Sonderstab Gefährliche Ausländer

Abschiebung von Straftätern: Hunderte Intensivtäter aus BW ausgewiesen

Stand

In den letzten sechs Jahren wurden mehr als 400 ausländische Straftäter aus Baden-Württemberg abgeschoben, auf Betreiben des Sonderstabs Gefährliche Ausländer.

Insgesamt 418 Mehrfach- und Intensivstraftäter aus dem Ausland sind seit der Gründung des sogenannten Sonderstabes Gefährliche Ausländer vor sechs Jahren auf dessen Betreiben aus Baden-Württemberg abgeschoben worden. Allesamt wurden sie als ausreisepflichtig und gefährlich eingestuft. Darunter sind beispielsweise ein randalierender Asylbewerber aus Gambia, ein Messerstecher aus Somalia und ein Mann aus Syrien, der wegen Anschlagsplänen für mehrere Jahre im Gefängnis gesessen hat.

Das Problem: Die Klärung der Identität und Staatsangehörigkeit

Neben dem Sonderstab in Stuttgart gibt es inzwischen vier an die Regierungspräsidien angegliederte regionale Sonderstäbe. Gemeinsam kümmern sie sich nach Angaben des Stuttgarter Leiters Falk Fritzsch um Ausweisungen und Abschiebungen von ausländischen Mehrfach- und Intensivstraftätern. Die meisten stammten aus Ländern wie Gambia, der Türkei und Pakistan, aber auch aus Syrien und dem Irak, sagte der baden-württembergische Migrations-Staatssekretär Siegfried Lorek (CDU). Größtes Problem bei einer Abschiebung ist nach den Worten von CDU-Migrations-Staatssekretär Lorek die Klärung von Identität und Staatsangehörigkeit. Ein Drittel der aktuell 26.000 ausreisepflichtigen Ausländer im Land könne man wegen fehlender Pässe nicht abschieben.

Mit Hilfe von Fingerabdrücken und Datenaustausch versuche der Sonderstab die Identität von gefährlichen Ausländern zu klären und sie außer Landes zu bringen. Dabei handele es sich um diejenigen, die das "Sicherheitsgefühl der Menschen besonders beeinträchtigen", so Lorek.

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Intensive Fallbearbeitung für den Sonderstab

Im vergangenen Jahr wurden 2.099 Menschen aus Baden-Württemberg ausgewiesen. 818 davon waren den Angaben zufolge Straftäter. Allerdings sei nicht jeder von ihnen auch ein Fall für den Sonderstab, sagte Fritzsch. Die Experten dort widmeten sich vor allem Ausländern, die die Sicherheit des Landes gefährdeten, sowie Mehrfach- und Intensivstraftätern. Ebenfalls im Blick habe der Stab ausreisepflichtige Ausländer, die bewusst gegen Regeln verstießen und sich hartnäckig als nicht integrierbar erwiesen.

Dieses Fallmanagement fällt durchaus intensiv aus. Es gibt zahlreiche Gespräche, aufwendige Recherchen nach Ausweispapieren in teils entlegenen Staaten und zeitraubende Absprachen mit den Behörden des verantwortlichen Heimatlandes. Die Charterflüge für die Abgeschobenen schlagen nach Angaben des Justizministeriums mit vielen Tausend Euro pro Kopf zu Buche.

Fehlende Dokumente erschweren Abschiebung

Vor allem die Probleme der Identität und Staatsangehörigkeit der Betroffenen machen dem Sonderstab nach Angaben seines Leiters schwer zu schaffen. Von den 26.450 ausreisepflichtigen Ausländern mit Duldung in Baden-Württemberg (Stichtag 31.1.2024) könnten 6.023 keine Reisedokumente vorlegen, weitere 2.591 weigerten sich gänzlich, Angaben zu ihrer Identität zu machen. "Diese Menschen sind nicht bereit mitzuwirken", sagte Fritzsch.

