Steffen Jäger, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg vor der Geschäftsstelle in Stuttgart.

Folgen von Ukraine-Krieg und Corona

Gemeindetag schlägt Alarm: Kommunen durch Krisen überlastet

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Der Gemeindetag in Baden-Württemberg fordert eine Politikänderung. Es gebe kein "weiter so", meldet auch der Landkreistag. Kommunen und Kreise seien wegen der Krisen überlastet.

Die Belastungsgrenze in den Rathäusern im Land seien überschritten, findet der baden-württembergische Gemeindetag. Gemeindetagspräsident Steffen Jäger fordert deshalb von Bund und Land, ihre Politik zu ändern. Das sagte er am Donnerstag im Rahmen einer zweitägigen Sitzung in Sinsheim (Rhein-Neckar-Kreis). Die Kommunen befänden sich seit Jahren im Dauerkrisenmodus. Parallel dazu hätten Bund und Land immer neue staatliche Leistungen zugesagt. Doch die Grenze dessen, was die Kommunen leisten könnten, sei schon vor Februar dieses Jahres überschritten gewesen, so Jäger.

Gemeindetagspräsident fordert realistischere Politik

Ferner verlangt Jäger von Bund und Land, die Lage realistisch zu bewerten und der Bevölkerung offen und ehrlich zu sagen, welche Standards noch verlässlich geleistet werden könnten.

Rechtsansprüche auf Ganztagsbetreuung beispielsweise könnten die Kommunen nicht mehr erfüllen. Der Gemeindetag fordert, dass Leistungen erst dann versprochen werden, wenn man vorher überprüft habe, ob sie auch machbar seien. Für die künftige föderale Zusammenarbeit müsse gelten: Wer bestellt, der zahlt.

Gemeindetagspräsident Steffen Jäger erklärt bei SWR Aktuell, dass der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz derzeit nicht umzusetzen ist: "Wir schaffen es aktuell eben nicht, Erzieherinnen aus dem Hut zu zaubern."

Geflüchtete, Pandemie, Ukraine-Krieg und die finanziellen Folgen: Die Versprechen, die der Staat mache, seien absehbar nicht mehr erfüllbar, hieß es in einem Papier, über das der Gemeindetag heute berät. Städte und Gemeinden werfen der Politik Fehler in der Prioritätensetzung vor.

Kommunen in Baden-Württemberg fehlt Geld

Für die Umsetzung würden den Kommunen schlichtweg Geld und Personal fehlen. Der Appell an die Politik: sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren - und lieber weniger zu versprechen, dafür aber verlässlich - weil sonst das Vertrauen der Bevölkerung in den Staat weiter sinke. Mit den Bürgerinnen und Bürgern müsse ehrlicher umgegangen werden, da jeder Euro nur einmal ausgegeben werden könne.

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Der Gemeindetag dringt darauf, dass in Bund und Land die Koalitionsverträge aufgeschnürt und an die von Kanzler Olaf Scholz (SPD) verkündete "Zeitenwende" angepasst werden. Denn: Die Koalitionsverträge der Ampel und des grün-schwarzen Bündnisses in Baden-Württemberg vermittelten den Eindruck, "dass es immer weitergehende staatliche Zusagen geben könne".

Landkreistag Baden-Württemberg verstärkt das Alarm-Signal

Aufgrund des Alarm-Signals des Gemeindetags meldete sich auch der Präsident des Landkreistags, der Tübinger Landrat Joachim Walter, zu Wort: Er sehe dasselbe Problem bei den Landkreisen. Es gebe kein "weiter so", sagte er am Donnerstag. Was der Gemeindetag für die Städte und Gemeinden konstatiert habe, "gilt für die Landkreise in gleicher Weise: Die Landratsämter haben in den vergangenen Jahren die unterschiedlichsten Krisen managen müssen", so Walter.

Wie in der Hochphase der Corona-Pandemie lastet laut Walter aktuell bei der Aufnahme von Flüchtlingen das staatliche Krisenmanagement im Wesentlichen auf den Schultern der Kreise. Der Landkreistagspräsident betont, "die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Landratsämter sind inzwischen mehr als erreicht. Es bedarf daher dringend eines Aufgaben- und Standardabbaus." Insbesondere dürften die Landratsämter nicht mit zusätzlichen Aufgaben belastet werden, meint Walter.

"Dass das Land den Landratsämtern jetzt auch noch die Zuständigkeit für die Corona-Entschädigungsverfahren aufhalsen will", sagte Walter weiter, sei angesichts gut funktionierender Strukturen auf Ebene der Regierungspräsidien "verwaltungsorganisatorischer Unfug und mit Blick auf die vielfältigen Krisenleistungen der Landratsämter schlichtweg respektlos."

Die Politik zeigt sich kompromissbereit

Bei Grünen und CDU stoßen die Kommunen teilweise auf offene Ohren. Zuletzt hatte die Grünen-Vorsitzende Lena Schwelling erklärt, sie könne sich Abstriche bei bestimmten staatlichen Standards etwa bei der Kinderbetreuung oder beim Wohnungsbau vorstellen. Unterstützt wurde sie dabei von Innenminister und CDU-Landeschef Thomas Strobl.

CDU-Landtagsfraktionssprecher Tobias Wald merkt an, die Probleme seien bekannt. "In Krisenzeiten, wie wir sie jetzt haben, zeigt sich wie unter einem Brennglas, dass viele Vorgaben und Versprechen des Bundes, des Landes und der Kommunen schlicht und einfach nicht einzuhalten sind." Darüber müsse man offen und ehrlich diskutieren. Der Abbau von Bürokratie, die Flexibilisierung von Arbeitsabläufen in der Verwaltung, aber auch die Herabsetzung und flexible Ausgestaltung gewisser Standards müssen laut Wald dringend angegangen werden. Die CDU-Fraktion habe hierzu bereits eine Projektgruppe eingerichtet, die in den vertieften Austausch mit den kommunalen Spitzenverbänden treten werde.

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