Knigge-Expertin Carolin Lüdemann weiß, wann es lockerer sein darf und wo der Anzug Pflicht ist.
SWR1: Ein Unternehmen ohne Klimaanlage, mit entsprechend heißen Büros: Kann so ein Unternehmen verlangen, dass Kostüm und Anzug getragen werden? Rechtlich vielleicht, aber macht sich so ein Unternehmen dann nicht lächerlich?
Carolin Lüdemann: Das glaube ich nicht. Ich glaube, man muss berücksichtigen, ob die Mitarbeiter Kundenkontakt haben und welche Erwartungshaltung die Kunden haben. Wenn man natürlich in einem Unternehmen, beziehungsweise auch in der Branche, Werte wie Seriosität, Beständigkeit repräsentiert, auch tendenziell eher noch das Konservative, dann muss sich das auch an dem Auftreten und letzten Endes auch an der Kleidung der Mitarbeiter widerspiegeln.
Langärmliges Hemd für Männer alternativlos
SWR1: Wüssten Sie einen Kompromiss zwischen Luftigkeit und gebotener Seriosität?
Lüdemann: Das kommt darauf an. Ich würde sagen, bei Männern gibt es da deutlich weniger Spielraum. Da ist das Leben im Sommer im Büro wahrscheinlich ein bisschen härter, weil man da einfach schon bei der langen Hose bleiben muss. Auch das langärmlige Hemd ist alternativlos. Das Kurzarmhemd existiert in meiner Welt nicht, und geschlossene Schuhe müssen auch getragen werden. Da kann man dann allenfalls sagen, vielleicht kann ich Sakko ablegen. Die Krawatte ist in vielen Fällen sowieso unüblich geworden. Von daher kann das einem das Leben vielleicht doch ein bisschen erleichtern.
Frauen haben da bestimmt mehr Spielraum. Da kann man ein kurzärmliges Oberteil anziehen, ein T-Shirt anstelle einer langärmligen Bluse. Man kann eine weite Hose wählen und sich dadurch wahrscheinlich doch noch mehr Luft verschaffen.
SWR1: Wo ist da die Grenze? Gehen auch Spaghettiträger?
Lüdemann: Nein, die Träger gehen nicht. Wir halten uns lieber an das Motto: "mehr Stoff, mehr Seriosität und auch mehr Autorität." Dann bedeutet das eben, dass ich die Spaghettiträger nicht tragen kann. Es sei denn, das Oberteil mit den Spaghettiträgern befindet sich unter einem Blazer, dann sieht es das Gegenüber auch nicht. Damit wäre es dann auch irrelevant.
Knigge: Ausnahmen für extrovertierte Menschen möglich
SWR1: Wenn es keinen Kundenkontakt gibt: Wäre es dann okay, dass ein Mann mit Tennissocken, Sandalen und Hawaiihemd kommt? Oder sollte man dem Einhalt gebieten?
Lüdemann: Da müsste ich mir überlegen, für was er steht und was er repräsentiert. Wenn man sagen würde, da steht jemand für Einfallsreichtum, Kreativität und er muss zum Ausdruck bringen, dass er ganz anders ist als alle anderen, dann könnten wir vielleicht über Ausnahmen nachdenken.
Keine Freizeithosen
Aber auch wenn wir sagen, da arbeitet jemand in seinem stillen Kämmerlein vor sich hin, und er bekommt sowieso nie jemanden zu Gesicht. Er repräsentiert ein Unternehmen nicht nach außen, er hat keinen Kundenkontakt, dann darf man schon ein bisschen großzügiger sein. Ich denke, das ist in Ordnung.
Von daher kann man da vielleicht auch mal zu der kurzen Hose greifen. Aber es sollte immer noch keinen Freizeitcharakter haben. Also kurze Hose ist nicht gleich kurze Hose, da muss man schon nochmal gucken, auf welches Modell man zurückgreift.
Das Interview führte SWR1 Moderator Hanns Lohmann.