Sarah Voss setzte am Mittwoch bei ihrer Übung am Schwebebalken ein Zeichen: keine kurze, knappe Kleidung, dafür bedeckte Arme und Beine. Gerade im Turnsport, der von Ausdruck und Ästhetik geprägt ist, sind enganliegende, und besonders bei Frauen auch beinfreie Anzüge die Norm. Und das, obwohl sich Sportlerinnen aus der Praxis einig sind: kurz geschnittene Turnanzüge sorgen für Unwohlsein. Es gehört schließlich dazu, dass die Beine gespreizt und gegrätscht werden – und "wenn nur minimal was verrutscht, dann sieht jeder mehr, als er sehen sollte.", so die Stuttgarterin Elisabeth Seitz im Rahmen einer exklusiven SWR-Umfrage zum Sexismus im Spitzensport.
Langbeinige Anzüge sind erlaubt
Der internationale Welt-Turnverband (FIG) und auch der Deutsche Turner-Bund sind der Meinung, Athletinnen müssten sich jederzeit in ihrer Bekleidung wohlfühlen. Zwar ist es erlaubt, im Wettkampf eine langbeinige Hose oder einen langbeinigen Gymnastikanzug zu tragen, in der Praxis wird dies jedoch kaum umgesetzt. Sarah Voss setzte in Basel einen ersten wichtigen Schritt:
Sie möchte jüngeren Turnerinnen damit eine Möglichkeit aufzeigen, wie sie sich auch in einer anderen Bekleidungsform ästhetisch präsentieren können, "ohne sich bei bestimmten Elementen unwohl zu fühlen", begründete Sarah Voss ihre Entscheidung.
Vorbild Voss, Seitz und Bui
Auch ihre Teamkolleginnen, die Stuttgarterinnen Elisabeth Seitz und Kim Bui, werden sich ihr anschließen: beim Mehrkampf-Finale am Freitag (13:30 Uhr) werden auch sie in einem unüblichen, langbeinigen Turnanzug auftreten. Die Cheftrainerin Ulla Koch äußerte sich ebenso zustimmend:
Und weiter: "Ich hoffe, dass unsere Athletinnen mit diesem Zeichen die jungen Turnerinnen nicht nur im Leistungs-, sondern auch im Breitensport erreichen und ihnen damit diese Möglichkeit der Bekleidung näherbringen. Niemand sollte gezwungen werden, sich in einer Sportart aufgrund der Bekleidung unwohl zu fühlen."
Es könnte ein erster großer Meilenstein in der für Frauen häufig unangenehmen Welt der Wettkampfbekleidung sein. Das meint auch der Deutsche Turner-Bund: das Wohlbefinden aller Athletinnen in Turn-Sportarten könne gestärkt, und eine offene Kultur im Tragen der Sportbekleidung geschaffen werden.
Seitz und Bui im Finale
Die deutsche Rekordmeisterin Elisabeth Seitz aus Stuttgart steht nicht nur im Mehrkampf-Finale am Freitag, sondern qualifizierte sich auch für das Finale am Stufenbarren. Ihre Vereinskollegin Kim Bui qualifizierte sich neben dem Mehrkampf noch für das Finale am Boden.