Schlagerlegende

Gitte Haenning will und kann alles

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Autor/in
Hans-Jürgen Finger
Hans-Jürgen Finger

Gitte Haenning will einen Cowboy als Mann und singt von Stadtpark-Laternen. Ihre Stimme hat in jedem Lied ihre besondere Note. Sie feierte Erfolge mit Wencke Myhre und Rex Gildo.

Der 15. Juni 1963 war ein bedeutendes Datum in ihrer Karriere, denn an diesem Tag gewann sie im Kurhaus in Baden-Baden die Deutschen Schlagerfestspiele. Im Rahmenprogramm trat die große Marlene Dietrich auf, die der frisch gekürten Siegerin prophezeite: "Du wirst einmal ein großer Star werden. Der Erfolg bleibt Dir aber nur dauerhaft, wenn man nie aufhört, an sich zu arbeiten." Ein Ratschlag, den sich die gerade mal 17-jährige Sängerin zu Herzen nahm.

Fahrrad als Geschenk für Gitte für Duett mit Papa

Gitte zuhause mit ihrem musizierenden Vater
Musikalisches Elternhaus - Gitte mit ihrem Vater

Während sie in Deutschland noch am Anfang stand, erhielt sie in ihrer Heimat Dänemark bereits eine Auszeichnung als beliebteste Sängerin. Ihr Debüt erfolgte dort bereits 1954. Ihr Vater, ein in Skandinavien populärer Sänger, erhielt von seinem Produzenten den Vorschlag, eine dänische Version des Conny Froboess-Erfolgstitels "Ich heirate Papi" mit einer seiner beiden Töchter aufzunehmen. Die Wahl fiel auf Gitte, die von der Idee alles andere als begeistert war. Erst als der Papa ihr ein funkelnagelneues Fahrrad versprach, willigte sie ein.

Ein Stuhl machte sie groß genug für's Mikrofon

Gitte Haenning 1962
Gitte, noch mit langen Haaren (1962)

Das versprochene Geschenk hat sie zwar nie bekommen, avancierte stattdessen aber in kurzer Zeit zum gefragten Kinderstar: "Ich stand damals immer auf einem Stuhl auf der Bühne, um das Mikrofon zu erreichen." 1958 erhielt sie einen Plattenvertrag als Solistin und stürmte als Teenager-Idol die dänischen Hitlisten. Parallel hierzu entdeckte sie ihre Vorliebe für Jazz - hier gibt's eine kleine Kostprobe von "Ein Mädchen wie ich" - und arbeitete mit Größen wie dem Bassisten Oscar Pettiford oder dem Saxophonisten Stan Getz zusammen.

Cowboy als Mann

Der deutsche Produzent Nils Nobach holte sie für Plattenaufnahmen nach Köln. Filmproduzenten fanden ebenfalls Gefallen an dem jungen Mädchen mit der kessen Pferdeschwanzfrisur und engagierten sie für den Musikfilm "Schlagerparade 1960". Bald folgten erste Fernsehauftritte, nur die Plattenumsätze blieben hinter den Erwartungen zurück. Schließlich drängte sie die Plattenfirma dazu, bei den Schlagerfestspielen teilzunehmen. Der Plan ging auf: mit "Ich will ’nen Cowboy als Mann" siegte sie haushoch.

Traumpaar Gitte Haenning und Rex Gildo

Gitte Haenning mit Peter Frankenfeld und Gilbert O'Sullivan
Gitte mit Peter Frankenfeld (l.) und Gilbert O'Sullivan (r.)

Gitte war Dauergast in Funk und Fernsehen. Für ihre TV-Show "Kein Tag ohne Musik" verpflichteten die Macher Rex Gildo als Partner und landeten einen Volltreffer. Im Handumdrehen eroberten sie als "Traumpaar des deutschen Schlagers" das Publikum und die Hitparaden. Mehr als einmal wurden sie in den Zeitungen miteinander verlobt, verheiratet, verzankt und wieder versöhnt. Nach zwei Jahren hatte Gitte genug:

"Es gab gewisse Erwartungen, wo man spürte, diese sind weit weg von dem, was man selbst eigentlich will."

Frühe Gedanken über Karriereende

Nach einer Pause kehrte sie 1973 zurück und vertrat Deutschland beim Grand Prix d’Eurovison de la Chanson mit dem Titel "Junger Tag". Obwohl sie nicht als Siegerin hervorging, wurde dieser Titel ein Bestseller. Eigene Personality-Shows im Fernsehen festigten ihren Ruf als Show-Star: "Es gibt eine Menge Kontraste und Titel, mit denen man mich in Deutschland kaum kennt."

"Die Diskrepanz zwischen Sein und Anspruch hätte mich fast zerrissen. Ich war oft drauf und dran, das Showbiz an den Nagel zu hängen. Das erste Mal schon mit 21."