Sie seien oft "mit allen Wassern gewaschen", machten keine oder falsche Angaben, um zu täuschen. So könne sich ein Mann aus Gambia beispielsweise als Senegalese ausgeben. Insgesamt konnten nach Angaben Loreks bei der Einreise nach Deutschland im vergangenen Jahr mehr als 52 Prozent der Asylsuchenden keinen Pass vorlegen.

Kritik vom Flüchtlingsrat in BW

Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg geht allerdings hart mit der Praxis ins Gericht: Natürlich müssten Menschen für Straftaten, die sie begingen, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Nationalität oder ihrem aufenthaltsrechtlichen Status zur Rechenschaft gezogen werden. Straftaten, die in Deutschland begangen würden, sollten aber innerhalb des deutschen Justizsystems geahndet werden. "Der Flüchtlingsrat lehnt ab, dass Menschen aufgrund ihrer Herkunft mehrfach bestraft werden", sagte die Co-Geschäftsführerin des Rates, Anja Bartel. Nur weil ein Mensch, der eine Straftat begangen habe, zufällig keine deutsche Staatsangehörigkeit besitze, dürfe er neben den strafrechtlichen Konsequenzen nicht auch noch durch Abschiebung bestraft werden. Das gelte vor allem dann nicht, wenn diesem Menschen dadurch Gefahr für Leib und Leben drohen würden.

Menschen dürften nicht aufgrund ihrer Herkunft unter Generalverdacht geraten, kritisierte Bartel und stößt sich auch am Titel der Einrichtung: "Allein der Begriff 'Stabsstelle gefährliche Ausländer' schürt rassistische Ressentiments, lässt stereotype Bilder in den Köpfen der Menschen entstehen und trägt somit zur Spaltung der Gesellschaft bei", so Bartel.

Staatssekretär sieht Arbeit des Sonderstabs positiv

Angesichts von insgesamt 36.319 registrierten Asylsuchenden in Baden-Württemberg im vergangenen Jahr mutet die Zahl der abgeschobenen Menschen durch den Sonderstab gering an. Die Arbeit habe sich dennoch bewährt, sagte Migrations-Staatssekretär Lorek. In Fällen wie dem randalierenden Mann aus Gambia atme eine ganze Dorfgemeinschaft nach der Abschiebung auf.

"Das sind geringe Zahlen, aber das sind genau die Menschen, die das Sicherheitsgefühl objektiv und auch subjektiv gefährden", so Lorek. "Wenn wir so einen Menschen außer Landes bekommen, dann hilft das der Sicherheit enorm." Sonderstabsleiter Fritzsch sieht das ähnlich: "Wir können die Welt nicht retten mit unseren Abschiebungen", sagte er. "Aber wir tun, was wir können."

Kritik an Bundesregierung: Auf nicht kooperierende Länder fokussieren

Mit Abschiebungen allein könne der hohe Zugang an Asylsuchenden und Geflüchteten aber nicht aufgefangen werden, kritisierte Lorek. Die Bundesregierung müsse sich deutlicher anstrengen, um den Zugang zu senken - das sei zwingend. Es gebe unter anderem noch eine Menge Herkunftsländer wie zum Beispiel in Nordafrika, mit denen sich die Zusammenarbeit schwierig gestalte. "Die Bundesregierung sollte sich auf Staaten konzentrieren, die nicht kooperieren", empfahl der Staatssekretär.

Probleme gebe es auch mit Afghanistan: Wegen der Sicherheitslage dürfe nicht dorthin abgeschoben werden. So sei es auch zu erklären, dass ein Sexualverbrecher, der 2019 mit vier anderen Männern ein junges Mädchen unter Drogen gesetzt und vergewaltigt hatte, nach seiner Haftentlassung nicht abgeschoben worden sei. Da er vor der Tat in Illerkirchberg (Alb-Donau-Kreis) gelebt habe, habe er dort gegen den Willen der Gemeinde wieder aufgenommen werden müssen. 

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