Autor Christoph Brumme in der Ukraine

So war der Jahreswechsel in der Nähe der Front

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Michael Lueg
SWR1-Moderator Michael Lueg
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Der von Russland geführte Krieg in der Ukraine scheint aufgrund der Lage in Nahost etwas aus dem Blick geraten. Dabei hat er nichts an Brutalität verloren. Im Gegenteil: Russland hat die Angriffe auf das ganze Land über die Feiertage und den Jahreswechsel wieder verstärkt.

Der deutsche Autor Christoph Brumme lebt seit vielen Jahren in der Ukraine. Derzeit befindet er sich in der Region Slowjansk, in der Nähe der Front. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, wie die Ukrainer den Jahreswechsel erlebt haben, während die Angriffe auf das Land weitergehen.

SWR1: Normalerweise würde ich jetzt erstmal ein frohes neues Jahr wünschen. Bei uns ist das ja eher so eine harmlose Floskel. Wie kommt das bei Ihnen, beziehungsweise den Menschen in der Ukraine jetzt an?

Christoph Brumme: Wir wissen alle, dass es kein gutes neues Jahr wird. Vor einer halben Stunde wurde wieder Luftalarm ausgerufen, die Situation ist natürlich weiterhin gefährlich. Wir hoffen das Beste. Wir hoffen, dass die Schlafwandler im Westen aufwachen und endlich genug Waffen und Munition liefern, aber gut wird das Jahr bestimmt nicht.

Wir wissen alle, dass es kein gutes neues Jahr wird.

SWR1: Sie haben den Jahreswechsel in der Nähe der Front verbracht, haben dort Freunde vom Militär getroffen. Wie war das?

Brumme: Schwierig natürlich, den Menschen zuzuhören. Viele sind tatsächlich traumatisiert. Ein Soldat erzählte mir, er konnte sich in einem Sanatorium erholen, im Wald, aber das war für ihn traumatisch, weil die Geräusche im Wald ihn inzwischen an die Kämpfe im Wald erinnern.

SWR1: Was haben Sie von den verstärkten Angriffen der letzten Tage mitbekommen?

Brumme: Also solche Angriffe, solche terroristischen Luftangriffe auf die Zivilbevölkerung wecken eigentlich Trotzreaktionen bei den Ukrainern. Sie wecken die Bereitschaft, weiterhin zu kämpfen und weiterhin durchzuhalten.

Zwei Menschen stehen vor einer zerstörten Straße in Kiew nach russischen Angriffen Russlands zum Jahresbeginn.
An Silvesterraketen oder Böller ist zum Jahreswechsel in der Ukraine nicht zu denken, sagt Autor Christoph Brumme.

SWR1: Ein Land, das seit fast zwei Jahren im Krieg lebt, haben die Menschen da überhaupt Lust, sowas wie Silvester – vergleichsweise banal in so einer Situation – zu feiern?

Brumme: Nein, Silvester wurde sehr, sehr zurückhaltend gefeiert. Es werden natürlich auch keine Raketen oder Böller verschossen. Das ist eine Gemütsverfassung, die sehr gedämpft ist, wo alle wissen, das Grauen wird nicht aufhören. Es wird weiterhin diesen furchtbaren Krieg geben, wahrscheinlich noch einige Jahre lang. Also es wird nicht getanzt und gefeiert in solch einer Nacht.

SWR1: Heute Morgen soll es einen Angriff ukrainischer Drohnen auf die russische Stadt Belgorod gegeben haben. Wie nehmen Sie sowas wahr und die Menschen um Sie herum? Fühlt sich das an wie Genugtuung oder haben da auch welche Angst, dass man stärkere russische Angriffe herausfordert?

Brumme: Laut meinen Informationen war das eine russische Rakete, die zu früh heruntergegangen ist in Russland selber. Also Ukrainer beschießen keine zivilen Ziele in Russland, nur militärische Ziele. Aber alle erfolgreichen Treffer wecken natürlich Genugtuung.

SWR1: Was wünschen Sie sich persönlich für das neue Jahr?

Brumme: Vor allem, dass meine deutsche Bundesregierung und mein, in Anführungsstrichen, Bundeskanzler endlich die wichtigen Entscheidungen trifft und den Ernst der Lage begreift.

Das Gespräch führte SWR1 Moderator Michael Lueg.

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