Mit 1,84 Meter Körpergröße war Per Günther als Basketballer verhältnismäßig klein. In der Klubgeschichte von ratiopharm Ulm ist er aber der Größte. Die Fans betitelten ihn einst als den "König von Ulm", Begriffe wie Legende oder Vereinsikone sind in seinem Fall keine Übertreibung. Daher verwundert es auch nicht, dass sein Trikot am Samstagabend vor dem Schwabenderby gegen die Tigers Tübingen an die Hallendecke der Ulmer Arena gezogen wurde.
Für den heute 35-Jährigen war es ein emotionaler Moment, den er mit Freunden, Familie und alten Weggefährten genießen konnte. "Es ist unglaublich besonders für mich. Es ist das erste Trikot, das unter die Hallendecke gezogen wurde, obwohl es auch andere prägende Namen in der Klubgeschichte gibt", sagte Günther nach der Ehrung im Interview mit SWR Sport.
Per Günther ist "die prägende Figur des Ulmer Basketballs"
Thomas Klepeisz, Günthers ehemaliger Mitspieler und der heutige Kapitän von ratiopharm Ulm, sprach "von einem Gänsehautmoment" und betonte, dass es "keinen Spieler gibt, der diese Ehrung mehr verdient hat". Auch Thorsten Leibenath, lange Zeit Trainer in Ulm und seit einigen Jahren Sportdirektor, hebt Günthers Bedeutung für den Klub hervor: "Per ist die prägende Figur des Ulmer Basketballs. Da wo wir jetzt sind, wären wir niemals ohne ihn."
14 Jahre, 500 Bundesligaspiele, ein Verein
Dass Per Günther der erste Spieler ist, dem diese Ehrung in der Ulmer Klubgeschichte zuteil wird, ist nur folgerichtig. Der Aufbauspieler kam 2008 als 20-Jähriger vom Zweitligisten Phoenix Hagen nach Ulm und blieb dort bis er seine Karriere zum Ende der Saison 2021/2022 beendete. Günther lief in 500 Bundesligaspielen auf, erzielte dabei 4.449 Punkte und verteilte 1.556 Assists. Alles für einen Klub. Alles für ratiopharm Ulm.
Mit dem gebürtigen Gießener entwickelte sich etwas in Ulm. In Günthers erster Saison gelang den Schwaben zum ersten Mal seit der Klubgründung 2001 der Einzug in die Playoffs der Basketball-Bundesliga (BBL). Nur drei Jahre später standen die Ulmer im Finale um die deutsche Meisterschaft und waren von der Kuhberghalle in die neugeschaffene ratiopharm-Arena umgezogen.
In Günthers bester Zeit wird Ulm zum BBL-Spitzenteam
Das von Günther angeführte Team sorgte in Ulm für einen regelrechten Basketball-Hype und etablierte sich in der Spitzengruppe der BBL. 2013 und 2014 standen die Schwaben im Finale um den deutschen Basketball-Pokal. 2016 erreichte der Klub erneut die BBL-Finalserie. In der Saison 2016/2017 stellten die Ulmer mit 27 Siegen in Serie zudem eine bis heute unerreichte Bundesliga-Bestmarke auf. Großen Anteil an diesen Erfolgen hatte Per Günther, der sich während dieser Jahre auf dem Höhepunkt seiner sportlichen Leistungsfähigkeit befand.
Per Günther ist Kult im deutschen Basketball
Günther, der zwischen 2009 und 2013 insgesamt 65 Mal für die deutsche Nationalmannschaft auflief, war aber nicht nur ein Aushängeschild des Ulmer Basketballs und lange Zeit einer der besten Aufbauspieler der BBL. Per Günther war und ist Kult. Der Lockenkopf wurde von 2012 bis 2016 fünf Mal in Folge von den Fans zum beliebtesten Spieler der Liga gewählt - so oft wie kein anderer. Er war schon immer ein Typ, der nicht davor zurückschreckte, seine Meinung zu sagen und stets einen lockeren Spruch auf den Lippen zu haben.
Legendär ist seine Wutrede im Ulmer "Radio7" zum Thema Doping-Kontrollen aus dem Jahr 2013. Darin schilderte der damals 25-jährige Nationalspieler seine Erfahrungen während einer Kontrolle um kurz nach 6:00 Uhr morgens und machte damit auf den in seinen Augen 'System-Wahnsinn' aufmerksam: "Du musst deine Hose bis zu den Knöcheln runterziehen, wie ein Kleinkind. Du musst, was immer du oben anhast, das T-Shirt unter dein Kinn klemmen [...] dann musst du vor dem Kontrolleur, während er dir aus ungefähr 30 Zentimetern Entfernung auf deinen Penis guckt, in so’n Plastikbecher pinkeln, mindestens 90 Milliliter."
Der nahbare Publikumsliebling
Bei den Ulmer Fans wurde Günther aber nicht nur wegen seiner ungeschminkten Aussagen sowie seiner starken Leistungen zum Publikumsliebling, der gebürtige Hesse war stets ein nahbarer und auf dem Boden gebliebener Bundesliga-Basketballer. Das zeigte sich auch bei seiner Ehrung am Samstagabend. Schon vor und während dem Spiel erfüllte Günther spontane Autogramm- und Fotowünsche.
Nach dem Spiel nahm sich der ehemalige Basketballer noch einmal reichlich Zeit für seine Fans, die ihn so lieben. "Wir haben so viel Zeit miteinander verbracht, wir haben viel miteinander gelitten und viele Erfolge miteinander gefeiert. Da freue ich mich, wenn ich jetzt noch das T-Shirt, das schon seit fünf Jahren im Schrank liegt, unterschreiben kann oder nochmal ein Foto machen kann", sagte er. Per Günther ist eine Ulmer Vereinslegende zum anfassen und nun für immer mit dem Klub und der Arena verbunden. Sein Trikot hängt unter dem Hallendach, seine Nummer 6 wird bei ratiopharm Ulm nicht mehr vergeben.