Die Spieler des  VfB feiern in der Cannstatter Kurve mit den Fans nach dem Sieg gegen Augsburg

Fußball | Bundesliga

Der VfB Stuttgart und das schöne Spiel: Wie die jungen Milden aus Stuttgart den Fußball wieder liebenswert machen

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Günther Schroth

Die Bundesliga geht in die Winterpause. Aber sie hat eine alte Liebe wieder neu entfacht - auch dank Sebastian Hoeneß. Eine Fussballbetrachtung von SWR-Sportreporter Günther Schroth.

Ich will mich jetzt mal beim VfB Stuttgart bedanken. Und ganz besonders bei Sebastian Hoeneß. Und bevor jetzt jemand argwöhnt, dass das hier eine journalistische Ergebenheitsadresse wird: nein, darum geht es mir nicht. Es geht um etwas Wichtigeres. Der VfB hat mir in diesen Monaten seit dem Sommer einfach den Glauben an das Gute und Schöne im Fußball zurückgegeben. An das schöne Spiel, das "Jogo Bonito", wie es in Brasilien so treffend bezeichnet wird. Thomas Tuchel und Pep Guardiola haben sich das in einer legendären Runde mal gegenseitig mit Salz- und Pfefferstreuer erklärt. Auch wenn Fußball nur die wichtigste Nebensache der Welt ist, egal wie alt der Spruch jetzt ist.

Der neue VfB und seine jungen Milden

Neu ist dieser junge, milde VfB. Es gibt ja die sehr gelungene und sehr junge Vokabel "schockverliebt". Ich kenne die von meiner Tochter, sie meint damit in erster Linie junge Musik-Bands, in die man sich ansatzlos verguckt. Der Grad an Verliebtheit, den ich in Sachen Fußball als junger Mensch mal hatte, der sich dann allmählich im branchenüblichen journalistischen Zynismus verlor, den entdecke ich dank der Fußballschwaben wieder. Und das liegt nicht nur an dem schönen Fußball, den das Team spielt. Das liegt auch an diesem Auftritt von Sebastian Hoeneß - wobei das Wort "Auftritt" nicht wirklich erzählt, was sich da im Stuttgarter Stadion am Neckar nach dem Sieg gegen Augsburg ereignete. Ein in warmes weihnachtliches Rotlicht getauchtes Stadion, eine Cannstatter Kurve, die lange Zeit nach Abpfiff immer noch feierte und schwelgte und nach dem Trainer rief. Und ein Trainer, der mit Mikro in der Hand auf diese Kurve zuging und über die Stadionlautsprecher versprach: "Ich komme erst auf den Zaun, wenn wir etwas erreicht haben."

Schöner Fußball und beste VfB-Hinrunde jemals

Stuttgart

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Sportdirektor Fabian Wohlgemuth hat mit seinen Transfers das Gerüst für den Höhenflug des VfB Stuttgart gebaut. Für den 44-Jährigen offenbar kein Grund, ins Rampenlicht zu drängen.

Das ist ein schönes Versprechen, auch weil es ja absolut verschweigt, was der VfB schon erreicht hat: Tabellendritter vor der Winterpause, die beste Hinrunde der Vereinsgeschichte. Nach 16 Spielen. Nicht durch Zufall, sondern durch schönen Fußball. Die Fußballschwaben zählen wieder etwas in der Fußballwelt. Und dennoch äußert sich der Coach in aller Bescheidenheit auf der anschließenden Pressekonferenz und lobt seine Jungs vor allem für ihre "Demut", die sie sich in den Jahren des Dauer-Abstiegskampfes erworben haben. Demut ist etwas, was ich von der Altherrenriege um die Stefan Effenbergs und Mario Baslers in den zahlreichen Fußball-Talkshows und Podcasts so gut wie nie zu hören kriege. Für die ist Fußball schon immer Hauptsache, Demut eher ein Fremdwort. Ganz anders die neuen jungen Milden um Sebastian Hoeneß oder auch Leverkusens Trainer Xabi Alonso. Die beiden haben den Bundesligafußball neu erfunden. Nicht mit Strenge, sondern mit Klugheit. Nicht mit Ansagen, sondern mit Überzeugung. Es ist mittlerweile sogar Undenkbares wieder denkbar: Dass die Bayern mal nicht Meister werden.

Daher: Wenn ich die Wahl hätte, und ich habe sie leider nicht, würde ich mich gerne mal in eine Runde mit Sebastian Hoeneß und Xabi Alonso setzen und ihnen beim Fußballtalk zuhören: Salz- und Pfefferstreuer würde ich mitbringen, damit ich mir erklären lassen kann, wie sie den Fußball wieder schön machen. Warum das Jogo wieder bonito ist. Denn es stimmt ja nach wie vor: Fußball ist nur eine Nebensache. Aber auch für mich jetzt wieder die wichtigste der Welt.

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Günther Schroth