Juliane Werding hat sich beim SWF beworben
Im Oktober 1970 traf beim ehemaligen Südwestfunk ein Tonband ein, das eine 14-jährige Schülerin aus Essen an den "Talentschuppen" adressierte. Sie wurde eingeladen und beeindruckte. Noch vor der Ausstrahlung der Sendungsaufzeichnung bot ihr der Produzent Peter Meisel einen Schallplattenvertrag an. Nach vielen Gesprächen stand fest, dass sie keine Schlager singen würde.
Die Politik nutzte den Hit um "Conny Kramer"
Die erste Platte von dem Mädchen mit den rotblonden, langen Haaren und der Gitarre stand im Januar 1972 in den Geschäften: "Am Tag, als Conny Kramer starb". Wenige Wochen später erhielt Juliane Werding eine Einladung nach Bonn. In den Räumen des Bundesgesundheitsministeriums sang sie vor Frau Ministerin Käthe Strobel, zahlreichen Journalisten und Kameras. Die Geschichte des Jungen, der durch Rauschmittelgenuss sein Leben verliert, sollte die "No Drugs"-Aktion der Bundesregierung unterstützen.
"Conny Kramer" geriet zu einem phänomenalen Erfolg. Einen ersten Höhepunkt fand die noch frische Karriere in Saarbrücken. Dort wurde ihr von der Europawelle Saar die "Goldene Europa" als "förderungswürdigste Nachwuchsinterpretin" verliehen.
Lied passt nicht zwischen Waschmittelwerbung
Es gab auch Widerstand: Radio Luxemburg weigerte sich, die Platte zu senden. "Ein Lied mit solch ernsthaften Problemen passt nicht zwischen Waschmittelwerbung", lautete die Begründung. Erst nach Hörerprotesten lief der Titel im Programm. Die gewonnene Popularität war auch belastend: Eine Flut von Briefen traf bei ihr ein, die über die normalen Autogrammwünsche hinaus gingen. Viele schrieben von eigenen Drogenerfahrungen und suchten Rat. Die Medien rissen sich um sie und Reporter tauchten sogar bei ihr in der Klasse auf. Die Eltern zogen die Notbremse und schirmten ihre Tochter weitgehend ab: Zuerst kam die Schule und nach der Mittleren Reife eine Ausbildung zur Bürokauffrau.
"Es war nicht leicht, mit ihr zu arbeiten"
"Leicht war es nie, mit ihr zu arbeiten", äußerte ihr Entdecker Peter Meisel in einem Interview. "Es war schwierig, für sie einen guten Titel zu finden." Dieser fand sich 1975 im Berliner Hansa-Meisel-Quartier, wo sich Liedermacher, Sänger und Komponisten trafen. Juliane Werding begegnete Gunter Gabriel, der dort gerade Skat spielte. Sie setzte sich zu ihm, nahm ebenfalls Karten in die Hand, reizte, sicherte sich Spiel um Spiel und gewann. Daraus entstand "Wenn Du denkst, Du denkst".
Bei "Deep Purple" den Abwasch erledigt...
Privat liebte Juliane Werding die Musik von Jimi Hendrix und Deep Purple. Der Starfotograf Didi Zill erinnerte sich: "Ich hatte einmal die Gelegenheit, sie in London zu einer Fotosession mit Deep Purple und anschließend zum Konzert mitzunehmen. Die Jungs von Deep Purple luden sie nach der Foto-Session für den nächsten Tag zu sich nach Hause ein. Dort fand ich Juliane in der Küche: sie erledigte den Abwasch von Deep Purple-Drummer Ian Paice."
Sängerin mit "Stimmen im Wind" zurück in die Erfolgsspur
Anfang der 1980er Jahre legte sie eine künstlerische Pause ein und arbeitete nach einer Ausbildung bis 1985 als PR-Frau. Parallel hierzu gelang ihr bereits 1983 ein glänzendes Comeback. Produzent und Komponist Harald Steinhauer und der Texter Dr. Michael Kunze schrieben ihr über Jahre eine maßgeschneiderte Hitserie: "Stimmen im Wind", "Sehnsucht ist unheilbar", "Vielleicht irgendwann" und viele mehr. Nicht nur in Deutschland sondern auch in den Benelux-Ländern gelangen damit Volltreffer.
"Ich habe schon immer Tabu-Themen aus der Versenkung geholt"
"Ich sehe mich in der Tradition der Barden und Minnesänger, die Mythen und Neuigkeiten in Liedform überliefert haben. Mir kommt es auf den Inhalt an", äußerte Juliane Werding in einem Interview. Die einfühlsamen, bildhaften Texte - häufig mit geheimnisvollen Inhalten - und die melodischen, griffigen Kompostionen spiegelten die persönliche Entwicklung der Interpretin wieder. 1994 ging sie erstmals auf Tournee und begann sich als Live-Künstlerin zu etablieren. Eine ganz andere Premiere erlebte sie im Jahr 2000 - als Schauspielerin im Theaterstück "Die Vagina-Monologe": "Ich habe schon immer Tabu-Themen aus der Versenkung geholt. Dazu gehört sicherlich auch die weibliche Sexualität", erklärte die Künstlerin.
Juliane Werding wurde Heilpraktikerin
Trotz aller Erfolge ist sie bodenständig geblieben und verstand es stets, Privatleben und Karriere in Einklang zu bringen. Das zeigte sich auch daran, dass sie während ihrer musikalischen Laufbahn immer wieder "normalen" Berufen nachging. Bei ihrer Tätigkeit in der PR-Branche kam sie mit medizinischen Themen in Berührung und entschloss sich zu einer Ausbildung als Heilpraktikerin. 1989 eröffnete sie nach erfolgreichem Abschluss eine eigene Praxis. Unter dem Titel "Mit ganzer Kraft gesund" erschien zwei Jahre später ihr erstes Buch.
2008 legte sie ihr letztes Studio-Album vor, dann zog sie sich völlig aus dem Showgeschäft zurück. Zuletzt arbeitete sie als Heilpraktikerin in einer Gemeinschaftspraxis in Starnberg.
Steckbrief von Juliane Werding | |
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Geboren | 19. Juli 1956, aufgewachsen in Essen |
Nr. 1-Hit als Sänger | "Der Tag als Conny Kramer starb" blieb 14 Wochen in den Top 10 |
Mitwirkung | Bei dem Afrika-Hilfsprojekt "Band für Afrika" |
Film | Juliane Werding wirkte in "Palermo oder Wolfsburg" von Werner Schroeter mit |
Beruf | Heilpraktikerin in Starnberg bei München |