Ein Waldstück im Eriskircher Ried

Vom Propagandainstrument zum Herzensprojekt

Naturschutzgebiete in der Region Bodensee-Oberschwaben im Wandel der Zeit

Stand
Autor/in
Lionel Killy
Maximilian Unger

Die Naturschutzgebiete in der Region Bodensee-Oberschwaben haben eine lange Geschichte. Ihr Zweck allerdings war keinesfalls immer so eindeutig wie heute. Ein historischer Überblick.

Viele Naturschutzzentren in der Region Bodensee-Oberschwaben feiern in den nächsten Jahren ihr 30-jähriges Bestehen, oder haben das bereits. Ende September feierte das Naturschutzzentrum Eriskirch (Bodenseekreis) sein Jubiläum. Das dazugehörige Naturschutzgebiet gibt es allerdings schon wesentlich länger. Vor 85 Jahren, im Juli 1939, wurde das Eriskircher Ried unter Naturschutz gestellt. Ist das damalige Konzept des Naturschutzes mit dem Naturschutz von heute vergleichbar?

Das Eriskircher Ried mit dem Bodensee
Das Eriskircher Ried am Bodensee

Anfänge liegen im 19. Jahrhundert

Erste Naturschutzgedanken kamen bereits Ende des 19. Jahrhunderts auf. Als Gegenentwurf zur Industrialisierung gab es vereinzelte Initiativen, die heute unter Naturschutzmaßnahmen fallen würden. In der Folge gründeten sich Vereine, die sich zunehmend um den Erhalt von Natur und Tieren einsetzten, darunter auch 1911 der Bund für Vogelschutz, der Vorläufer des Naturschutzbundes NABU. Diese Vereine handelten allerdings bis in die 1930er-Jahre selbstständig, indem sie privat Land kauften und eigenmächtig unter Schutz stellten. Vereinzelt wiesen Gemeinden Schutzgebiete aus, ein eigenes Gesetz dafür gab es aber nicht.

Radolfzell war eine der ersten Kommunen die gesagt hat: 'Wir haben hier eine Oase, die wir unbedingt für unsere Nachkommen erhalten wollen.'

Naturschutz als Propagandamittel

Das Potenzial des Naturschutzes erkennen auch die Nationalsozialisten. Die Idee einer reinen, unberührten Natur ließ sich gut auf einen gesunden, reinen "Volkskörper" übertragen. Um den Naturschutz propagandistisch nutzen zu können, wurde 1935 auf Betreiben Hermann Görings das Naturschutzgesetz erlassen, das in seiner Form erst 1976 vom Bundesnaturschutzgesetz abgelöst werden sollte.  

Durch die neue Richtlinie wurde ein rechtlicher Rahmen geschaffen. In der Folge gab es in Deutschland innerhalb kurzer Zeit ein deutlicher Anstieg an ausgewiesenen Naturschutzgebieten. In der Region Bodensee-Oberschwaben wurden unter anderem das Federseemoor im Kreis Biberach (1939), das Wollmatinger Ried bei Konstanz (1938) und das Eriskircher Ried im Bodenseekreis (1939) unter Naturschutz gestellt. 

Pilze im Naturschutzgebiet
Pilze im Naturschutzgebiet

Der Schutzstatus einzelner Gebiete bedeutete aber nicht zwangsläufig, dass die Natur auch aktiv geschützt wurde. Mancherorts musste der Naturraum den Plänen zur militärischen Aufrüstung weichen, etwa zum Bau von kriegswirtschaftlichen Anlagen. Im Naturschutzgebiet Federsee, in dem seit Mitte des 18. Jahrhunderts Torf als Brennstoff abgebaut wurde, entwässerte man das Moor, um mit dem Torf die Eisenbahnlinie zwischen Ulm und Friedrichshafen zu betreiben.

Ölkrise sorgt für Umdenken

Zu einem Umdenken in Sachen Naturschutz kommt es Anfang der 70er-Jahre. Durch die Ölpreiskrise von 1973 kommt das Bewusstsein für Umweltthemen auch in der Bevölkerung an. 1975 wird die Deutsche Umwelthilfe in Radolfzell am Bodensee gegründet. Wie andere Naturschutzverbände konnte sie in den letzten Jahrzehnten durch Lobbyarbeit für die Natur Veränderungen im Umwelt- und Naturschutz erreichen.  

Blumen im Eriskircher Ried
Herbstkrokusse im Eriskircher Ried

Die heute naturbelassenen und geschützten Gebiete locken Menschen aus den Städten in die Natur. Manche Orte begreifen das als Chance und bewerben deshalb ihre Schutzgebiete als Touristenziel, wie etwa die Stadt Bad Buchau (Kreis Biberach), die nur unweit vom Federseemoor entfernt liegt. 

Menschen lieben Seen, schöne Spazierwege mit Ausgucken, wilde Moorwälder, Moorwiesen mit bunten Blüten, Schmetterlinge und Vögel, die sie beobachten können. Die großflächige, offene Moorlandschaft mit einer dennoch guten touristischen Erschließung birgt ein großes Potenzial zur naturtouristischen Wertschöpfung. 

Doch es gibt auch kritische Stimmen. Eberhard Klein, der Leiter des NABU-Bodenseezentrums warnt, dass zu viel Tourismus der Natur schaden könne.

Eberhard Klein zum Tourismus in Naturschutzgebieten

Die Schutzgebiete sind laut Eberhard Klein besonders schutzbedürftig, denn die seien keine Inseln der Glückseligkeit und auch der Klimawandel mache keinen Halt an deren Grenzen. Die Brutbestände von Wiesenbrütern an den Brutstätten am Bodenseeufer etwa seien durch klimabedingte Veränderungen in der Vegetation nahezu verschwunden. Die Artenkrise bedeute eine akute Gefahr für die Stabilität der Ökosysteme. Wenn dieses zerstört werden, betreffe das letztendlich auch den Menschen.

Da hoffen wir schon, dass die Schutzgebiete einen Beitrag leisten, dass hier vielleicht doch noch die eine oder andere Art überleben kann.

Eine weitere Bedrohung für die Naturschutzgebiete ist der Klimawandel. Mit zunehmender Erwärmung und einer Häufung von Extremwetterereignissen werden auch die Naturschutzgebiete sich anpassen müssen. Und auch die Menschen müssen ihre Bemühungen intensivieren, besonders schützenswerte Biotope und einmalige Artenvielfalt zu bewahren.

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