zu lernen. Danach werden sie ausgewildert.

Finanzielle und fachliche Unterstützung für Wildtier-Helfer

Wer jungen oder verletzten Wildtieren hilft, macht dies oft ehrenamtlich. Fachliche oder finanzielle Unterstützung gibt es manchmal von den Landratsämtern. Eine SWR-Umfrage zeigt: Die Hilfsangebote fallen in der Region Bodensee-Oberschwaben unterschiedlich aus.

Im Kreis Biberach etwa können Futterkosten für verletzte Wildtiere übernommen werden, ebenso Tierarztkosten. Dies sei aber nur möglich, wenn die Untere Naturschutzbehörde involviert sei, teilte das Landratsamt mit. Ehrenamtliche würden mit einem Stundensatz von derzeit 9,24 Euro honoriert, auch eine Kilometerpauschale werde gewährt.

Die Untere Naturschutzbehörde im Kreis Biberach arbeitet laut Landratsamt im Artenschutz aktuell mit rund 30 Ehrenamtlichen zusammen. Dabei gehe es unter anderem um die Betreuung von Amphibienzäunen, um Biber-, Hornissen- und Wespenberatung oder auch um die Betreuung der Weißstorch- und Kiebitzpopulation. Eine Pflegestelle für verletzte Wildtiere gibt es nicht, man arbeite mit einzelnen Experten wie Falknern oder Mitglieder des Arbeitskreis Fledermausschutz zusammen.

Überlingen

Damit Tiere nicht zur Gefahr werden Imker Siegfried Wehrle siedelt Hornissen um

Wenn Wespen oder Hornissen zur Gefahr für Menschen werden, bringt Imker Siegfried Wehrle ihre Nester an einen neuen Platz. Zuletzt war er in Überlingen (Bodenseekreis) im Einsatz.

SWR4 BW aus dem Studio Friedrichshafen SWR4 BW aus dem Studio Friedrichshafen

Auch im Landkreis Sigmaringen gibt es teilweise finanzielle Unterstützung. Vom Landratsamt bestellte ehrenamtliche Biberberater, Beauftragte für Wespen und Hornissen sowie für Fledermäuse können am Jahresende Aufwandsentschädigungen und Fahrtkosten abrechnen. Bestellte Ehrenamtliche in der Storchenhilfe rechnen Unkosten mit dem Regierungspräsidium Tübingen ab. Einen Entschädigungsfond für weitere freiwillig Ehrenamtliche, die sich um Igel oder andere Wildtiere eigeninitiativ kümmern, gibt es laut Landratsamt nicht.

Ähnlich äußert sich das Landratsamt Bodenseekreis: Es verweist auf Experten des Veterinär- und Forstamtes, die in Einzelfällen bei Fachfragen "im Rahmen ihrer Möglichkeiten" zur Seite stünden, sowie auf das vom Land geförderte Vogelschutzzentrum in Mössingen (Kreis Tübingen). Ehrenamtliche Berater und Beraterinnen, etwa für Hornissen, Wespen und Fledermäuse, werden laut einem Sprecher für Ihren Einsatz gefördert, ebenso die Betreuung von Amphibienwanderungen und in einigen Gebieten von Nistkästen. Man konzentriere sich hierbei auf seltene und gefährdete Arten, ehrenamtliches Engagement für Igel oder Schwäne werde nicht gefördert.

Pflege von Wildtieren sehr zeitintensiv

Auch wenn der Wunsch zu helfen und das Interesse an Wildtieren groß sein- vor allem Berufstätige könnten die zeitintensive Pflege von Wildtierjungen meist nicht stemmen, sagt Pia Wilhelm aus Wilhelmsdorf von der landesweiten Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz (AGF). Kleine Fledermäuse etwa bräuchten wie Säuglinge alle paar Stunden ihr Fläschchen.

Kleine Fledermaus auf einem menschlichen Finger.
Die Pflege von kleinen Fledermäusen ist sehr aufwendig.

Mit kleinen Pipetten wird ein Fledermausbaby dann mit spezieller Aufzuchtmilch gefüttert, anschließend muss es sorgfältig sauber gemacht werden, damit es nicht verklebt, so die Fledermausexpertin. Das sei eine Herausforderung und erfordere Fingerspitzengefühl bei Jungtieren, die gerade mal zwei Gramm wiegen. Selbst ausgewachsen wiegen etwa Zwergfledermäuse nur um die fünf Gramm, soviel wie zwei Stück Würfelzucker, sagt Pia Wilhelm.

