Die deutsche Rekordmeisterin Elisabeth Seitz hat als erste aktive Spitzen-Turnerin eine Aufarbeitung der Missbrauchsvorwürfe am Bundesstützpunkt Stuttgart und Veränderungen gefordert. Turnen sei ihr Sport, ihre große Leidenschaft und dies wolle sie den vielen Menschen vermitteln, schrieb die 31-Jährige in einem Instagram-Post. "Allerdings müssen für die Zukunft Missstände behoben und die Menschen zur Verantwortung gezogen werden, die diese verursachen", forderte die Stuttgarterin.
Am Wochenende hatten, angeführt von den ehemaligen Auswahl-Turnerinnen Tabea Alt und Michelle Timm, mehrere Sportlerinnen Missstände am Kunstturnforum Stuttgart öffentlich gemacht. Angeprangert wurden "systematischer körperlicher und mentaler Missbrauch" und katastrophale Umstände. Gegenüber SWR Sport erklärte die ehemalige Spitzen-Turnerin Kim Bui am Montag, dass sie nicht überrascht sei: "Es war nur eine Frage der Zeit", bis das Thema aufkommen würde, so die 35-Jährige.
FAQ zum Turnen Turnerinnen erheben schwere Vorwürfe - Wie ist der aktuelle Stand? Wie geht es weiter?
Die schweren Vorwürfe gegen die Verbände DTB und STB sowie den Stützpunkt Stuttgart erschüttern das deutsche Turnen. SWR Sport gibt einen Überblick über den aktuellen Stand der Dinge (01.01.).
Elisabeth Seitz: "Es ist nicht normal"
Die Aussagen, Vorwürfe und Beschuldigungen, die man in den letzten Tagen lesen musste, würde man leider nicht zum ersten Mal hören, schrieb Ex-Europameisterin Seitz. "Früher dachte ich, das sei normal. Heute kann ich sagen: Es ist nicht normal. Es muss sich etwas ändern, um endlich ein gesundes Umfeld für alle zu schaffen", forderte sie. Erfolg sei nur dann wirklich einer, wenn er auf die richtige Art und Weise erzielt werde. "Obwohl ich auch die guten Seiten kenne, bin ich der Meinung: Es muss sich für die Zukunft im deutschen Frauenturnen etwas ändern!", erklärte die Stufenbarren-Spezialistin.
Turnen | DTB Kim Bui zu Vorwürfen gegen Turnerbund: "Es war nur eine Frage der Zeit"
Der Deutsche Turner-Bund steht wegen seines Umgangs mit Athletinnen massiv in der Kritik. Die ehemalige Top-Turnerin Kim Bui äußert sich gegenüber SWR Sport zu den schwerwiegenden Vorwürfen.
DTB kündigt Aufklärung an
Der Deutsche Turner-Bund (DTB) hatte Aufklärung durch eine Untersuchung angekündigt. Zudem seien Sofortmaßnahmen initiiert worden. Ihm und dem Schwäbischen Turner-Bund (STB) lägen "konkrete Informationen zu möglichem Fehlverhalten von Seiten verantwortlicher Trainer am Bundesstützpunkt in Stuttgart vor", teilte der Verband mit. Derweil hat sich die Vereinigung Athleten Deutschland nach den öffentlich gemachten Missbrauchsvorwürfen bestürzt gezeigt. "Die Schilderungen von gravierenden Missständen im deutschen Turnsport haben uns tief erschüttert", teilte Athleten Deutschland in einem Schreiben mit, das auch dem SWR vorliegt. Man fühle mit den Turnerinnen, die "großen Mut bewiesen und ihre erschreckenden Erfahrungen öffentlich gemacht haben", hieß es weiter. "Allerdings dürften die Vorwürfe Kenner des Turnsports und der Safe-Sport-Debatte nicht unbedingt überraschen."
Turnen Verbände reagieren mit neuem Statement auf schwere Vorwürfe zahlreicher Turnerinnen
Der Deutsche Turner-Bund und der Schwäbische Turnerbund bedauern in einer weiteren Stellungnahme die Erfahrungen der Athletinnen. Gleichzeitig betonen sie, in der Vergangenheit nicht untätig gewesen zu sein.
Athleten Deutschland: Safe Sport Code zügig umsetzen
Mit dem Safe Sport Code, der Anfang Dezember auf der Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) verabschiedet wurde, soll interpersonale Gewalt im Sport auch unterhalb der Strafrechtsschwelle rechtssicher geahndet und sanktioniert werden können. Insbesondere auch im Spitzensport müsse die Umsetzung des Safe Sport Codes nun zügig vorangetrieben werden, gab Athleten Deutschland bekannt. Außerdem fordert die Interessenvertretung der Athletinnen und Athleten wie auch Seitz eine zügige Aufarbeitung. "Auch um fortwährendes Fehlverhalten und damit potenziell andauerndes Leid weiterer Athletinnen zu verhindern."