SWR2 Wissen

Hecken – Unterschätzte Klimaretter und Biotope

Stand
Autor/in
Richard Fuchs
Richard Fuchs
Onlinefassung
Ulrike Barwanietz
Candy Sauer

In Hecken sehen viele nur Gestrüpp. Dabei sind die wilden Gewächse gut für Klima, Artenschutz und Landwirtschaft – und ihre Früchte schmecken auch.

Diese SWR2 Wissen-Folge wurde 2023 mit dem Constructive World Award von Focus Online in der Kategorie "Better Planet" ausgezeichnet.

Forschungsprojekt CarboHedge: Hecken als Langzeit-Speicher für Kohlenstoff

Mit dem Projekt „CarboHedge“ betritt das Braunschweiger Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei, Neuland. Denn bei der wissenschaftlichen Erhebung der Treibhausgasemissionen, die jedes Jahr aus der Landwirtschaft kommen, waren Feld-Hecken bislang weiße, linienförmige Flecken, von denen niemand so genau sagen konnte, wie sie sich eigentlich auf die Klimabilanz auswirken.

Doch das vermeintlich wertlose Gestrüpp einer Hecke ist gar nicht wertlos, sondern hat enormes Potenzial als Langzeit-Speicher für Kohlenstoff. Zusätzlichen Kohlenstoff speichere eine Hecke auch in Form von Humus im Boden – und sogar im weit verzweigten Wurzelgeflecht der Hecke selbst, so die Braunschweiger Forscher.

Axel Don am Trocknungsschrank für Bodenproben. Der stellvertretende Institutsleiter des Thünen-Instituts für Agrarklimaschutz leitet das Projekt CarboHedge – eine Wort-Schöpfung, die für die Hecke als Kohlenstoffspeicher steht.
Axel Don am Trocknungsschrank für Bodenproben. Der stellvertretende Institutsleiter des Thünen-Instituts für Agrarklimaschutz leitet das Projekt CarboHedge – eine Wort-Schöpfung, die für die Hecke als Kohlenstoffspeicher steht.

Tote Wurzeln der Hecke helfen beim Klimaschutz

Eine weitere wichtige Erkenntnis des Projektes, das im Zeitraum Juni 2019 bis Mai 2023 läuft, sei bisher gewesen, dass ein erheblicher Teil der Wurzeln unter Hecken schon tot sei – und dass gerade das für den Klimaschutz besonders wertvoll ist. Wird eine Hecke regelmäßig geschnitten, was sie vital hält, stirbt immer ein Teil der Wurzelbiomasse ab. Und diese abgestorbenen Wurzeln würden dann zu kohlenstoffreichem Humus umgewandelt. Für den Klimaschutz ein enormer Gewinn.

Probe des Braunschweiger Projekts "CarboHedge": Heckenwurzeln speichern enorm viel Kohlenstoff
Probe des Braunschweiger Projekts "CarboHedge": Heckenwurzeln speichern enorm viel Kohlenstoff

Verein setzt sich für Schutz und Nutzung von Wildhecken ein

Wieder mehr Hecken sehen: Das möchte auch Alexandra Werdes. Zusammen mit Gleichgesinnten hat sie 2020 in Hamburg den Verein „Heckenretter e.V.“ gegründet. Ihr Ziel: Sie wollen erreichen, dass Wildhecken wieder mehr wertgeschätzt werden – auch durch regionale Wertschöpfungskreisläufe. Also Hecken schützen, indem man sie nutzt.

Heckenretterin Alexandra Werdes auf einer selbstbepflanzten Hecke mit Erdwall
Heckenretterin Alexandra Werdes auf einer selbstbepflanzten Hecke mit Erdwall

Holunder, Schlehe, Hagebutte: Eis am Stiel mit "Hecken-Geschmack"

2019 begann Alexandra Werdes, das erste Eis am Stiel aus Wildfrüchten von Hecken in den Verkauf zu bringen. Inzwischen gibt es die Geschmacksrichtungen Holunder, Schlehe, Hagebutte und Brombeere. Im Herbst bietet sie Punsch mit Holunder-Geschmack an. Eis und Punsch-Sirup gibt’s bislang an ausgewählten Stellen rund um Hamburg zu kaufen. Der Name: Tofte.