Helfer für die Wildtierpflege sind überlastet - Zahl der tierischen Notfälle nimmt zu

Viele langjährige Helfer im Wildtierbereich sind ausgebrannt und können nicht mehr, sagt Helga Weißkopf von der Igelnothilfe in Bermatingen (Bodenseekreis). Unterstützung werde dringend benötigt. Gleichzeitig steige die Zahl der Wildtiere in Not. Weißkopf pflegt das ganz Jahr schwer verletzte und kranke Igel. Bei feuchtwarmer Witterung wie häufig in diesem Jahr würden Verletzungen bei Igeln schlecht heilen und Fliegen schnell ihre Eier in die Wunde setzen. Wichtig wären Pflegestellen, die die "unproblematischen" Fälle aufnehmen, so dass bei den Igel-Experten Platz sei für die schwierigen Notfälle.

Igel "Walterchen" - dank Päppeln hat der kleine Mann aus Salem (Bodenseekreis) den Winter überlebt.
Igel "Walterchen" - dank Päppeln hat der kleine Kerl aus Salem (Bodenseekreis) den Winter überlebt.

Dauerregen, Starkregen und Stürme setzen vielen Wildtieren zu, etwa den Störchen, sagt Pia Wilhelm, die auch in der Storchenhilfe aktiv ist. Der Storchen-Nachwuchs habe in diesem Jahr stark gelitten. Am Affenberg Salem etwa ist der Großteil der Jungstörche während der kühlen Dauerregen-Periode Ende Mai verendet.

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Kleinen Jungvögeln, zum Beispiel Mauerseglern oder Schwalben, wird es hingegen bei großer Hitze zu heiß. Sie purzeln oder hüpfen dann zu früh aus dem Nest, oft in den sicheren Tod, so Wilhelm.

Werden Dachböden alter Häuser und Kirchen saniert oder alte Bauernhäuser und Scheunen abgerissen, verlieren Fledermäuse, aber auch Mauersegler oder Eulen ihr Quartier. Besonders dramatisch ist das, wenn eine sogenannte Wochenstube betroffen ist - so nennt man einen Zusammenschluss von Fledermausweibchen, die über den Sommer gemeinsam ihren Nachwuchs großziehen.

Wie man Igel, Fledermaus und Vogel auch mit wenig Aufwand helfen kann

Wer sich mit der Pflege von jungen oder verletzten Wildtieren überfordert fühlt oder nicht den Platz dafür hat, kann Igeln, Vögeln und Fledermäusen trotzdem helfen. Wer einen Garten oder Balkon hat, kann zum Beispiel mithelfen, das Nahrungsangebot dieser Wildtiere zu erhalten. Denn ein großes Problem sei das großflächige Insektensterben, heißt es vom NABU. Und Insekten seien nun mal das Hauptnahrungsmittel für Igel, Vögel oder Fledermäuse.

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Pia Wilhelm, die Fledermausexpertin aus Wilhelmsdorf, appelliert, Gärten insektenfreundlicher zu gestalten. Einheimische Blühmischungen auszusähen oder Gewürzkräuter, das locke Insekten an. Sie lobt in dem Zusammenhang die jährliche Aktion "Blühender Landkreis" im Kreis Ravensburg. Für einen fledermausfreundlichen Garten biete sich zum Beispiel auch die Nachtkerze an, so Wilhelm. Nachtkerzen blühen auch im Dunkeln und ziehen etwa Nachtfalter an.

Viele Gartenbesitzerinnen und -besitzer füttern zudem das ganze Jahr Vögel und Igel, was viele Wildtierschützer empfehlen, einige andere nicht. Wichtig sei auf jeden Fall, gerade im Sommer Wasserstellen im Garten anzubieten.

Lassen Sie Wildnis zu. Halten Sie Wildnis aus. Das ist mein Appell.

Keine Schottergärten, keine Pestizide, wenig Lichtquellen während der Nacht rund ums Haus, dafür wilde Ecken im Garten, kleine Steinhaufen oder Reisighaufen, wo Insekten und Kleintiere sich verstecken können. Das rät Pia Wilhelm denen, die Wildtieren helfen wollen. Man könne auch ein Igelhaus in den Garten stellen oder Nistkästen für Fledermäuse aufhängen. Hier stehen Naturschutzverbände und Wildtiervereine mit Rat und Tat zur Seite.

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Auch manche Kommunen bieten Unterstützung und Förderung an, um Maßnahmen für mehr Artenvielfalt umzusetzen, etwa die Stadt Friedrichshafen mit dem Förderprogramm "Häfler Zukunftsgrün". Dabei geht es unter anderem um die naturnahe Bepflanzung von Gärten, Dächern und Fassaden.

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