Verfahren vor Verwaltungsgericht Stuttgart

Klage gegen Beobachtung durch Verfassungsschutz: Wie extremistisch ist die AfD?

Stand
Autor/in
Markus Pfalzgraf

Wird die AfD zu Recht als Verdachtsfall des politischen Extremismus vom Verfassungsschutz beobachtet? Um diese Frage geht es vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart. Die AfD hat gegen ihre Beobachtung geklagt.

Wie extremistisch ist die Alternative für Deutschland? Um diese Frage geht es seit Dienstag am Verwaltungsgericht Stuttgart. Die AfD hat gegen die Beobachtung durch den Verfassungsschutz in Baden-Württemberg geklagt.

Es ist nicht der erste Versuch der AfD, die Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu stoppen. Vor der aktuellen Verhandlung war die Beschwerde der Partei in einem Eilverfahren gescheitert.

Verfassungsschutz: Einfluss extremistischer Kräfte in AfD steigt

In Baden-Württemberg ist die AfD bislang als Verdachtsfall eingestuft, und nicht wie in manchen anderen Bundesländern als gesichert rechtsextrem. Die bisherige Jugendorganisation "Junge Alternative" (JA) wird dagegen als "gesichert rechtsextremistisch" im Verfassungsschutzbericht für Baden-Württemberg geführt. Seit Juli 2022 beobachtet der Verfassungsschutz die Gesamtpartei in diesem Bundesland. Dabei stellt er zunehmend fest, dass der Einfluss extremistischer Kräfte auf Programm und Führung der Partei steigt. Das Potenzial extremistischer Personen in der AfD wird auf mehrere hundert allein in Baden-Württemberg geschätzt.

Die Landespartei findet die Beobachtung durch den Verfassungsschutz "unangemessen" und "desavouierend", wie einer der beiden Landesvorsitzenden, Emil Sänze, dem SWR sagte. Mit der Klage will die AfD erreichen, dass die Beobachtung zurückgenommen wird.

Bislang war bundesweit keine Klage oder Beschwerde der AfD gegen den Verfassungsschutz erfolgreich. Auch im Eilverfahren in Baden-Württemberg hatte der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass die Partei zu Recht beobachtet wird. In der Begründung stellte das Gericht klar, dass der Verfassungsschutz durchaus auch politische Parteien beobachten und das der Öffentlichkeit bekannt geben darf.

Wer gehört zum Volk?

Bemerkenswert: Das Gericht argumentierte auch inhaltlich. Die Voraussetzungen für eine Einstufung als Verdachtsfall lägen vor: AfD-Mitglieder verträten einen ethnischen Volksbegriff und wollten andere aufgrund ihrer Herkunft oder Religion ausschließen, diskriminieren und damit in ihrer Menschenwürde und Rechtsgleichheit verletzen. Damit gebe es tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen. Teile der AfD wollten die freiheitlich-demokratische Grundordnung abschaffen.

Völkische, nationalistische und rassistische Thesen haben einflussreiche Personen in der Partei wie die damalige Landtagsabgeordnete Christina Baum schon in ihren ersten Jahren im Parlament vertreten. Seit die AfD erstmals in den baden-württembergischen Landtag einzog, fielen Baum und andere öfter mit rassistischen und menschenverachtenden Begriffen wie "Umvolkung" und "Volkstod" auf. Schon 2016 sprach Baum etwa von einem "schleichenden Genozid am deutschen Volk" durch die Flüchtlingspolitik der Grünen - eine Äußerung, die sie dem SWR gegenüber später bekräftigte.

Die früheren AfD-Abgeordneten Heinrich Fiechtner und Wolfgang Gedeon machten durch Holocaust-Relativierungen und antisemitische Schriften auf sich aufmerksam. Schon damals, während einer vorübergehenden Spaltung der Fraktion über diese Fragen, interessierte sich der Verfassungsschutz für das Innenleben der Partei.

Unser Feature zur Sprachverschiebung durch die AfD im Landtag.

Wie die AfD sich politisch entwickelt

Seither hat sich die AfD eher noch radikalisiert. Der schon früh von Teilen der baden-württembergischen AfD hofierte Landesvorsitzende in Thüringen, Björn Höcke, gibt in der Partei zunehmend den Ton an. Das belegen - und bedauern - heute selbst Leute wie der frühere Bundesparteichef und ehemalige Fraktionsvorsitzende in Baden-Württemberg, Jörg Meuthen. Er und andere ließen Höcke und sein Netzwerk gewähren.

Die ARD-Doku "Höcke. Und seine Hintermänner" zum Nachschauen in der Mediathek.

Inzwischen scheint in der Landespartei die Nervosität auch mit Blick auf ein mögliches Parteiverbot zu steigen. Schon seit einiger Zeit geht die AfD in Baden-Württemberg gegen führende (ehemalige) Mitglieder der "Jungen Alternative" mit Verbindungen zur ebenfalls rechtsextremen "Identitären Bewegung" vor: Einer der früheren Chef-Ideologen, Reimond Hoffmann, wurde inzwischen aus der Partei ausgeschlossen. Gegen Severin Köhler, bis vor Kurzem JA-Landesvorsitzender, läuft ein Ausschlussverfahren. Die Jugendorganisation ist gemäß dem Beschluss der Bundespartei aufgelöst. Bald soll es Konturen einer Nachfolgeorganisation geben, die direkter an die Partei angebunden sein soll.

Ob und wie es nach der Bundestagswahl zu einem neuen Anlauf für ein AfD-Verbotsverfahren kommt, ist derzeit unklar.

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