Die Heckenretter möchten auch Firmen gewinnen, die ihren unvermeidbaren Teil an CO2-Emissionen kompensieren wollen – und das durch das Anpflanzen neuer Hecken bewerkstelligen können. Dabei lehre einen die Arbeit mit Hecken Geduld und Demut. Oder, wie es Alexandra Werdes ausdrückt: Sie schenke einem Zeit.

Hecken bieten dauerhaften Schutz für gefährdete Arten

Hecken, die viele Jahrzehnte oder im besten Fall für immer an einem Feldrand stehen, sind dabei die Königsklasse des Biotop- und Artenschutzes. Denn sie bieten dauerhaften Schutz für gefährdete Tier- und Pflanzenarten – unabhängig davon, ob auf den Feldern gepflügt oder angepflanzt wird. Dem Landwirtschaftsbetrieb nehmen diese dauerhaften Strukturen aber die Flexibilität, jährlich neu über die Bewirtschaftung zu entscheiden. Und das macht Hecken erst mal unattraktiv.

Eine Naturhecke mit heimischen Gehölzen wie Schlehe, Weißdorn, Hainbuche und Haselsträuchern unweit des Thünen-Instituts in Braunschweig
Eine Naturhecke mit heimischen Gehölzen wie Schlehe, Weißdorn, Hainbuche und Haselsträuchern unweit des Thünen-Instituts in Braunschweig

Carbon Farming – Kohlenstoff-Landwirtschaft

Hecken-Forscher sehen deshalb die zentrale Aufgabe darin, das Neupflanzen von Hecken zu einem attraktiven und langfristig ausgerichteten Geschäftsmodell zu machen. Ein Ansatz dafür wäre die sogenannte Kohlenstoff-Landwirtschaft, im englischen Fachbegriff, „Carbon Farming“ genannt. Und wird das Restholz der Hecken in Hackschnitzelanlagen verfeuert, verbessert sich die Klimabilanz sogar.

Hecken: 400 Jahre alte Erfindung des Menschen

Dass Hecken eine gut 400 Jahre alte Erfindung des Menschen sind, ist noch viel zu wenig bekannt. Dass sie zum festen Bestandteil unserer Agrar- und Kulturlandschaft gehören, weil sie Nutzen stiften, wird immer noch zu häufig übersehen. Und so ist es kaum verwunderlich, dass auch die vielfältigen Funktionen von Hecken für

  • Artenvielfalt,
  • fürs Mikroklima und
  • für den aktiven Klimaschutz

unterschätzt wurden. Mehr Hecken pflanzen, erscheint da wie das Gebot der Stunde.

SWR 2021

Landwirtschaft: aktuelle Beiträge

Umweltschutz Studie: Klimawandel könnte giftige Metalle in Böden freisetzen

Nach der Studie eines Forschungsteams der Uni Tübingen und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung könnte der Klimawandel die natürlicherweise in Böden vorkommenden giftigen Metalle mobilisieren und über die Landwirtschaft verstärkt in die menschliche Nahrungskette bringen.
Martin Gramlich im Gespräch mit Marie Muehe, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung

Impuls SWR Kultur

Landwirtschaft Wie aus chilenischen Wildkartoffeln neue Sorten gezüchtet werden

Die Insel Chiloé gilt als einer der Ursprungs-Orte der Kartoffel. Funde zeigen, dass es hier die ersten Wildkartoffeln bereits vor 14.600 Jahren gegeben hat. Heute werden aus diesen alten Sorten neue, gesundheitsfördernde und hitzeresistente Sorten gezüchtet.

Impuls SWR Kultur

Umwelt und Natur: aktuelle Beiträge

Artenschutz Das durchwachsene Ergebnis der Weltnaturkonferenz COP16

Zwei Wochen haben Vertreter aus fast 200 Ländern in Kolumbien beraten, wie die Weltgemeinschaft Natur und Arten besser schützen kann. Nach zähen Verhandlungen ging die UN-Konferenz abrupt zu Ende. Ohne den großen Wurf, aber auch mit ein paar Ergebnissen.
Martin Gramlich im Gespräch mit COP16-Reporter Stephan Hübner.

Impuls SWR Kultur

Stand
Autor/in
Richard Fuchs
Richard Fuchs
Onlinefassung
Ulrike Barwanietz
Candy Sauer