Sebastian Hoeneß

Fußball

Teamcheck VfB Stuttgart: Bundesliga ist kein Glücksspiel

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Autor/in
Patrick Stricker

Die neue Saison hat noch gar nicht begonnen, da muss der VfB Stuttgart mal wieder einen Konflikt moderieren. Dabei sollte die sportliche Weiterentwicklung im Fokus stehen.

Vor dem Start der Bundesliga-Saison 2023/24 unterzieht SWR Sport die Clubs aus dem Südwesten einem Teamcheck. Der FSV Mainz 05 und der SC Freiburg waren schon an der Reihe.

So lief die vergangene Saison

Ein Happy End ist bekanntlich ein glückliches Ende, wobei die Betonung im Fall des VfB Stuttgart auf Ende liegt - glücklich verlief die Spielzeit 2022/23 aus Sicht der Schwaben definitiv nicht. Nach vielen Monaten im nervenzehrenden Abstiegskampf kletterte der VfB am 33. Spieltag durch ein 4:1 in Mainz auf Tabellenrang 15, hatte den direkten Klassenerhalt in der eigenen Hand - rutschte eine Woche später aber wieder auf den Relegationsplatz ab.

In den zwei Duellen mit Zweitligist Hamburg (3:0, 3:1) setzten sich die Stuttgarter dann aber souverän durch. Seliges Ende einer Saison, in der der VfB nicht ein Mal in der oberen Tabellenhälfte zu finden war: Beste Platzierung war Rang zehn nach dem ersten Spieltag.

Wie turbulent die vergangene Runde für den fünfmaligen Deutschen Meister war, zeigt sich auch an der Unruhe und den vielen Veränderungen auf der Trainerposition. Mit Pellegrino Matarazzo, Michael Wimmer, Bruno Labbadia und schließlich Sebastian Hoeneß waren bzw. sind seit Sommer 2022 sage und schreibe vier Übungsleiter für die sportlichen Geschicke des VfB zuständig.

Bedeutet: Nach nicht einmal jedem neunten Liga-Spiel wechselte der Club den Coach. Unter Hoeneß, der im April kam und mit einem Vertrag bis 2025 ausgestattet ist, gab es zuletzt den besten Punkteschnitt (1,63 Zähler pro Partie) und den Einzug in ein spannendes DFB-Pokal-Halbfinale gegen Eintracht Frankfurt. Und schließlich den Klassenerhalt über den Umweg Relegation. Gute Voraussetzungen für einen Neustart in der Saison 23/24.

Transfers: Wer kam, wer ging?

Je kompakter der Kader, desto leichter lassen sich Personalentscheidungen treffen und Trainingseinheiten gestalten - so ist das eigentlich auch in Stuttgart. Eine Verschlankung der Mannschaftsgröße hätte Hoeneß gut gefallen, rund zwei Wochen vor dem Ende der Transferphase am 1. September gehören aber immer noch 32 Profis zum Aufgebot.

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Neu in Diensten des VfB sind unter anderem Torwart und Bayern-Leihgabe Alexander Nübel, Defensivspieler Maximilian Mittelstädt (kam von Hertha BSC), Mittelfeldakteur Woo-Yeong Jeong (SC Freiburg) sowie die beiden Offensivkräfte Jovan Milosevic (Vojvodina) und Deniz Undav (Brighton/Leihe). Serhou Guirassy, der nach dem Leih-Geschäft für neun Millionen Euro fest von Stade Rennes verpflichtet wurde, soll eine Ausstiegsklausel in seinem Vertrag nicht gezogen haben - was einen Verbleib des Mittelstürmers über den Sommer hinaus deutlich wahrscheinlicher macht.

Auch mit den Abgängen konnte sich Sportdirektor Fabian Wohlgemuth so richtig erst nach der Relegation und dem Verbleib in der Bundesliga auseinandersetzen. Torwart Florian Müller hat den Verein für 1,5 Millionen Euro Richtung Freiburg verlassen, Verteidiger Antonis Aidonis spielt bei Aris Saloniki erstmals für einen griechischen Club und Juan José Perea hat nach seiner Leihe zu Hansa Rostock die zweite Liga bereits am ersten Spieltag verzückt. Zudem ist der 20-Jährige Wahid Faghir an die SV Elversberg ausgeliehen. Das Ziel von Tanguy Coulibaly ist unbekannt, Tiago Tomás ist nach beendeter Leihe zu Sporting Lissabon zurückgekehrt.

