Nach der Geburt eines Kindes haben die meisten Mütter Stimmungsschwankungen, den sogenannten Babyblues. Grund dafür ist vor allem die hormonelle Umstellung. Aber auch die neue Lebenssituation kann emotional belastend sein.
Postpartale Depression nach jeder fünften Geburt
Wenn diese Achterbahnfahrt der Gefühle länger anhält als zwei Wochen, spricht man von einer Wochenbettdepression oder auch postpartalen Depression. Laut Studien ist jede fünfte bis sechste Geburt davon betroffen. Möglicherweise sind die tatsächlichen Zahlen aber weit höher.
Arminia Hrusto-Lemes ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie im Medizinischen Versorgungszentrum des Klinikums Stuttgart. Sie weist darauf hin, dass eine postpartale Depression sehr häufig gar nicht entdeckt wird. Das ist ein Problem, weil das Risiko, depressiv zu werden, bei der Folgeschwangerschaft um 50 Prozent ansteigt.
Nur wenige Mütter holen sich Hilfe bei Wochenbettdepression
Die meisten Mütter versuchen ihren Zustand zu verdrängen, nur wenige holen sich Hilfe, aus Scham oder weil sie nicht wissen, an wen sie sich wenden sollen. Immer wieder machen sich depressive Mütter Vorwürfe, weil sie es nicht schaffen, so glücklich zu sein, wie sie es von sich selbst erwarten.
Was löst eine postpartale Depression aus?
Es gibt eine Reihe von Risikofaktoren, die eine Depression auslösen können. So sind beispielsweise Frauen, die vor der Schwangerschaft schon eine depressive Episode hatten, besonders gefährdet. Auch schwierige Erfahrungen aus früherer Zeit können das Hormongleichgewicht beeinflussen.
Hinzu kommen diverse Stressfaktoren, mit denen Wöchnerinnen zu kämpfen haben und die eine Überreaktion des Hormonsystems begünstigen, so zum Beispiel eine traumatische Geburtserfahrung. Auch das Thema Gewalt in der Geburtshilfe ist inzwischen zwar mehr ins gesellschaftliche Bewusstsein gerückt, doch praktisch geändert hat sich bislang wenig.
Väter beeinflussen Krankheitsverlauf entscheidend
Erst in den letzten Jahren ist die Rolle der Väter mehr ins Bewusstsein gerückt. In der Regel können sie eine Erkrankung nicht verhindern, aber den weiteren Verlauf entscheidend beeinflussen, so Psychologin Nora Nonnenmacher von der Uniklinik Heidelberg. Denn auch der Vater kann eine entscheidende Ressource sein, um das Familiensystem zu stabilisieren, so Nonnenmacher.
Nicht automatisch beeinträchtigt eine depressive Mutter die Entwicklung des Kindes, so Nonnenmachers Kollegin Britta Zipser, zumindest, wenn die Erkrankung einen leichteren Verlauf nimmt, betont Zipser von der Uniklink Heidelberg.
Unbehandelte Wochenbettdepression hat Folgen für Mutter und Kind
Bleibt die Wochenbettdepression unbehandelt, kann das weitreichende Folgen haben für Mutter und Kind. Laut Nora Nonnenmacher steigt das Risiko für die Kinder, später selbst an einer Depression zu erkranken. Zudem kann die Wochenbettdepression Einfluss haben auf kognitive Fähigkeiten, auf die sprachliche Entwicklung, aber eben auch auf das Verhalten der Kinder.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Eine Frau mit einer postpartalen Depression braucht möglicherweise sowohl die medikamentöse Behandlung als auch den Psychotherapeuten und die Haushaltshilfe, so die Fachärztin Arminia Hrusto-Lemes. Auch, um im Nachhinein verstehen zu können, was passiert ist. Eine weitere Hilfe können Gesprächsgruppen mit anderen betroffenen Müttern sein.
Denn eine Wochenbettdepression ist eine schwere Erkrankung. Die Ursachen dafür liegen nicht nur bei den Müttern selbst, auch ungünstige Umstände tragen dazu bei. Mit einer besseren Geburtshilfe und mehr Bewusstsein dafür, was Mütter im Wochenbett brauchen, wäre schon viel geholfen.