SWR1: Gibt es so etwas wie die ideale Bettdecke, die wärmt, die Tiere schont und den Schlaf ideal fördert?
Dr. Hans-Günter Weeß: Nein, das gibt es nicht. Das hängt immer ein bisschen vom Individuum ab. Aber es gibt schon einige Orientierungspunkte, die man berücksichtigen muss. Es muss so sein, dass die Bettdecke die Regulation von Wärme und Feuchtigkeit optimal fördert. Da ist es von Vorteil, weniger Synthetik zu nutzen. Das gilt sowohl für die Decke als auch für den Pyjama, weil es die Feuchtigkeit nicht so gut ableitet. Dann würde man so schlafen, wie wenn man in Zellophanfolie eingewickelt wäre.
SWR1: Was hat es mit besonders schweren Decken auf sich, die vor allem Menschen, die nur schlecht einschlafen können, helfen sollen?
Weeß: Es gibt tatsächlich einzelne Studien, die vor allem darauf hindeuten, dass diese bei ganz schweren Schlafstörungen in Kombination mit depressiven Störungen oder Angststörungen, im Einzelfall eine schlaf-fördernde Wirkung haben. Aber ich möchte es eigentlich nicht verallgemeinern, weil wir dazu viel zu wenige Studiendaten haben.
SWR1: Gibt es den idealen Schlafanzug oder das ideale Nachthemd? Kann das in diesen Zeiten, in denen es kühler wird, auch ein dicker Jogginganzug, plus Strickjacke und Wollsocken an den Füßen, sein?
Weeß: Also die Bettsocken würde ich absolut unterstützen, weil die Wärme die Einschlafzeit bis zu 10-15 Minuten verkürzt. Das zeigen auch Studien. Das funktioniert auch, wenn man sich zum Beispiel eine Wärmflasche an die Füße legt.
Was den Pyjama angeht, da hängt es von den Vorlieben des Einzelnen ab. Manche tragen, weil sie eher zum Schwitzen neigen, etwas Leichteres. Andere brauchen es mollig-warm. Zehn Prozent der Deutschen schlafen ohne Pyjama. Auch das kann Vorteile haben. Wir verlieren nachts bis zu einem Liter Flüssigkeit. Deshalb sollte man grundsätzlich beachten, dass der Pyjama, die Bettdecke und auch die Matratze diese Feuchtigkeit aufnehmen und abführen können. Und es sollten natürlich auch Materialien sein, die gut lüftbar und gut waschbar sind.
SWR1: Wie oft sollte die Bettwäsche denn gewaschen werden?
Weeß: 40 Prozent der Deutschen wechseln die Bettwäsche nur alle drei Wochen. Das ist eine gute Grundlage für Milben und anderes Getier. Besser ist es, die Bettwäsche wöchentlich zu wechseln. Man sollte auch regelmäßig lüften. Da sind die Deutschen dann wieder Weltmeister. Da ist es so, dass die Deutschen, im internationalen Vergleich, ihr Schlafzimmer sehr häufig, nämlich mindestens einmal die Woche, sehr gründlich lüften.
Ökochecker Welche Bettdecke passt zu mir?
Welche Bettdecke ist die beste für guten Schlaf? Ob Daune, Kamelhaar, Wolle oder Polyester - die Auswahl ist groß. Wo passen Wohlfühl-Faktor, Material und Nachhaltigkeit zusammen?
SWR1: Momentan kommen ja Seitenschläferkissen in Mode. Ist das sinnvoll oder überflüssig?
Weeß: Auch hier hängt es wieder vom Individuum ab. Und davon, ob es orthopädische Probleme gibt, im Schulter- und Nackenbereich. Das Kissen sollte grundsätzlich so gestaltet sein, dass es in den bevorzugten Schlafpositionen den Kopf und den Hals gut abstützt. Manche mögen es da ein bisschen höher, andere ein bisschen flacher.
Was die Größe des Kopfkissens angeht, denke ich, dass die 40 x 80 Zentimeter-Formate, insgesamt positiver zu bewerten sind als 80 x 80 Zentimeter, weil bei kleineren Kissen die Schulter nicht mehr auf dem Kissen liegt. Die kann dann tiefer in die Matratze einsinken und das beugt dann letztendlich dem Schulter-Nacken-Syndrom ein Stück weit vor.
SWR1: Seit Beginn der sogenannten Energiekrise sparen wir Heizkosten. Das heißt, es ist dann oft nachts kühler in der Wohnung. Macht das was mit unserem Schlaf?
Weeß: Je kühler, desto besser für den Schlaf, weil die Körperkerntemperatur dann besser fallen kann. Und wir brauchen eine fallende Körperkerntemperatur, um tief und fest schlafen zu können. Wir dürfen das natürlich nicht übertreiben. Denn wenn wir es so kühl machen, dass wir dann letztendlich mit klappernden Zähnen im Bett liegen, dann ist es zu kühl, und das ist körperlicher Stress. Und der verhindert Schlaf. Genauso ist es, wenn es zu warm ist.
