Es lief die 86. Spielminute im Spiel gegen Borussia Mönchengladbach, als es in der Stuttgarter Arena noch einmal laut wurde. Und zwar viel lauter als bei den vier VfB-Toren zuvor. Die Fans rasteten aus - doch nicht wegen des fünften Treffers der Schwaben. Die Anhänger schrien ihre Freude heraus, weil auf der Anzeigetafel gerade das 3:2 der Hoffenheimer gegen den FC Bayern eingeblendet worden war. Wenig später folgte die Kunde vom 4:2 der Kraichgauer, gleichzeitig der Endstand gegen den FCB. Da der VfB am 34. Spieltag seine furiose Saison noch einmal krönte und 4:0 gegen Gladbach gewann, war dann klar: Stuttgart hat die Bayern auf den letzten Metern der Spielzeit noch überholt und ist sensationell Vizemeister.
Danach konnte die Party in der Arena starten. Die Fans blieben noch bis weit nach Schlusspfiff im Stadion und ließen ihre Helden gebührend hochleben. Die Spieler kletterten auf den Zaun der Cannstatter Kurve und bedankten sich für den Support der Anhänger.
Deniz Undav: "Saison bekommt die Note Eins plus"
"Ich bin überglücklich. Es ist eine überragende Saison gewesen, wir haben überragenden Fußball gespielt", jubelte Nationalspieler Deniz Undav und gab der Spielzeit schlicht die Note "Eins plus". "Wir haben History für den Verein gemacht. Es gibt nichts besseres im Fußball. Wir wären gern Meister geworden, aber dafür war Leverkusen zu stark. Es hätte trotzdem nicht besser laufen können für mich und für uns. Überragende Mannschaft, sensationeller Trainer, überragende Typen!"
In seinem womöglich letzten VfB-Spiel hatte Doppelpacker Serhou Guirassy (23. Minute/31.) seine Saisontreffer 27 und 28 für die Schwaben erzielt. Gegen überforderte Gladbacher legten in der zweiten Halbzeit die beiden Einwechselspieler Woo-yeong Jeong (75.) und Silas (83.) nach.
Saison der Rekorde für den VfB Stuttgart
Für den VfB Stuttgart war es eine Saison der Rekorde. 73 Zähler sind drei Punkte mehr als die bisherige Bestmarke aus der Meistersaison 2006/2007 (70). Zehn Auswärtssiege gab es noch nie. Sich im Vergleich zur Vorsaison um 14 Tabellenplätze zu verbessern ist eingestellter Bundesliga-Rekord zwischen zwei aufeinanderfolgenden Spielzeiten. Das war zuvor nur Werder Bremen 1967/68 gelungen (auch von Rang 16 auf 2). Guirassy erzielte zwölf Mal den 1:0-Führungstreffer, eingestellte Bundesliga-Bestleistung (wie Stefan Kießling 2012/13, Ailton 2003/04 und Gerd Müller 1969/70).
Wie geht es weiter mit Serhou Guirassy?
Guirassys 28 Tore sind auch ein Rekord - das gab es zuvor noch nie beim VfB Stuttgart. Der guineisch-französische Angreifer wird in verschiedenen Medien bereits seit längerem mit einem Abgang im Sommer in Verbindung gebracht. Denn der 28-Jährige verfügt über eine kolportierte Ausstiegsklausel in Höhe von 20 Millionen Euro, damit wäre er ein Schnäppchen. Bei den Schwaben bleibt man indes cool und verweist auf die beiden letzten Wechselperioden, in denen es ähnlich war, Guirassy aber dem Verein mit dem Brustring letztlich erhalten blieb.
Auch Guirassy stand nach dem Spiel auf dem Zaun und richtete seine Worte an die Fans. "Me and the team are all very happy", sagte er auf englisch. "You support us the whole season. Thank you. Next season will be difficult, but I hope, the next year will be better!" Er bedankte sich also bei den Fans und blickte bereits auf die nächste Spielzeit voraus. Spricht so einer, der bald weg ist? Es dürfte für die Stuttgarter Anhänger eine spannende Transferzeit werden.
VfB-Coach Sebastian Hoeneß ist komplett überwältigt
Doch das ist Zukunftsmusik - nach dem Gladbach-Spiel war in der Arena erstmal Party angesagt. Spieler und Fans genossen den Schlusspunkt einer grandiosen Saison. "Das Gefühl ist nicht zu beschreiben. Ich muss das alles erstmal sacken lassen und bin komplett überwältigt", sagte Coach Sebastian Hoeneß gegenüber SWR Sport. "Wir hatten erneut enorme Qualität auf dem Platz. Dann kommt auch so ein Fußballfest zustande."
"Wir haben Geschichte geschrieben und alles noch einmal abgeräumt"
Der 42-Jährige, der nach Spielende von seinen Spielern gejagt und mit Champagner überschüttet wurde, gab zu: "Als das 3:2 der Bayern eingeblendet wurde - das hat schon etwas mit mir gemacht. Wir haben Geschichte geschrieben und alles noch einmal abgeräumt! Es ist ein Unterschied, ob du Vizemeister bist oder Dritter. Das steht jetzt erst mal."
Die Saison des VfB Stuttgart endet also mit einem Highlight - und die neue Spielzeit könnte mit einem absoluten Höhepunkt beginnen. Gewinnt Bayer Leverkusen am kommenden Samstag das DFB-Pokalfinale gegen Zweitligist 1. FC Kaiserslautern, dürften die Stuttgarter im Supercup gegen den neuen deutschen Meister antreten. Eine Titelchance im ersten Pflichtspiel 2024/2025 - es wäre die logische Konsequenz eines unfassbaren Aufstiegs des VfB Stuttgart.