SWR Sport: Guido Buchwald, wie und wann haben Sie von Franz Beckenbauers Tod erfahren?
Guido Buchwald: Ich habe es am Montagabend aus dem Radio erfahren und war erschüttert. Ich hatte vor einiger Zeit noch kurzen Kontakt zu ihm und wusste, dass es ihm nicht gut geht. Aber dass es so schnell geht, damit hatte ich nicht gerechnet. Sein Tod ist ein ganz großer Verlust für mich und für den deutschen Fußball.
Wie sehr waren Sie mit ihm verbunden?
Franz Beckenbauer ist für mich und für alle anderen Weltmeister von 1990 zum väterlichen Freund geworden. Er hat dafür gesorgt, dass wir alle im Team zu Freunden geworden sind, bis heute. Er hielt auch zu allen Kontakt. Im Oktober 2022 hatte ich ihn zusammen mit Jürgen Klinsmann nochmal daheim besucht. Schade, dass er bei unserem WM-Treffen im letzten Sommer in Grassau schon nicht mehr dabei sein konnte, aber er war dort bei allen das große Thema. Franz hat nicht nur die WM 1990, sondern den gesamten deutschen Fußball geprägt.
Wie haben Sie Franz Beckenbauer als Spieler und Trainer erlebt?
Als neunjähriger habe ich ihn bei der WM 1970 in Mexiko zum ersten Mal in der Nationalmannschaft spielen sehen. Er war schon als junger Fußballer überragend. Nicht nur spielerisch, er war auch ein Kämpfer mit großem Willen und Mentalität, wie sein Schlüsselbeinbruch damals im Halbfinale gegen Italien zeigte, als er trotzdem bis zum Schluss weiterspielte. Ein kompletter Fußballer.
Als ich dann selbst Nationalspieler wurde, haben Franz als Teamchef und ich von 1984 bis 1990 immerhin sechs Jahre lang eng zusammengearbeitet. Das hat nicht nur mich als Mensch und Spieler geprägt. Sein Spruch "Geht`s raus und spielt`s Fußball" ist viel zu kurz gegriffen. Er war als Trainer ein akribisch genauer Arbeiter. Gleich nach unseren WM-Spielen hat er nur kurz etwas gegessen, ist danach sofort auf sein Zimmer und hat sich dort schon wieder Videos vom nächsten Gegner angeschaut.
Was hat ihn menschlich ausgezeichnet?
Er war eine außergewöhnliche Persönlichkeit mit außergewöhnlichem Charakter. Jede Person war für ihn wichtig. Franz lebte uns den Teamspirit vor, man konnte sich auch über andere Dinge als Fußball unterhalten. Ein Beispiel: Bei mir hat er sich Jahre später noch dafür entschuldigt, dass er mich 1986 nicht zur WM nach Mexiko mitgenommen hatte. Er sagte, ich hätte es verdient gehabt, aber er wollte auf einen Bayern-Block setzen. Das ist ihm lange durch den Kopf gegangen.
Dass sich der große Franz Beckenbauer bei mir entschuldigt, das zeigt seinen Charakter. Er hat sich trotz seiner lockeren Art immer reflektiert und hinterfragt. Für mich gibt es keinen Größeren im deutschen Fußball als Franz Beckenbauer.