Das Duell Torwart gegen Schützen - es ist ein ungleiches Duell: 75 Prozent aller Elfmeter werden verwandelt. Der Grund dafür: Raum und Zeit. Die Zeit, die ein Torhüter benötigt, um bei einem Elfmeterschießen in die richtige Ecke eines Tors zu gelangen, ist kürzer als die Zeit, die er tatsächlich zur Verfügung hat.
Bei einem Elfmeter wird der Ball durchschnittlich mit einer Geschwindigkeit von 100 Kilometern pro Stunde geschossen. Elf Meter geteilt durch 100 Kilometer pro Stunde sind 27,5 Meter in der Sekunde. Das bedeutet, dass die Dauer, die der Ball vom Verlassen des Elfmeter-Punktes bis zum Überqueren der Torlinie unterwegs ist, gerade mal 0,4 Sekunden beträgt. Ein Augenschlag, mehr nicht.
Torhüter sind rechnerisch ohne Abwehrchance
Wird der Ball platziert in eine der Ecken geschossen, ist der Keeper also rechnerisch chancenlos. Der Ball braucht bis zum Tor nur 0,4 Sekunden. Die Reaktionszeit eines geübten Torwarts beträgt jedoch mindestens eine Viertelsekunde. Die verbleibenden 0,15 Sekunden sind auch für den besten Schlussmann zu kurz, um das Leder noch abzugreifen. Denn er muss seine eigene Masse in Bewegung bringen. Aus dem Stand in der verbleibenden Zeit schlichtweg unmöglich. Der Torspieler muss sich also schon vorher für eine Aktion entscheiden: rechts unten, links unten, eine der oberen Ecken oder einfach stehenbleiben. Dabei kann er sich auf sein Bauchgefühl verlassen oder aber: die Statistik bemühen.
Analyse der WM-Elfmeter zeigt Präferenzen der Schützen
Pablo López Landeros ist ein Datenwissenschaftler aus Mexiko-Stadt. Ein Mann, der Daten und Sport liebt. Pablo hat alle 11 Meterschießen bei Fußball Weltmeisterschaften zwischen 1982 und 2018 ausgewertet. Mit Hilfe dieser Daten konnte er herausfinden, wohin die Schützen am häufigsten geschossen haben. Bei allen Schüssen, auch bei Fehlschüssen, waren die unteren Ecken die häufigsten Ziele. So schossen 21 Prozent der rechtsfüßigen Spieler auf die linke untere Ecke. 15 Prozent wählten die rechte untere Ecke.
![Schussverteilung für rechtsfüßige Spieler. (Foto: SWR, Pablo López Landeros) Schussverteilung für rechtsfüßige Spieler.](/sport/fussball/1719585896296%2Csport-erklaert-elfmeter-100~_v-16x9@2dS_-6be50a9c75559ca1aaf1d0b25bae287afdcd877a.jpg)
Auch linksfüßige Spieler schossen überwiegend diagonal in die entgegengesetzte Ecke: 21 Prozent wählten die rechte untere Ecke, 18 Prozent links unten.
![Schussverteilung für linksfüßige Spieler. (Foto: SWR, Pablo López Landeros) Schussverteilung für linksfüßige Spieler.](/sport/fussball/1719585896025%2Csport-erklaert-elfmeter-102~_v-16x9@2dS_-6be50a9c75559ca1aaf1d0b25bae287afdcd877a.jpg)
Top-Spot für die Schützen: rechts oben
Im Gespräch mit SWR Sport leitet Datenwissenschaftler López Landeros daraus ab, dass Torhüter dann eine bessere Chance haben einen Ball zu halten, wenn sie sich für eine der unteren Ecken entscheiden. Schießt der Schütze mit rechts: die linke untere Ecke. Schießt der Schütze mit links, die rechte untere Ecke.
Aus Sicht der Schützen ist besonders die Statistik der Wahrscheinlichkeit eines erfolgreich verwandelten Elfmeters relevant: Der Top Spot ist die obere rechte Ecke, wo 88 Prozent aller Elfmeter bei Weltmeisterschaften erfolgreich versenkt wurden. Auch interessant: Die untere linke Ecke hat eine geringere Erfolgsquote als die gegenüberliegende Ecke. Die geringsten Aussichten auf Erfolg aber hat, wer versucht den Ball mittig unter die Latte zu nageln.
![Wahrscheinlichkeiten eines Tores beim Elfmeter. (Foto: SWR, Pablo López Landeros) Wahrscheinlichkeiten eines Tores beim Elfmeter.](/sport/fussball/1719585897081%2Csport-erklaert-elfmeter-104~_v-16x9@2dS_-6be50a9c75559ca1aaf1d0b25bae287afdcd877a.jpg)
Die Zahlen belegen, dass ein Elfmeterschießen aus Sicht der Schützen eine Frage des Könnens und weniger eine Frage des Glücks ist - wer platziert in eine der Ecken schießt, hat beste Chancen einen Treffer zu landen. Am Ende aber ist ein Elfmeterschießen vor allen Dingen eines: ein Nervenspiel.