Landesapothekerverband Baden-Württemberg warnt

Medikamente für Kinder werden knapp

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Interview
Arne Wiechern

Der nächste Engpass droht: Der stellvertretende Geschäftsführer des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg, Frank Eickmann, warnt vor Knappheit bei Kindermedikamenten.

SWR Aktuell: Lässt sich schon abschätzen, bei welchem Arzneimitteln es im Herbst eng werden könnte?

Frank Eickmann: Für den Moment entsteht der Eindruck, dass wir Schwierigkeiten bei leichten schmerz- und fiebersenkenden Mitteln haben. Insbesondere betroffen sind hier die Wirkstoffe Ibuprofen und Paracetamol - eigentlich Standardarzneimittel. Schon jetzt stellt sich insbesondere eine Versorgungsschwierigkeit dar für die Kinderversorgung: Die brauchen nämlich spezielle ibuprofen- oder paracetamolhaltige Säfte und die sind derzeit nicht ausreichend am Markt verfügbar, sodass wir bei den Bestellungen in der Apotheke oft ins Leere greifen.

SWR Aktuell: Was ist die Ursache dafür?

Frank Eickmann: Die Ursachen sind vielfältig. Wir müssen uns erstens klarmachen, dass die Wirkstoffe überwiegend nicht in Deutschland und auch nicht mehr in Europa hergestellt werden. Der Wirkstoff wird in Asien hergestellt. Da haben wir lange Transportwege, auch dort gibt es Corona, wir haben kriegsbedingt Schwierigkeiten auf den internationalen Transportwegen. Und wenn der Wirkstoff Europa und Deutschland nicht erreicht, dann stehen hier bei den Herstellern die Bänder still und die Arzneimittel können nicht produziert werden.

Hersteller wollen in anderen Ländern mehr Geld verdienen

Die zweite Ursache ist, dass Arzneimittel - anders als viele den Eindruck haben - in Deutschland sehr, sehr preiswert sind. Und das bedeutet, dass auch die Hersteller schauen: 'In welchen anderen nationalen Märkten können wir mehr Marge machen, mehr Geld verdienen?‘ Und das führt dazu, dass Ware, die eigentlich für Deutschland gedacht war, Deutschland gar nicht erreicht, sondern in irgendeinen anderen Staat exportiert wird, weil man dort mehr Geld dafür bekommt.

SWR Aktuell: Kopfschmerztabletten, Hustensaft oder Brandsalbe - das könnte man auf Vorrat kaufen. Aber was ist zum Beispiel mit Asthmasprays, Blutdrucksenkern oder Demenzmitteln, für die man ja regelmäßig ein Rezept braucht? Sollte man auch in diesen Fällen früher als sonst ein kleines Depot anlegen?

Frank Eickmann: Das ist nicht zwingend sinnvoll. Aber was in jedem Fall sinnvoll ist: Wer eine Dauermedikation hat, sollte rechtzeitig für Nachschub sorgen. Geben Sie der Apotheke ein, zwei Wochen Zeit, ihr Medikament zu besorgen. Das entzerrt und entspannt die Sache und sorgt dafür, dass Sie eine saubere Anschlussversorgung zuhause haben.

SWR Aktuell: Das Problem scheint ja immer größer zu werden. Was müsste denn von politischer Seite getan werden, damit sich diese Lage wieder entspannt?

Frank Eickmann: Politisch wäre es ein sehr großes Rad, das gedreht werden muss. Es wäre natürlich besser, wenn die Wirkstoffe, die wir brauchen, vor unserer eigenen Haustür produziert und weiterverarbeitet werden könnten. Das bedeutet aber die Ansiedlung, Neuansiedlung und Wiederansiedlung der Chemieindustrie. Das ist in Deutschland und auch in den anderen europäischen Unionsstaaten nicht so ganz einfach. Das zweite sind deutlich höhere Kosten für Umweltschutz, die bei solchen Firmen anfallen. Auch, was die Löhne und Gehälter des dort arbeitenden Personals angeht. Das heißt: Wenn diese Industrie wieder zurückgeholt würde, würde unsere Versorgung teurer werden. Einfach weil die Produktionskosten nach oben gehen.

"Lieferengpässe sind kein rein deutsches Problem."

Und das Ganze kann kein deutscher Alleingang sein. Das muss auf europäischer Ebene miteinander vereinbart werden, denn diese Lieferengpässe sind auch kein rein deutsches Problem. Es ist ein System von lauter Einbahnstraßen und hier anzusetzen und eine Harmonisierung herbeizuführen wäre ein zweiter politischer Haken, den man nehmen könnte. Leider sind aber die Gesundheitssysteme abgekoppelt aus allen anderen Harmonisierungsprozessen, weil sie tief in die Sozialsysteme eingreifen. Und deswegen ist es politisch ein ganz dickes Brett und ein ganz schweres Gewicht, das man heben müsste.

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