Das neue Solo-Album soll künstlerisch besser werden als die drei vorangegangenen LPs. Aber kurz vor Ende der Aufnahme-Sessions stirbt sie an einer Überdosis Heroin.
"Live fast, love hard, die young!"
Joplin und die Drogen - ganze Bücher drehen sich allein um dieses Thema. Denn es ist einfach zu faszinierend, zu tragisch, zu berühmt, als dass man das alles links liegen lassen könnte. Joplin gehört zum legendären "Club 27" - also zu den Rockstars, die im Alter von 27 ums Leben kommen. Das Motto all dieser Rockstars lautet seit den 60er Jahren: "Live fast, love hard, die young!". Also frei übersetzt: "Lebe auf der Überholspur, betreibe ein exzessives Liebesleben, stirb früh!" Joplin ist ein Paradebeispiel für dieses Motto. Sowohl an Liebhabern als auch an Liebhaberinnen fehlt es nicht. Und die Drogen sind ständiger Begleiter.
Früh verlässt sie die texanische Heimat. Der konservative und zutiefst rassistische Mief dort hängt ihr zum Hals heraus. An der Schule wird sie bis aufs Blut gemobbt. Ihr Hippie-Äußeres sorgt für Provokationen. Berühmt wird die Schmähung, von der sie später immer wieder erzählen wird: Man habe sie als den "hässlichsten Mann der ganzen Schule" bezeichnet.
Die besten Freunde: Heroin und "Southern Comfort"
Ihre außergewöhnliche Stimme lässt in ihr einen Wunsch aufkommen: Sie will Sängerin werden. Und sie versucht es. Leider ausgerechnet in San Francisco. Die Hippie-Hochburg ist unglücklicherweise auch die Hochburg der Drogen. Und Janis Joplin ist früh abhängig von Heroin und von hartem Alkohol. "Southern Comfort" ist ihre Lieblings-Marke. Je berühmter sie wird, umso häufiger wird sie mit genau dieser Marke abgelichtet (entsprechende Poster von ihr haben heute Kultstatus). Als sie einmal beim Hersteller vorsichtig nachfragt, ob das nicht eigentlich Werbung sei, überweist ihr das Unternehmen immerhin 6.000 Dollar. Auf heute und in Euro umgerechnet entspricht das einer Summe von 40.000 Euro. Durchaus eine übliche Summe für Leute, die schon bekannt sind, aber noch keine Superstars.
Immer diese miesen Begleitbands!
Und 1970 ist Janis Joplin einigermaßen bekannt, aber längst kein Star. Sie hat zwar Auftritte in Europa und Nordamerika (und an jeder Grenze stirbt die Band tausend Tode, weil jeder weiß, dass Janis heftige Drogen im Gepäck hat). Aber als Durchbruch kann man das noch nicht bezeichnen. Drei LPs hat sie bisher herausgebracht. Aber bei den ersten beiden Alben ist sie "nur" Teil einer Band - und diese Band verlässt sie schnell, weil Kritikern sofort auffällt: Sie ist besser als die anderen, bei denen sie da mitmacht!
Diese Gruppe hat nicht nur einen sperrigen Namen, sie klingt auch handwerklich nicht besonders gut: Man muss nach "Big Brother and the Holding Company" Ausschau halten, wenn man sich die ersten beiden Studio-Alben von Janis Joplin anhören will. Aber auch beim ersten Solo-Album heißt es: Die Begleitung könnte besser sein. Die Begleitung, die 1969 so schlecht wegkommt, nennt sich die "Kozmic Blues Band". Und 1970 soll also endlich alles anders werden.
Nur ein Lied bleibt unvollendet
Sie kann also schon drei Studio-Alben vorweisen. Und drei Fernseh-Auftritte hat Janis Joplin mittlerweile auch schon hinter sich. Jedenfalls drei Fernseh-Auftritte, die landesweit zu sehen waren. Und alle drei ausschließlich in der Show von Dick Cavett, bei dem sie sich einigermaßen wohlzufühlen scheint (auch wenn die Interviews dort zugegeben nur wenig hergeben). Der letzte Auftritt dort im August 1970 wird ihr letztes Interview zu Lebzeiten sein.
Als Show-Act präsentiert sie eine neue Begleit-Band, die hauptsächlich aus jungen Kanadiern besteht. Und hier scheint die Chemie endlich zu stimmen. Im September starten die Aufnahmen zur neuen LP. Sie wird "Pearl" heißen. Es ist der Spitzname von Janis Joplin. Es sind Klassiker drauf wie das Kris-Kristofferson-Cover "Me and Bobby McGee" oder auch "Mercedes Benz". Die Aufnahmen sind am 1. Oktober fast fertig. Nur bei "Buried alive in the Blues" fehlt noch der Gesang.
Dann ist langes Wochenende. Am Montag soll sie den fehlenden Part einsingen. Es ist der 4. Oktober 1970. Band-Mitglieder wundern sich, wo die Sängerin bleibt. Aber sie wird nicht mehr auftauchen. Janis Joplin liegt tot in ihrem Hotelzimmer in Hollywood. Gar nicht weit weg vom Tonstudio. Sie ist 27. Nur zwei Wochen davor war Jimi Hendrix gestorben. Drei Monate später erscheint "Pearl" mit dem unfertigen "Buried alive in the Blues". Die LP wird zum kommerziellen Riesen-Erfolg – wie so oft bei Künstlern, die kurz vor Veröffentlichung gestorben sind.