SWR1: Stress nimmt man oft mit ins Bett. Was raten Sie in solchen Fällen?
Weeß: Ja, es ist tatsächlich eine Ursache für viele Schlafprobleme der Deutschen, dass sie die großen und kleinen Sorgen mit ins Bett nehmen. Dort kreisen dann die Gedanken. Viele können dieses Gedankenkarussell nicht mehr stoppen. Das führt zu einer Anspannung. Viele ringen dann auch noch um den Schlaf. Die kämpfen mit ihrem Kissen, schauen immer wieder auf den Wecker, wann sie denn endlich einschlafen. Das macht zusätzlich Stress. Und genau diese Anspannung ist der Feind des Schlafes.
"Zu-Bett-geh-Rituale" sind nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene gut, um mit dem Tag richtig abzuschließen. Da kann man dann vielleicht nochmal über die belastenden Dinge nachdenken, aber diese dann auf die Seite legen – mit dem festen Vorsatz, dass wir über Nacht in den Urlaub gehen. Dass wir uns in unserem Schlafzimmer, in unserer Wohlfühl-Oase völlig entpflichten, bis am nächsten Morgen der Wecker klingelt. Und dann sollte eigentlich dem süßen Schlummern nicht mehr viel im Wege stehen.
SWR1: Was halten Sie von pflanzlichen Schlafmitteln, wie Johanniskraut?
Weeß: Es gibt nicht die entsprechenden Studien, die besagen, dass diese pflanzlichen Mittel tatsächlich bei bedeutsamen Schlafstörungen helfen. Es mag vielleicht zu sein, das einzelne Substanzen wie zum Beispiel Lavendelöl oder hochdosiertes Baldrian bei leichten Schlafproblemen zu einer Beruhigung beitragen, sodass der Schlaf etwas besser kommen kann. Aber bei bedeutsamen Schlafproblemen sehe ich das eher kritisch. Besser, man wird zu seiner eigenen Schlaftablette und lernt wieder abzuschalten, sich zu entpflichten, sich entsprechend selbst zu beruhigen. Dann hat es auch eine zeitlich überdauernde Wirkung, wenn man Schlafen wieder richtig gelernt hat.
SWR1: Viele Leute haben kein Problem damit, gut einzuschlafen, werden aber nachts oft wach. Gibt es einfache Tipps gegen das Wachwerden?
Weeß: Wenn wir nachts wach werden, gehört das zum Schlafen mit dazu. Das ist ganz fest in unseren Genen verankert. Früher war ja der Schlaf ein hochgefährlicher Zustand, als wir noch in der freien Prärie geschlafen haben. Da war es wichtig, dass wir immer wieder wach werden und nachschauen, ob der Tiger kommt. Wir wachen alle in der Nacht zwischen zehn und 25 Mal auf.
Selbst wenn wir den Eindruck haben, dass wir durchgeschlafen haben, waren wir wach. Aber wir waren eben nicht so lange wach, dass es ins Langzeitgedächtnis geht, dass wir uns am nächsten Tag daran erinnern können. Das ist auch in Ordnung so. Ich plädiere immer für Gelassenheit dabei, wenn wir nachts mal wach werden. Das gehört zum Schlafen mit dazu. Nur bitteschön nicht den Alltag ins Bett holen, dann schläft man auch rasch wieder ein.
SWR1: Was halten Sie von Tageslichtlampen. Haben diese Lampen auch einen Effekt auf den Schlaf?
Weeß: Absolut. Mindestens 70 Prozent der Bevölkerung reagieren positiv auf diese Tageslichtlampen. Hier ist allerdings zu beachten, dass man sie morgens nach dem Aufstehen anwenden muss. Und sie müssen eine ausreichende Lichtintensität von 10.000 Lux haben. Man sollte sie dann mindestens dreißig Minuten sehr nahe am Kopf haben. Und dann wird Melatonin, unser Schlafbotenstoff, unterdrückt, und wir sind am Tage leistungsfähiger. Die Stimmung ist besser. Wir neigen nicht so zu depressiven Verstimmungen.
Wieso kann eine Tageslichtlampe das Gemüt aufhellen? Was passiert dabei im Gehirn?
Und abends, wenn es dunkel wird, kann sich das Melatonin wieder besser produzieren, die Schlafbereitschaft ist höher. Aber Vorsicht am Abend, wenn wir Zimmerbeleuchtung nutzen, die Blaulichtanteil hat. Neuere Studien zeigen uns, dass dann das Melatonin nicht so gut produziert wird. Wir werden nicht müde. Also eine Stunde, bevor man ins Bett geht, alle Blaulicht-Quellen ausschalten oder stark dimmen.
Das Gespräch führte Hanns Lohmann.