Schlagerlegende

Drafi Deutscher - Marmor, Stein, Hits und Drogen

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Autor/in
Hans-Jürgen Finger
Hans-Jürgen Finger

"Marmor, Stein und Eisen bricht" machte ihn zur Legende. Drafi Deutscher war eine schillernde Persönlichkeit in der Musikszene, die mit enormer Wandlungsfähigkeit überraschte.

Von seinem ungarischen Vater, einem Violinisten, erbte er den Vornamen und das musikalische Talent. Der junge Drafi wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Den Papa lernte er nie kennen und die Mutter arbeitete Tag und Nacht als Krankenschwester, um den Lebensunterhalt zu verdienen. Die dominante Großmutter kümmerte sich um das Kind. Sie schenkte dem Buben sein erstes Instrument - eine Mundharmonika.

Mit 11 Jahren gewann er den ersten Talentwettbewerb, bei dem er mit Akkordeon, kurzen Hosen und Strubbelhaaren auftrat. Als Teenager sang er in seiner Band "Charlie & The Timebombs" Lieder von Little Richard oder Elvis Presley vor Publikum, was aus Gründen des Jugendschutzes manchmal turbulent war:

"Ich bin in Berliner Kneipen aufgetreten. Wenn die Polizei kam, versteckte ich mich mit meiner Gitarre unter dem Tresen."

Nach der Schule schlug er sich mit Gelegenheitsjobs durch, arbeitete als Page oder in einer Eisengießerei.

Marmor, Stein und Eisen bricht wird ein unvorstellbarer Erfolg

1963 entdeckten ihn der Produzent Peter Meisel und der Komponist Christian Bruhn bei einem Gesangswettstreit und nahmen ihn unter Vertrag. Die erste Platte "Teeny" wurde gleich ein Achtungserfolg.

Plattencover von Drafi Deutscher
Das Plattendebüt im Jahr 1963: Von seiner ersten Single „Teeny“ gingen 80.000 Exemplare über die Ladentische.

Ein Jahr später gelang der Durchbruch mit "Marmor, Stein und Eisen bricht" - die englische Version kam sogar in die US-Charts. Der Plattenindustrie war gelungen, einen Künstler aufzubauen, der sowohl die Schlagerfreunde als auch die Beat-Fans gleichermaßen begeisterte.

Drafi Deutscher macht mit Exzessen Schlagzeilen

Drafi Deutscher 1969 mit Gitarre
Drafi Deutscher mit Gitarre 1969

Drafi Deutscher war kein Kind von Traurigkeit und sein ausschweifendes Leben sorgte für Schlagzeilen. Das "enfant terrible" eckte häufig an und auch der Umgang mit Geld war nicht seine Stärke:

"Früher verdiente ich 45 DM pro Woche. Von einem Tag auf den anderen bekam ich 1.500 DM am Abend für drei gesungene Titel. Da gerät man ganz automatisch in irgendeinen Rausch.“

Alkohol- und Drogenexzesse, Ärger mit dem Finanzamt und vor allem die Verurteilung zu einer Haftstrafe auf Bewährung wegen "Erregung öffentlichen Ärgernisses" setzten 1967 der Karriere ein jähes Ende. Als DJ und Verkäufer von Stoffen auf Wochenmärkten hielt er sich eine Zeitlang über Wasser.

Künstlernamen zur Tarnung vor dem Fiskus

In den 1970er Jahren war ein Comeback als Sänger nur von kurzer Dauer. Häufig trat er unter Verwendung von Pseudonymen in Erscheinung, was weniger der Musik als seinem Verhältnis gegenüber dem Fiskus geschuldet war. Neben zahlreichen anderen Projekten startete der von Kindheit an sehr gläubige Künstler die Gruppe "Wir" und nahm - im Stil von Les Humphries - deutschsprachige Gospelsongs auf.

Plattencover von Drafi Deutscher
Über 40 Pseudonyme sind bekannt, unter denen Drafi Deutscher gearbeitet hat: von „Blue Brothers“ (zusammen mit Michael Holm) über Jack Goldbird bis hin zu „Wir“, „Quickborner“, „Lars Funkel“ oder „Baby Champ“. Auf der Sammlung „Hits, Pseudonyme, Raritäten“ erschienen einige dieser Titel und sorgten für so manche Überraschung unter den Musikliebhabern.

