Der Ausbau der Windkraft in Baden-Württemberg wird auch in diesem Jahr nur schleppend vorankommen. Die Landratsämter haben im vergangenen Jahr nur 41 neue Windkraftanlagen genehmigt. Das geht aus neuen Zahlen der Bundesnetzagentur hervor, die dem SWR vorliegen. Zum Vergleich: In Niedersachsen gab es 2022 grünes Licht für 196 neue Anlagen, in Nordrhein-Westfalen für 184.
Kretschmanns Hochlauf der Windkraft lässt weiter auf sich warten
Von einem Hochlauf der Windkraft, wie ihn Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) haben möchte, ist Baden-Württemberg nach den neuen Zahlen noch weit entfernt. Baden-Württemberg hinkt im Vergleich der Bundesländer bei Windrädern weiter hinterher. Im vergangenen Jahr wurden nur neun neue Windkraftanlagen errichtet, wie aus der Statistik der Bundesnetzagentur hervorgeht.
Nord-Länder kommen weiter deutlich schneller voran
In Nordrhein-Westfalen kamen 68 Anlagen hinzu, in Niedersachsen 67 und in Bayern zwölf. Im Vergleich aller Bundesländer liegt Baden-Württemberg bei neuen Anlagen im Mittelfeld, obwohl es mit den größten Nachholbedarf hat. Baden-Württemberg hat nun 770 Windkraftanlagen mit einer Leistung von 1.730 Megawatt. Unter den Flächenländern hat nur noch Sachsen weniger Windräder.
Kretschmann hatte wegen des schleppenden Ausbaus schon das Ziel aus dem Koalitionsvertrag einkassiert, bis zur nächsten Landtagswahl 1.000 Windräder zu bauen. Nun will er, dass im Jahr 2024 mindestens 100 neue Windkraftanlagen entstehen.
Selbst der Bau der 40 genehmigten Anlagen ist nicht sicher
Ob die genehmigten Windräder in diesem Jahr auch gebaut werden, hängt von vielen Faktoren ab. Die Unternehmen müssen zunächst das Material und Fachkräfte haben und das nötige Geld aufbringen. Als Bauzeit werden im Schnitt zehn Monate berechnet.
Bei Sonnenenergie liegt BW besser
Viel besser kommt das Land bei der Solarenergie voran. Nach einer vorläufigen Schätzung des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW), die dem SWR vorliegt, ist im vergangenen Jahr eine Leistung von 780 Megawatt zugebaut worden. Zum Vergleich: Bayern als Spitzenreiter kommt auf mehr als zwei Gigawatt. Baden-Württemberg liegt immerhin unter den besten fünf Bundesländern.
Kretschmann sieht in Erneuerbaren Standortfaktor
Der Ministerpräsident will das Land mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energie unabhängiger von fossilen Energieträgern wie Gas und Kohle machen. Außerdem sieht der Grünen-Politiker darin auch einen Standortfaktor für Baden-Württemberg. Immer mehr Unternehmen fragten vor einer Ansiedlung nach regenerativen Energien.
Für den großen Rückstand des Landes macht Kretschmann die Ausschreibungsbedingungen des Bundes verantwortlich, die in den vergangenen Jahren zum Nachteil Baden-Württembergs geändert worden seien. Dies habe die Ampel-Bundesregierung aber zuletzt geändert. Kretschmann will zudem dafür sorgen, dass die Pläne für Windkraftanlagen deutlich schneller realisiert werden können. Bisher dauert es von der Idee bis zur Inbetriebnahme etwa sieben Jahre. Das soll nach dem Willen des Regierungschefs auf dreieinhalb Jahre verkürzt werden.
100 Windkraftanlagen sollen 2024 kommen
Kretschmann zeigte sich trotz der niedrigen Zahl an Genehmigungen optimistisch, dass der Hochlauf der Windkraft im Jahr 2024 komme. Es habe im vergangenen Jahr immerhin 50 zusätzliche Projektvorstellungen gegeben. Somit sei sein Ziel von 100 Windkraftanlagen 2024 realistisch. "Die Aussicht ist mal ganz gut, dass wir das schaffen", sagte der Grünen-Politiker.
Zugleich warb er um Verständnis, dass sich der Ausbau noch hinziehen werde. "Zaubern kann man halt nicht." Das Land baue die Windräder ja nicht selbst, da sei man von den Unternehmen abhängig. Kretschmann verwies aber darauf, dass die rechtlichen Änderungen des Bundes, die den windschwächeren Süden gegenüber dem Norden in der Förderung besserstellen, erst zum 1. Februar 2023 in Kraft träten. Hinzu komme, dass es lange dauere, bis die Flächen für die Windkraftanlagen bereitgestellt würden. "Deswegen wird das schon noch dauern."
FDP: Verzicht auf Atomkraft wäre verantwortungslos
FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke bezweifelt, dass Baden-Württemberg seinen Strombedarf demnächst mit erneuerbaren Energien decken kann. "Offenbar ist auch die von Winfried Kretschmann in die Welt gesetzte Zahl 100 ziemlich utopisch, nachdem er schon die Zahl 1.000 einsammeln musste", sagte Rülke. "Es wird immer deutlicher, dass es bei diesem Ausbautempo bei den Erneuerbaren komplett verantwortungslos ist, auf die Kernenergie zu verzichten." Die FDP fordert einen Weiterbetrieb der drei verbliebenen AKW über den 15. April 2023 hinaus. Dazu gehört auch der Meiler Neckarwestheim 2 im Kreis Heilbronn.
SPD sieht Klimaziele des Landes gefährdet
SPD-Fraktionschef Andreas Stoch erinnerte daran, dass Grün-Schwarz ursprünglich 200 Windräder pro Jahr versprochen habe. "So wird es nichts mit der dringend notwendigen Energiewende und so macht man das 'Klimaland' Baden-Württemberg ganz bestimmt nicht zur 'Blaupause für die Welt'", sagte Stoch. Er sieht die Klimaziele des Landes gefährdet. Wirtschaftlich sei das ebenfalls eine schlechte Entwicklung: "Auch aufgrund der schlechten Versorgung mit Ökoenergie hat das Land bei milliardenschweren Investitionen ansiedlungswilliger Firmen aus dem In- und Ausland zuletzt den Kürzeren gezogen", so Stoch.