Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat angekündigt, gegen den Mangel an Lehrerinnen und Lehrern im Freistaat anzugehen, indem er in anderen Bundesländern offensiv um pädagogisches Personal wirbt. Baden-Württembergs Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) betonte in der "Südwest Presse" von Samstag, bisher sei es in der Kultusministerkonferenz Konsens gewesen, dass man sich nicht gegenseitig die Lehrkräfte abspenstig mache.
Fußballvergleich: Jetzt kauft Bayern auch die besten Lehrer
Rückendeckung bekommt Schopper vom Verband Bildung und Erziehung (VBE). "Das ist wie beim Fußball! Bayern kauft sich die besten Spieler und jetzt auch die Lehrerinnen und Lehrer aus den anderen Bundesländern", sagte der VBE-Bundes- und Landesvorsitzende Gerhard Brand. Verboten sei das zwar nicht. "Aber Fairplay schaut anders aus."
Baden-Württemberg müsse die Arbeitsbedingungen so weit verbessern, dass es als Arbeitgeber genügend attraktiv sei, um Abwanderung zu verhindern. "Hierzu gehören in erster Linie die längst überfällige Höhergruppierung der Grundschullehrkräfte und der Bestandslehrkräfte an Haupt- und Werkrealschulen nach A 13, sowie ein deutlicher Ausbau der personellen Ressourcen", erklärte Brand. Im Moment ist in Baden-Württemberg für diese Gruppen bei A 12 Schluss und keine Höhergruppierung möglich.
GEW: Schopper reagiert "hilflos"
Die Bildungsgewerkschaft GEW sieht das ähnlich, nennt Schoppers Kritik an geplanten Abwerbeversuchen allerdings "hilflos". "Die Kultusministerin sollte lieber dafür sorgen, dass Bildungspolitik in ihrer grün-schwarzen Landesregierung einen höheren Stellenwert bekommt", bemängelte die GEW-Landesvorsitzende Monika Stein. Auch sie betonte, Abwerbeversuche aus Bayern ließen sich am besten mit einer besseren Besoldungsgruppe verhindern.
"Niemand versteht, warum eine Lehrkraft in einem Klassenzimmer einer Grundschule im Neu-Ulm demnächst 400 bis 500 Euro mehr monatlich verdient als ihre Kollegin in Ulm", sagte Stein. Die GEW-Vorsitzende rechnet damit, dass Lehrende gerade in den vielen Grenzregionen nach Bayern und Hessen abwandern werden, wenn dort eine höhere Bezahlung garantiert wird.
Kultusministerium spricht von Wahlkampfgetöse
Im baden-württembergischen Kultusministerium beobachtet man die aktuelle Debatte um eine höhere Besoldung von Grundschullehrkräften verhältnismäßig entspannt. Hier ist von Wahlkampfgetöse in Hessen und Bayern die Rede. In beiden Bundesländern stehen Landtagswahlen an. Außerdem bedeute eine Eingruppierung in A 12 nicht in jedem Bundesland das Gleiche, da es sich nach den Lebenshaltungskosten richte. In Baden-Württemberg bekomme man bei A 12 beispielsweise 200 Euro mehr als in Hessen, aber 100 Euro weniger als in Bayern, so das Kultusministerium.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte die Sinnhaftigkeit einer höheren Besoldung in einer Regierungspressekonferenz im Herbst angezweifelt. "Die Überlegung, das vielleicht einmal zu ändern gibt es vielleicht, aber aktuell nicht", so Kretschmann damals. Außerdem zweifelte er am Nutzen einer solchen Maßnahme.
Das Kultusministerium teilte außerdem mit, aktuell fehle es schlicht an Geld. Zudem habe man Grundschullehrkräfte mit der Einführung von Assistenzkräften und einem Freiwilligen Pädagogischen Jahr bereits entlastet. Baden-Württemberg werbe in den Sozialen Medien derzeit nicht um Lehrkräfte aus anderen Bundesländern. Man werbe um Erzieherinnen und Erzieher, nicht aber um Lehrer.
Der Freistaat will mit besserer Bezahlung locken
Die bayrische Ankündigung Lehrkräfte abzuwerben gilt für den Fall, dass Söder im Herbst 2023 wieder gewählt wird. Dann werde Bayern den Pädagoginnen und Pädagogen zum einen deutlich machen, dass der Freistaat sie zum Teil besser bezahlt, zum anderen sollen wechselwillige Lehrkräfte eine Start- und Umzugshilfe erhalten.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Bildung und Kultus im bayrischen Landtag, Tobias Gotthardt (Freie Wähler) unterstützt die Idee Söders und verweist darauf, dass sich schon etliche Bundesländer nicht mehr an die Absprache von Stralsund hielten. In den "grenzenlos abrufbaren sozialen Medien" würden sie teils massiv um Lehrkräfte für ihren Standort werben, allen voran Mecklenburg-Vorpommern, aber auch Sachsen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Thüringen und andere.
Lehrermangel in BW dramatisch
Baden-Württemberg ist geradezu dramatisch auf der Suche nach Lehrkräften. Die bereits angespannte Lage wird sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen. Das Land rechnete im vergangenen Herbst mit einer Lücke von etwa 5.000 fehlenden Lehrern bis 2035. Eine im Oktober veröffentlichte Analyse im Auftrag der Bildungsgewerkschaft GEW geht dagegen bis dahin von fast 17.000 fehlenden Lehrerinnen und Lehrern aus.