Noch zu Jahresbeginn hat der Stichling, eine invasive, also nicht heimische Fischart, zahlenmäßig mehr als 90 Prozent der Fische im Bodensee ausgemacht. Nun scheint er plötzlich nahezu verschwunden zu sein. Das ist eines der ersten Ergebnisse einer neuen Fisch-Inventur der Fischereiforschungsstelle Langenargen (Bodenseekreis). Solche Bestandsaufnahmen finden alle fünf Jahre statt, zuletzt 2019.
Bei der jetzigen Befischung habe man nicht einmal 50 Exemplare des kleinen, stacheligen silbernen Fischs herausgezogen, erklärte Alexander Brinker von der Fischereiforschungsstelle gegenüber dem SWR. Sonst waren es Hunderte Stichlinge in jedem Netz.
Kaum noch Stichlinge im Bodensee: Sind Krankheiten schuld?
So richtig erklären können sich die Wissenschaftler den eklatanten Rückgang der Stichlingspopulation nicht. Möglich sei, dass die Tiere durch Bakterien oder Viren krank geworden und massenweise verendet seien, so Brinker. Parasiten als Ursache seien weniger wahrscheinlich, denn die setzten den Fischen im Winter zu, nicht im Sommer. Aber auch das Hochwasser während der Laichzeit könne die Stichlinge in Stress versetzt haben.
In jedem Fall könne das rätselhafte Verschwinden der Stichlinge eine Chance für die Erholung der Felchenbestände im Bodensee sein, so Brinker. Denn seit über zehn Jahren hatte sich der vermutlich aus Aquarien in den See eingeschleppte Stichling explosionsartig vermehrt und den früher hauptsächlich vorkommenden Felchen verdrängt.
Invasive Art kann im Bodensee wieder überhandnehmen
Allerdings, so der Experte von der Fischereiforschungsstelle Langenargen, kann der derzeit geringe Bestand an Stichlingen schon im kommenden Jahr wieder massiv anwachsen. Laut der Bevollmächtigtenkonferenz für die Bodenseefischerei (IBKF) fangen Schweizer Berufsfischer seit dem Frühjahr Stichlinge mit Reusen nahe dem Ufer. Das sei ein Pilotprojekt, um zu testen, wie Stichlinge verwertet werden können. Im Winter sollen die kleinen Fische am bayerischen Bodensee mit einem Schleppnetz im tiefen Wasser gefangen werden.
Ein weiteres erstes Ergebnis der neuen Fisch-Inventur ist laut Alexander Brinker eine leichte Erholung bei den Felchen. Man habe gut genährte Exemplare in den Netzen gehabt. Das könne auch auf den Rückgang der Stichlinge zurückzuführen sein, denn Stichlinge fressen den Felchen Plankton weg. Zudem gilt seit Jahresbeginn ein dreijähriges Fangverbot für den Felchen, den einstigen "Brotfisch" der Berufsfischer am Obersee. Dadurch sollen sich die Felchenbestände erholen.