Fußball | Bundesliga

"Blamage für den deutschen Fußball" - Der VfB Stuttgart und die fehlenden Tore von Bochum

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Autor/in
Kersten Eichhorn

Der VfB Stuttgart kommt im neuen Jahr nicht in Tritt und verlor auch beim VfL Bochum mit 0:1. Überschattet wurde die Niederlage jedoch vom Beinahe-Spielabbruch wegen eines störenden Banners der Gästefans. Inzwischen äußerte sich auch VfB-Boss Alexander Wehrle.

Irgendwie erinnerte die kuriose Szenerie von Bochum an Madrid vor 26 Jahren. An jenem 1. April 1998 sorgte vor dem Halbfinal-Duell in der Champions League zwischen Real und Borussia Dortmund ein umgefallenes Tor im Bernabeu-Stadion für einen Zeitverzug von 76 Minuten. Erst dann war ein Ersatztor gefunden, erst dann konnte das Spiel endlich angepfiffen werden. Im Nachhinein ein unvergessener Fußball-Kult, der für viel Heiterkeit sorgte.

Auch in Bochum fehlten an diesem Samstag Tore. Fluchttore. Ob die knapp einstündige Halbzeitpause im Duell zwischen dem VfL und dem VfB wegen der versperrten Öffnungen, die von einem Banner der VfB-Ultras in der Kurve verhängt worden waren, jedoch im Nachhinein für ähnlichen Kult in der Fußball-Historie sorgen wird, ist aber eher fraglich.

Der Eklat von Bochum hat nur Verlierer

Für Lacher sorgte sie jedenfalls nicht, vor allem nicht bei den Beteiligten. VfB-Trainer Sebastian Hoeneß etwa zeigte sich nach Spielende völlig verärgert: "Ich habe nur wahrgenommen, dass die Pause nicht aufhört und meine Spieler dadurch wieder runterfahren und abkühlen", so Hoeneß über die kuriose Situation von Bochum, um dann auch klar und deutlich Kritik an allen Beteiligten zu üben: "Das sollte nicht passieren, dass so eine Situation entsteht. Da schaut keiner gut aus, wenn fast ein Spiel abgebrochen wird. Da nehme ich alle mit rein, da haben wir alle kein gutes Bild abgegeben."

Wer hat Schuld?

Aber wer trägt letztlich Schuld an diesem fast unwirklichen, in jedem Fall für den Profifußball unwürdigen Bild von Bochum, bei dem sich mancher Beobachter irgendwann die Frage stellte, wo denn die "versteckte Kamera" sei? Das Sicherheitspersonal des VfL Bochum? Die hartnäckigen Fans des VfB Stuttgart? In jedem Fall hat der Eklat von Bochum nur Verlierer.

Ex-VfB-Sicherheitsbeauftragter Weyhing: "Eine Blamage für den Fußball"

Fehler, so Thomas Weyhing, viele Jahre Sicherheitsbeauftragter beim VfB Stuttgart gegenüber dem SWR, seien bereits vor Anpfiff in der Bochumer Arena gemacht worden: "Die Fluchttore müssen schon vor Spielbeginn frei zugänglich sein", so der erfahrene Weyhing, "man sollte nicht erst in der Halbzeitpause merken, dass hier Sicherheitsmängel bestehen und die Zuschauer gefährdet sind Das ist ganz klar geregelt und man hat sich nicht an die Regeln gehalten".

Unverständlich für den langjährigen VfB-Funktionär ist aber auch "die überzogene Reaktion der VfB-Fans. Man sollte irgendwann auch mal zur Einsicht kommen, dass das dem Verein schadet. Wäre das Spiel abgebrochen worden, hätte Stuttgart das Spiel wahrscheinlich nach dem Verursacher-Prinzip am Grünen Tisch verloren". Thomas Weyhing mit deutlichen Worten zur 60-minütigen Halbzeitpause: "Man kann das schon als Blamage für den deutschen Fußball bezeichnen".

DFB untersucht die Vorkommnisse von Bochum

Erst gute 40 Minuten nach der Pause war eine Kompromisslösung zwischen Sicherheitspersonal und VfB-Fans gefunden. Am Sonntagvormittag hat auch der Kontrollausschuss des DFB mitgeteilt, die Spielunterbrechung bei der Partie in Bochum untersuchen zu wollen.

VfB-Vorstandschef Alexander Wehrle wies am Sonntag eine Verantwortung der Stuttgarter zurück. Im Vergleich zum April, als der VfB im gleichen Stadion mit den gleichen Bannern ohne Diskussion gespielt habe, hätten nach Wehrles Angaben die Verantwortlichen gewechselt und neue Regularien aufgestellt. "Wenn man die Regeln verändert, muss man vor dem Spiel entsprechend die Freigabe genau überprüfen", sagte Wehrle im Sport1-Doppelpass. 