Der Trainer

Sebastian Hoeneß, 41 Jahre alt, genoss als aktiver Spieler den Ruf eines Ruhepols. 165 Einsätze absolvierte der frühere Mittelfeldspieler für Hertha BSC, zudem stand er für die TSG Hoffenheim und die Jugend des VfB auf dem Rasen. Seine besonnene Art bewahrt er sich auch heute noch als Trainer - zumindest von außen betrachtet. "Es wird mir ja nachgesagt, dass ich so kontrolliert bin am Spielfeldrand. Ich glaube, das ist ein kleiner Trugschluss", sagte Hoeneß jüngst zu SWR Sport. "Ich kann schon auch emotional sein. Die Mischung macht es, es muss authentisch sein, von Herzen und aus dem Bauch kommen - dann spüren das auch die Spieler."

Fakt ist auf jeden Fall: Hoeneß' Sympathiewerte sind seit Beginn seiner Amtszeit vor rund viereinhalb Monaten stark gestiegen. Er hat die Mannschaft sportlich in die Spur gebracht, spielerisch sowie vor allem taktisch verbessert und den VfB vor dem Absturz in die 2. Liga bewahrt. Im Frühjahr 2023 befand sich der Club in einer sportlichen Notlage, ging mit dem ligaunabhängigen Zweijahres-Vertrag für Hoeneß auch ein Wagnis ein. Aber eines, für das die Stuttgarter bislang zumindest belohnt worden sind.

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Erwartungen an die neue Saison

Das Ziel des VfB Stuttgart ist klar der Klassenerhalt – je früher, desto besser. "Die letzte Saison war eng. Enger geht's eigentlich gar nicht mehr", sagte Hoeneß. "Das wollen wir alle nicht mehr. Wir müssen schauen, dass wir uns so aufstellen, dass wir uns möglichst frühzeitig in die Bundesliga-Richtung drehen." Schon das Auftaktprogramm mit den Partien gegen Bochum, Leipzig, Freiburg, Mainz und Aufsteiger Darmstadt verspricht einen anspruchsvollen Mix aus Spielen gegen Top-Clubs auf der einen sowie gegen vermeintlich direkte Konkurrenten auf der anderen Seite.

Klar ist allerdings auch: Im nun vierten Bundesliga-Jahr in Folge darf der VfB gerne die nächsten Schritte unternehmen, um sich wieder im Oberhaus zu etablieren. Die wirtschaftliche und finanzielle Stabilisierung des Clubs soll über den Einstieg von Porsche und MHP als neuen, großen Investoren gelingen, der Deal kann ein Volumen von mehr als 100 Millionen Euro erreichen. Bei der Auswahl ihres neuen Haupt- und Trikotsponsors haben die Stuttgarter kurz vor Saisonbeginn allerdings eine neue Baustelle aufgemacht - und Teile der Fan-Szene gegen sich aufgebracht.

Wegen der noch jungen Partnerschaften mit 'Winamax', einem französischen Anbieter von Sportwetten und Online-Poker - sowie wegen des Einstiegs von 'Jokerstar' (virtuelle Automatenspiele) als sogenanntem Club-Partner gab es zuletzt sowohl im Netz als auch rund um das Stuttgarter Pokal-Spiel bei der TSG Balingen (4:0) viel Kritik. Banner mit Botschaften wie "Werte und Moral unseres VfB - ein reines Glücksspiel?" oder "Schaut, dass die Saison nicht als Memevorlage für den neuen Trikotsponsor dient" tauchten im Block des VfB-Anhangs auf.

Vereinspräsident Claus Vogt hat in der Zwischenzeit in einem 'kicker'-Interview zwar auf die Ansichten der Anhänger reagiert ("Ich kann die Kritik der Fans verstehen"). Unterm Strich - denn genau das hat die Analyse der vergangenen Saison gezeigt - sollte allen Beteiligten aber klar sein: Das Bundesliga-Geschehen, das ab Samstag (15:30 Uhr) wieder über die Bühne geht, ist alles andere als ein Glücksspiel.

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Patrick Stricker