Netzkultur

#cleangirlaesthetic: Warum dieses Hashtag ein ziemlich dreckiger TikTok-Trend ist

Stand
Autor/in
Pia Masurczak

Der Hashtag #cleangirlaesthetic hat derzeit mehr als drei Milliarden Views allein auf TikTok: Strahlender Teint, adrette Frisur und entsprechende Garderobe werden in diesem Trend zu Must-Haves für Frauen. Der Anspruch „clean” zu sein verträgt sich jedoch nur bedingt damit, dafür erstmal sieben verschiedene Make Up-Produkte aufzutragen.

„Herzlich willkommen zu diesem neuen Video von mir – mein Name ist Rebecca. Ich zeig dir den Clean Girl Aesthetic Look. Und ich weiß, wir haben gerade mal den letzten Trend, den That Girl Trend und den Glow Up Trend verdaut und schon klopft der nächste Trend an der Tür.“

Rebecca hat Recht: Man kommt nicht mehr hinterher bei all den Beauty- und Lifestyle-Trends auf TikTok. Einen hat sie übrigens vergessen: Vanilla Girl gibt’s nämlich auch noch, blonde Haare und alles in beige. Aber #cleangirlaesthetic schlägt sie zurzeit alle, mit mehr als drei Milliarden Views allein auf TikTok.

Ein Trend nur für Frauen, die ohnehin als „schön“ gelten

Also, kurz zur Orientierung: Rebecca, was ist nochmal der Clean Girl Look?

„Das ist eine Person, von der, wenn man sie sieht, schon weiß: Die riecht gut!“ meint Rebecca. Ok, kurz zusammengefasst: Ebenmäßiger, strahlender Teint, Mascara und Lipgloss, straff zurückgekämmte, glänzende Haare, mehr oder weniger dezenter Goldschmuck.

Der Anspruch, „clean” zu sein, verträgt sich nur bedingt damit, dafür erstmal sieben verschiedene Make Up-Produkte aufzutragen. Und den Frauen, die ja trotzdem meist schon allen Schönheitsidealen entsprechen, also glatte, helle Haut, schlank sind, volles Haar und volle Lippen haben. Kaum etwas für jede, kritisiert die Visagistin Victoria Franklin auf TikTok.

„Some people are genetically pre-disposed to acne. That means you can be as clean as possible and still have acne. And let’s be honest: This aesthetic doesn’t work unless you’re pretty. Because some cream blush and brow wow? That only works if you’re already pretty.“

Ein Blick in das Herz des Kapitalismus

Aber na gut, dazu gehört ja dann auch noch eine aufgeräumte Garderobe: Alles minimalistisch, in Erdtönen oder weiß. Und eine entsprechende Haltung, die 2becky2jade am allerbesten ausdrückt: Put together.

„The whole clean aesthetic reminds me of when you’re a kid and you’re go and try on your mum’s clothes and you think you look all adult and put together. But you really don’t at all.“

Man könnte am Clean Girl Look sehr viele philosophische Fragen durexerzieren: Spielen wir nicht immer nur eine Rolle? Wie verhalten sich äußeres Erscheinungsbild und Identität zueinander?

Oder aber, wir nutzen den Clean-Girl-Trend, um ins dunkle Herz des Kapitalismus zu blicken: Denn wenn „clean“ zu sein Erfolg verspricht, was heißt es dann, in Anführungszeichen, „dreckig“ zu sein?

Die Hygieniker und Sozialdarwinisten des 19. Jahrhunderts würden wohl sagen: Dreck ist ein Merkmal der Unterschichten. Und noch dazu weisen Women of Colour auf TikTok darauf hin, dass sie den Look schon seit Jahrzehnten tragen.  

Der Kapitalismus im Netz siegt wieder einmal

Man muss es dem Kapitalismus im Online-Zeitalter wirklich lassen: Er versteht es brillant, einen bereits existierenden Look zum ultimativen Lifestyle für eine breite Käuferinnenschicht aufzublasen, dabei die kulturellen Wurzeln auszublenden und damit mehr Concealer und Leinenblusen zu verkaufen, als wir alle je brauchen werden. 2becky2jade hat das verstanden:

The clean girl look is the epitome of the successful, white, millennial rich, girlboss. That’s why it’s so successful. It’s selling a lifestyle, not just a blazer.

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Pia Masurczak