VfB-Vorstandsboss Alexander Wehrle wehrt sich: "Es wurde alles freigegeben"

Der VfL Bochum wiederum teilte mit, dass auf Anweisung des Bauordnungsamts ein Sicherheitsmangel zur laufenden Saison beseitigt werden musste. Der Gastverein sei vorab über die Sicherheitsbestimmungen informiert worden. Nach Angaben der Westfalen waren Zaunfahnen "regelwidrig" angebracht worden. Die seien erst im Laufe der ersten Halbzeit unter dem zuvor abgenommenen Protestbanner sichtbar geworden. Die Gästefans hätten "vor Beginn der ersten Halbzeit die Dauer einer Lagebesprechung genutzt, um Banner regelwidrig aufzuhängen und diese mit einem Protestbanner zu kaschieren".

Laut VfB-Boss Wehrle waren die Banner hingegen vor dem Spiel "mit dem Ordnungsdienst gemeinsam" angebracht worden. "Es wurde alles freigegeben." Wegen der ligaweiten Protestaktion gegen den Investoren-Einstieg bei der DFL sei kurzzeitig ein zusätzliches Banner aufgehängt worden. Es stehe außer Frage, dass die Sicherheit jederzeit gewährleistet sein müsse, teilte der VfB mit. "Das war aus unserer Sicht der Fall", so Wehrle.

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Vom Stadion ins Studio: Moderatorin Lea Wagner begrüßt am Sonntag den Trainer des 1. FC Kaiserslautern, Markus Anfang, bei SWR Sport. Los geht es um 21:45 Uhr.

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Dem VfB fehlen Effizienz und Durchschlagskraft

Nicht nur die Spielunterbrechung, auch die Partie selbst verhagelte dem VfB in Bochum die Stimmung. Erst das 1:3 in Mönchengladbach, jetzt das 0:1 von Bochum (Tor von Bero in der 50. Minute) - Stuttgart ist komplett in den Startlöchern hängen geblieben. Und das trotz beeindruckender Spieldaten an der Castroper Straße. 19:6 Torschüsse, 63 Prozent Ballbesitz, 7:1 Ecken, dazu noch die deutlich bessere Zweikampf- und Passquote. Das 0:1 nach Toren wollte demnach gar nicht zur sonstigen Statistik passen, steht jedoch für fehlende Effizienz.

Hoeneß: "Lange Pause nicht Schuld an der Niederlage"

Auf die unfreiwillig lange Pause mochte Coach Hoeneß die Niederlage jedoch nicht zurückführen: "Nein, nullkommanull Prozent", so der Trainer, "wir haben das Spiel verloren, weil wir viele Chancen nicht genutzt haben. Uns geht es gerade nicht leicht zur Hand. Wir sind in einer schwierigen Phase und müssen versuchen, diese Phase kurz zu halten".

Torjäger Guirassy nicht zu ersetzen

Dass den Schwaben das Fehlen von Top-Torjäger Serhou Guirassy, der beim Afrika-Cup für Guinea spielt, doch mehr weh tut als befürchtet, war auch in Bochum deutlich zu erkennen. Ohne den 17-Tore-Mann kann der VfB in dieser Saison keine Bundesligaspiele gewinnen. Dazu kommt, dass Guirassy sehr oft die Führungstreffer für Stuttgart erzielte und damit eine Art "Türöffner" für gewonnene Spiele war.

Und jetzt? Nur nicht verrückt machen lassen, so Hoeneß vor dem Heimspiel gegen RB Leipzig (Samstag, 15:30 Uhr): "Wir müssen geschlossen bleiben, alles muss in der Balance bleiben. Wir werden nicht panisch, werden uns aber auch nicht zurücklehnen, sondern die Situation gemeinsam lösen."

Spielabbruch zum Glück abgewendet

Zum Glück für die Bundesliga und alle Beteiligten war am Samstag in Bochum nach langen Verhandlungen bis gegen 17 Uhr in Sachen Fluchttore dann doch noch eine einvernehmliche Lösung zwischen Sicherheitspersonal und VfB-Fans gefunden, ein Spielabbruch abgewendet worden.

Die Zaunfahne nach oben gewickelt, ein Check, dass sich die Türen dennoch öffnen lassen, und alles war gut. Es konnte weitergespielt werden. Schlußpfiff um 18 Uhr 11. Stellt sich nach geschlagenen 161 Minuten Spiel samt Pause und Unterbrechung die Frage: Warum nicht gleich so...?

In jedem Fall fehlten in Bochum die Tore. Die für die Sicherheit der Zuschauer. Und die der erfolglosen VfB-Stürmer. In Madrid 1998 war die unvergessene Unterbrechung wenigstens lustig.

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Kersten Eichhorn