Der Kalte Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion bestimmte Anfang der 1980er Jahre das Weltgeschehen. Am 22. November 1983 bestätigte der Bundestag in Bonn den NATO-Doppelbeschluss und bewilligte die Stationierung von amerikanischen Mittelstreckenraketen in Deutschland. Rudolph Bindig aus Weingarten (Kreis Ravensburg) war zu diesem Zeitpunkt Bundestagsabgeordneter. Im Interview mit SWR-Redakteur Wolfgang Wanner erinnert er sich:
Gleichgewicht der Großmächte in Gefahr?
Ende der 1970er Jahre hatte die Sowjetunion neue Mittelstreckenraketen in Osteuropa stationiert. Der Westen fühlte sich bedroht. Ziel des 1979 in Brüssel gefassten NATO-Doppelbeschlusses war es daher, das Gleichgewicht zwischen den Kontrahenten wieder herzustellen. Der Beschluss sah vor, Gespräche mit der Sowjetunion über die Abrüstung der Raketen zu führen. Sollten die Verhandlungen scheitern, würden die USA selbst neue Mittelstreckenraketen in Europa stationieren, insbesondere in Deutschland.
Vier Jahre später gab es immer noch keine Einigung mit Russland. Der Bundestag bestätigte deshalb den NATO-Doppelbeschluss und stimmte der Stationierung neuer amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland zu. Allerdings unter großem Protest: Die Friedensbewegung war in Deutschland auf dem Höhepunkt. Schon in den Jahren zuvor waren zahlreiche Menschen gegen den Doppelbeschluss auf die Straße gegangen. Einen Monat vor der Entscheidung gingen laut Schätzungen rund 1,3 Millionen Menschen in Westdeutschland auf die Straße.
Menschenkette von Stuttgart bis Ulm
Rudolph Bindig aus Weingarten war damals ein junger SPD-Bundestagsabgeordneter. Er erinnert sich noch gut an die zweitägige Debatte und die Bannmeile rund um das Regierungsviertel in Bonn. Er selbst stand dem NATO-Doppelbeschluss sehr kritisch gegenüber. Denn mit der Stationierung von nuklearen Mittelstreckenraketen sei Westeuropa auch ein potentielles Schlachtfeld für einen atomaren Krieg gewesen.
Lebhaft erinnert er sich auch an die zahlreichen Veranstaltungen und Proteste der Friedensbewegung in der Region. Unvergesslich für Menschen in Oberschwaben sei die Menschenkette von Stuttgart nach Ulm im Oktober 1983 gewesen. An dieser nahm er selbst teil.
Rudolph Bindig stimmte damals im Parlament für einen SPD-Antrag. Dieser sah vor, dass mit der Sowjetunion noch weiter verhandelt werden sollte.
Verhandlungen langfristig alternativlos
Mit Blick auf die aktuelle Weltlage spricht er von einer Art Wiederbelebung des Kalten Krieges. Anstelle von Verträgen trete das Gegeneinander, das Hochrüsten. Dies sei eine ähnliche Entwicklung wie damals.
Den Politiker schmerzt es nach eigenen Worten unheimlich, wenn man in so etwas Unproduktives wie Rüstungsausgaben Mittel einsetzen müsse. Er hofft, dass Russland und der Westen langfristig wieder zu Verhandlungen an einen Tisch kommen.