Kabeltrommeln mit aufgespultem Kupferkabel liegen in einer Produktionshalle.

Diebe werden dreister

Kupfer, Kabel oder Baumaschinen: Millionenschaden durch Diebstähle auf Baustellen in BW

Stand
Autor/in
Barbara Reeder
Foto von Barbara Reeder

Im Rohbau fehlen morgens Kabel, Baumaschinen verschwinden über Nacht: Alltag auf Baden-Württembergs Baustellen. Die Schadenssumme ist gewaltig. Und die Diebe werden dreister.

2.156 Diebstähle auf Baustellen wurden laut Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA) im vergangenen Jahr angezeigt. Damit liegt die Zahl leicht über dem Vor-Coronajahr 2019 mit 2.123 Fällen und etwas unter dem Jahr 2022 mit 2.182 Fällen. Eigentlich sei jedes Bauunternehmen ein- oder zweimal im Jahr betroffen, heißt es von der baden-württembergischen Industrie- und Handelskammer (IHK).

Das bestätigt auch Nikolas Sariyannis. Er leitet die maschinentechnische Abteilung bei der Firma Peter Gross, die in Baden-Württemberg mehrere Niederlassungen hat. Sogar schweres Gerät sei betroffen. Kleinere Diebstähle kämen deutlich häufiger vor - vergangenes Jahr seien insgesamt 99 Kleingeräte mit einem Neuwert von etwa 130.000 Euro entwendet worden. Auch andere Firmen berichten von Schäden im sechsstelligen Bereich.

Mit GPS-Tracking den gestohlenen Radlader gefunden - in Slowenien

"Vor zwei Jahren wurde uns ein Radlader von der Baustelle geklaut", erzählt Sariyannis. Womit die Diebe nicht gerechnet hatten - die Maschine war mit einem GPS-Tracker ausgestattet und konnte so später in Slowenien geortet und sichergestellt werden. In diesem Fall ging alles gut aus. Doch in den meisten Fällen bleibt es bei der Anzeige. Die Aufklärungsquote liegt nur bei etwas über zehn Prozent.

Dabei geht der wirtschaftliche Gesamtschaden in die Millionen. Allein in Baden-Württemberg lag die Schadenssumme im Jahr 2023 bei knapp zehn Millionen Euro und ist damit mehr als 15 Prozent höher als im Jahr davor. Der in Slowenien aufgespürte Radlader hatte einen Wert von fast 60.000 Euro.

Drohungen von Dieben: "Zünden sonst den Radlader an"

Gestohlen werde "alles, was nicht niet- und nagelfest ist", sagt Martin Karg, verantwortlich für die Maschinen bei der Firma Schleith in Waldshut-Tiengen. Hydraulikhämmer, Diesel, Rüttelplatten oder hochwertige Maschinen würden auch am hellichten Tag von der Baustelle entwendet. Besonders dreist seien die Diebe gewesen, nachdem sie nicht mehr an einen Radlader herankamen, aus dem sie Diesel abzapfen wollten. "Da hing dann ein Schild, wenn der Radlader nicht zugänglich gemacht wird, würde er angezündet", erzählt Karg.

Anzeigen würden oft ins Leere laufen, vor allem, wenn die Sachen ins Ausland geschafft werden. In einem Fall habe man eine Rüttelplatte in Polen orten können. Aber um zu ermitteln, müsse die deutsche Polizei ein Gesuch stellen, so Karg. Und das kann dauern. "In Frankreich wurden Teile angeboten, da war noch das Typenschild von uns mit drauf", berichtet der Leiter des Maschinenparks. Weil der Wert nur bei 30 Euro lag, sei es als Bagatelldelikt nicht weiter verfolgt worden.

Viele Fälle werden gar nicht erst gemeldet. Die Dunkelziffer dürfte also hoch sein, auch wenn das LKA dazu keine eigene Forschung betreibt. Und: Nicht alle Geräte sind versichert, weil die Policen gerade bei sehr teuren Maschinen entsprechend hoch sind. Ein GPS-Tracking-Gerät, das für rund 150 Euro nachgerüstet werden kann, ist dann oft die günstigere Lösung.

