11. September: Was für ein Schreck! In der Dresdner Innenstadt ist in der Nacht ein Teil der Carolabrücke über der Elbe eingestürzt. Glücklicherweise wurde niemand verletzt. Betroffen ist der von Straßenbahnen, Fußgängern und Radfahrern genutzte Teil. Die Gleise sind nicht komplett durchgebrochen, sondern spannen sich über die noch stehenden Brückenpfeiler. Die Brücke war sanierungsbedürftig. Der von Autos befahrene Teil der Brücke war bereits fertig saniert, die Straßenbahnbrücke wäre als nächstes dran gewesen.

Marode Brücken in Deutschland

Brückensanierung: "Wenn wir so weiter arbeiten, brauchen wir 40 Jahre"

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Claudia Deeg
SWR1 RP Moderatorin Claudia Deeg
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Nach dem Teileinsturz der Dresdner Carolabrücke fordert Bauexperte Manfred Curbach mehr moderne Technik bei der Sanierung von Brücken.

Ein 100 Meter langes Stück der Carolabrücke in Dresden ist eingebrochen und in die Elbe gestürzt. 8.000 Brücken in Deutschland sind in sehr schlechtem Zustand. Was jetzt geschehen muss, darüber haben wir mit Manfred Curbach gesprochen. Er ist Professor für Massivbau an der Fakultät für Bauingenieurwesen an der Technischen Universität in Dresden.  

SWR1: Es heißt, die Ursache für den Einsturz der Brücke in Dresden war vielleicht Korrosion durch Chlorid. Heißt das, Brückenteile sind quasi zerfressen worden?

Prof. Manfred Curbach: Ich würde mich ungern an Spekulationen beteiligen. Ich habe mehrere Überlegungen, was die Ursache sein könnte. Die Chlorid induzierte Korrosion gehört dazu, aber es gibt auch noch andere Möglichkeiten. Wahrscheinlich war es eine Kombination, mehrere Ursachen, die sich morgens um drei Uhr unglücklich überlagert haben.

SWR1: Wir haben diesbezüglich in Rheinland-Pfalz nachgefragt bei der zuständigen Behörde, dem Landesbetrieb Mobilität. Andreas Jackmuth von der Fachgruppe für Bauwerksprüfung sagt, es gibt keine Brücke in Rheinland-Pfalz, über die er nicht mit seiner Familie ruhigen Gewissens gehen oder fahren würde. Er sieht aber auch ein Personalproblem beim Überprüfen der Brücken. Hören Sie ihm bitte mal zu.

(Einspieler) Andreas Jackmuth: Wir beim Landesbetrieb Mobilität haben über 200 offene Ingenieur- und Technikerstellen. Darüber hinaus zeichnet sich aufgrund der demografischen Entwicklung schon ab, dass 30 Prozent der derzeitigen Kollegen uns in den nächsten zehn Jahren verlassen werden. Da sehe ich persönlich das größte Risiko für die Bauwerkserhaltung.

SWR1: Was sagen Sie dazu? Ist das auch aus Ihrer Sicht das größte Problem?

Curbach: Das ist eines der ganz großen Probleme, die wir angehen müssen. Wenn wir mal eine einfache Rechnung machen: Wir wissen, dass im Moment ungefähr 8.000 Brücken im Bundesgebiet nicht in dem Zustand sind, in dem sie sein sollten und deshalb diese entweder saniert oder durch einen Neubau ersetzt werden sollen.

Im Moment schaffen wir in Deutschland ungefähr 200 Brücken pro Jahr zu sanieren oder neuzubauen. Das heißt, bei 8.000 Brücken bräuchten wir 40 Jahre, um alle Brücken zu erfassen und zu sanieren oder neuzubauen.

SWR1: Das geht nicht gut...

Curbach: Das hat auch Bundesverkehrsminister Wissing festgestellt und gesagt, dass wir 400 Brücken pro Jahr schaffen wollen.

SWR1: Das reicht aber nach Ihrer Rechnung immer noch nicht.

Curbach: Dann haben wir immerhin in 20 Jahren alles einmal durch. Jetzt haben wir aber das Problem, dass wir mit sinkenden Personalzahlen nicht nur in der Verwaltung, sondern auch in den Büros und Baufirmen arbeiten müssen. Das heißt, wenn wir einfach genauso weiter arbeiten wie heute, werden wir eher langsamer werden als schneller.

SWR1: Was kann uns da helfen? Moderne Technik?

Curbach: Genau das ist es. Wir brauchen neue, andere Materialien, Materialkombinationen, Verfahren, Techniken, Robotereinsatz, um die Effizienz beim Sanieren und beim Neubau von Brücken drastisch zu steigern [...].

Wir investieren im Moment all diese Innovationen, die wir so dringend brauchen, viel zu wenig Geld. Nur hier haben wir einen Hebel, indem wir neue Materialien, neue Verfahren entwickeln, die effizienter sind, können wir etwas gegen den Schwund bei Personal tatsächlich tun und insgesamt mehr schaffen als in der Vergangenheit.

Das Gespräch führte SWR1 Moderatorin Claudia Deeg.

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