Er arbeitete vorwiegend im Hintergrund als Komponist und Produzent und machte sich hier einen Namen von internationalem Format. Erfolge wie "Belfast" (Boney M.), "Fly away pretty flamingo" (Peggy March) oder "Mama Leone" (Bino) stammten aus seiner Hitwerkstatt. Ein sensationeller Erfolg als Komponist gelang 1976 mit "Silver Bird". Der von Tina Rainford gesungene Hit brachte ihm eine Auszeichnung mit dem amerikanischen Country-Award, nachdem sich der Song in den dortigen Country-Charts platzieren konnte.

Eine große Karriere als Komponist

Dank seiner Gabe, publikumswirksame Ideen nach eigenen Soundvorstellungen umzusetzen und vor allem, sich dabei immer wieder selbst zu motivieren, kehrte Drafi Deutscher in den 1980er Jahren ins Rampenlicht zurück. Nach einem kurzen Aufenthalt in den Vereinigten Staaten veröffentlichte er wieder eigene, deutschsprachige Platten, mit denen der alte Erfolg zurückkehrte. Darüber hinaus gründete er das Duo "Mixed Emotions", mit dem eine ganze Serie von Hits gelang. Als Komponist feierte er mit "Guardian Angel" einen weltweiten Erfolg.

Plattencover von Drafi Deutscher
Plattencover von Mixed Emotions

Der Teufelskreis aus Erfolg und Drogen

Ein randvoller Terminkalender bestätigte ihm, dass er - trotz vieler Eskapaden, die zu allen Zeiten von regem medialem Interesse begleitet waren - wieder ein gefragter Mann war. Doch sein ungesunder Lebenswandel holte ihn ein und forderte seinen Tribut. Rückblickend sprach er über den Teufelskreis, in dem er sich befand:

Drafi singt mit geschlossenen Augen auf der Bühne der Superhitparade in Ludwigshafen
Schlagersänger Drafi Deutscher während der "Superhitparade" in Ludwigshafen

"Da hieß es, nun schreib‘ wieder ein paar Titel. Dann habe ich mich hingesetzt und daran gedacht, dass ich unter dem Einfluss von Kokain 'Jenseits von Eden' geschrieben habe. Um wieder so ein Ding zu schreiben, musst Du das Zeug wieder nehmen."

"Ich bin keiner, der über Leichen geht..."

Nach einem körperlichen Zusammenbruch diagnostizierten die Ärzte Diabetes. Fortan trat er kürzer und auch der Mensch Drafi Deutscher veränderte sich. War er früher stets in Begleitung von Bodyguards anzutreffen, kennzeichnete ihn nun ein äußerst bescheidenes Auftreten:

"Ich bin einer, der keine Schwierigkeit damit hat, seine Fehler zuzugeben. Ich bin einer, der immer bereit ist, wenn er jemand verletzt hat, sich dafür zu entschuldigen. Und ich bin keiner, der über Leichen geht - niemals im Leben gewesen."

Die Umkehr kam zu spät, denn mit seiner Gesundheit ging es weiterhin bergab. Der musikalische Tausendsassa verstarb am 9. Juni 2006 an den Folgen einer Herzerkrankung im Alter von 60 Jahren.

Das war Drafi Deutscher
Geboren9. Mai 1946 in Berlin-Charlottenburg
Gestorben9. Juni 2006 in Frankfurt am Main
Größer HitMarmor Stein und Eisen bricht (1965). Der BR weigerte sich eine Zeitlang, das Stück zu spielen, weil auf eine Aufzählung an sich der Plural folgen müsse ("brechen"). Die ehemalige DDR sah in dem Stück eine Anspielung auf die Mauer und tat es als revisionistisch ab.
PseudonymeBis 1980 sollen unter 40 verschiedenen Pseudonymen ca. 60 Singles erschienen sein
Zitat"Ich fühle mich zwar nicht fit wie ein Turnschuh, aber immer noch so gut wie Herr Bohlen". (dpa, 1.3.1999)