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Kupfer ist bei Baustellen-Dieben heiß begehrt

Besonders beliebt bei den Dieben: Kupfer. Es wird immer wichtiger, weil es in Windturbinen, Sonnenkollektoren und E-Autos verbaut wird. Es ist aber auch in vielen Kabeln enthalten. Bei einer aktuellen Umfrage der Firma Bau-Watch, die sich auf Sicherungskonzepte für Baustellen spezialisiert hat, gaben 46 Prozent der Befragten an, dass Kupfer die begehrteste gestohlene Ware ist. Kein Wunder, ist doch der Kupferpreis in den vergangenen vier Jahren um rund 75 Prozent gestiegen.

Die Zahlen des LKA zeigen, dass der Diebstahl von Kabeln - mit oder ohne Kupfer - im vergangenen Jahr am häufigsten angezeigt wurde. Erst an zweiter und dritter Stelle kommen Werkzeug und Baumaschinen.

Abgesehen davon, dass Kupfer überall zum Einsatz kommt, ist es auch einfach zu entwenden: Eine Spule ist in Windeseile in den Lkw geladen. Häufig lägen die Spulen unbeaufsichtigt auf der Baustelle, so Bau-Watch. Auch bei der Deutschen Bahn ist der Diebstahl von Kabeln ein großes Problem und sorgt immer wieder für Verzögerungen, wie beispielsweise im Februar 2024 auf der Strecke zwischen Frankfurt und Mannheim.

Baustellen-Diebstahl: Organisierte Banden und Gelegenheitsdiebe

In Rohbauten kann es vorkommen, dass Toilettenschüsseln und Armaturen abgeschraubt und mitgenommen werden. Auch Feuerlöscher, Kabelenden oder herumliegendes Werkzeug haben die Diebe im Visier. In vielen Fällen stecken organisierte Banden dahinter. Insbesondere wenn Container aufgeschlitzt und ausgeräumt werden oder 600 Kilogramm schwere Rüttelplatten verschwinden, kann man davon ausgehen, dass Profis am Werk sind. Aber es gibt auch Gelegenheitsdiebe, die von ungesicherten Baustellen Material entwenden.

Eine weitere Tätergruppe sind Insider, die auf der Baustelle arbeiten. Sie lassen vor allem kleineres Werkzeug wie Akkuschrauber oder Schleifgeräte mitgehen. Gerade auf Großbaustellen mit vielen Subunternehmern sind Kontrollen schwierig. "Manchmal kommen die Diebe am Wochenende, in kompletter Arbeitsmontur", sagt Martin Karg von der Firma Schleith. Er habe auch schon Fälle erlebt, dass Leute auf die Baustelle kommen und behaupten, sie müssten eine Maschine in die Werkstatt bringen. Die kam dann aber nie zurück.

Kosten für Bauprojekte steigen durch Baustellen-Diebstähle

Diebstähle auf Baustellen treiben auch die Kosten in die Höhe. 43 Prozent der von Bau-Watch befragten Unternehmen gaben an, dass durch die Baustellenkriminalität der Bauprozess verzögert wurde. In fast 30 Prozent sei dadurch das Budget überschritten worden. Oft kommt eins zum anderen - weil Werkzeug oder Material fehlt, können die Beschäftigten nicht arbeiten. Die Kosten laufen aber weiter.

Vor allem größere Baustellen werden inzwischen besser gesichert. Videoüberwachung oder Beleuchtungsanlagen sollen abschrecken. Um es Dieben schwerer zu machen, werden leichte Maschinen nachts mit schweren Fahrzeugen blockiert. Das Landeskriminalamt empfiehlt zudem, Wegfahrsperren zu installieren oder auf GPS-Tracker beziehungsweise Radiofrequenz-Identifizierung zu setzen. Für Werkzeug gibt es Baucontainer mit einem höheren Sicherheitslevel. Der Kraftstoffpegel in Tanks ließe sich ebenfalls überwachen, so das LKA.

Doch auf manchen Baustellen wird eher dazu übergegangen, den Dieben zu zeigen, dass nichts zu holen ist. "Wir lassen die Maschinen teilweise mit leerem Tank stehen und schließen den Tankdeckel auch nicht ab", sagt Karg. Denn oft sei der Schaden, der durch die Einbrüche selbst entstehe, höher als der Schaden durch den Diebstahl.

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