Ab den 80ern singt Gitte Haenning anspruchsvolle Songs

Nach privaten Turbulenzen kehrte sie 1980 ins Rampenlicht zurück. Neuer Stil, neues Image - statt banaler Schlager nun anspruchsvolle Songs. Sie zeigte sich als selbstbewusste Frau, der die künstlerische Weiterentwicklung stets wichtig war: 1981 erhielt sie den Deutschen Schallplattenpreis. In der Begründung hieß es: "Die Interpretin, deren Intensität, stimmliche Präsenz und Ausdruckskraft sich längst im Showgeschäft bewährt hat, überrascht mit Titeln, in denen sie ihren eigenen Qualitätsanspruch voll einlöst."

"Ich will nicht festgelegt, zur Maske werden."

In jüngerer Zeit machte sich die in Berlin lebende Künstlerin auf dem Plattenmarkt deutlich rarer:

"Ich suche mir die Sachen sehr sorgfältig aus. Wenn ich etwas mache, will ich brennen. Das darf nicht ohne Leidenschaft sein, nicht ohne Engagement. Ich nehme meinen Beruf ernst."

Ausverkaufte Hallen mit Siw Malmkvist und Wencke Myhre

Immer war sie auf der Suche nach neuen Herausforderungen: So konnte man sie sogar in der Rolle der "Papagena" in der "Zauberflöte" erleben. Von 2004 bis 2007 tourte sie zusammen mit Siw Malmkvist und Wencke Myhre in "Gitte, Wencke & Siw - Die Show" durch zahlreiche Städte - stets ausverkaufte Häuser landauf und landab. Zudem spielte sie häufig in Musicals, darunter "Sunset Boulevard" oder "Flashdance".

Die Sängerinnen Gitte Haenning, Wencke Myhre und Siw Malmkvist.
Die Sängerinnen Gitte Haenning, Wencke Myhre und Siw Malmkvist (v.l.n.r.).

Ihre Liebe zum Jazz hat sie neben all diesen vielfältigen Verpflichtungen stets gepflegt. Ein besonderer Höhepunkt auf diesem Gebiet war eine Konzertreihe unter dem Motto "Songs for my father", die sie 1997 ihrem Vater anlässlich seines 80. Geburtstags widmete. Die Presse lobte damals: "Mit Papas Jazz brachte Gitte die 'Komische Oper' zum Toben."

Doch trotz aller von ihr gebotenen Vielfalt erwartet das Publikum bei ihren Konzerten immer noch die großen Hits von früher. Auch wenn sie sich vom Schlager distanziert hat, singt sie manche davon weiterhin - allerdings zeitgemäßer: "Wie kann ich dieses Lied heute gestalten? Da nehme ich in Kauf - mit großem Risiko - manche Fans zu verlieren, um andere zu gewinnen", sagte sie dazu in einem Interview.   

Wie stand einmal in den "Kieler Nachrichten" zu lesen? "Sie will alles - und sie kann alles!" Dem ist nichts hinzuzufügen.

Das ist Gitte Haenning

Geboren29. Juni 1946 in Aarhus (DK)
Bekannte Männer in ihrem LebenGitte war mit dem dänischen Jazz-Bassisten Nils-Henning Ørsted Pedersen liiert, ebenso mit Regisseur Pit Weyrich.
Größter HitVom Stadtpark die Laternen - 26 Wochen in der dt. Hitparade

Kinderlos und nichts bereut

Eigene Kinder hat Gitte Haenning nicht. In einem Interview mit der BZ sagte sie ganz offen dazu: "Ich habe zweimal verhindert, eines zu bekommen. Die Beziehungen, in denen ich damals war, waren nicht so stabil und ich wollte kein Scheidungskind produzieren, denn ich war ja selbst eines." Diese Entscheidung bereut sie demnach nicht.

Aktuell lebt Gitte Haenning alleinstehend in Berlin.

Besondere Plattencover von Gitte Haenning

Plattencover von Gitte Haenning
Mit "Ich hab' die Liebe verspielt in Monte Carlo" landete Gitte Haenning in den Top Ten. Radio Luxemburg zeichnete sie dafür mit dem "Goldenen Löwen" und der Saarländische Rundfunk mit der "Goldenen Europa" aus. Weitere Erfolge dieser Zeit waren "So schön kann doch ein Mann sein" und "Ich bin kein Kind von Traurigkeit".
Gitte Haenning Plattencover
Zum Zeichen ihrer Emanzipation stand ab 1983 "Gitte Haenning" auf ihren Platten zu lesen - erstmals auf dem Album "Berührungen". Es war ihre bis dahin erfolgreichste LP, die mit einer Goldenen Schallplatte ausgezeichnet wurde und aus der ihr Dauerbrenner "Lampenfieber" stammt.
Gitte Haenning Plattencover
"Was Ihr wollt" - als "Narr" stand sie in einer Theaterinszenierung dieser Shakespeare-Komödie auf der Bühne und betitelte so auch ihr bislang letztes Album, das Neuaufnahmen ihrer Hits (u. a. "Cowboy als Mann", "Die Frau, die Dich liebt") sowie einige neue Songs (z. B. "Mit jedem Abschied fängt was an") beinhaltete.