SWR: Haben Sie sich heute Morgen schon dabei erwischt, auf die Tabelle zu gucken, um zu sehen, ob das alles so wahr ist?
Christian Heidel: Nein, das habe ich gestern schon verstanden. Aber bei mir gehen schon noch viele Dinge im Kopf herum, dass es am Ende doch wieder gereicht hat - da muss man schon drei-, viermal darüber nachdenken, bevor man das verstanden hat, bevor man das richtig realisiert.
SWR: Wie schaffen Sie das immer wieder? Jürgen Klopp hat einmal gesagt: "Mein größter Erfolg ist der Nichtabstieg." Da muss doch irgendwie ein Gen vorhanden sein.
Heidel: Ich weiß gar nicht, wie ich es beschreiben soll.Aber es ist schon schwierig für uns, aufzugeben - weil natürlich in unserer Historie so viel passiert ist. Und wir haben im Endeffekt nur einmal verloren, also sind nur einmal abgestiegen: 2007. Irgendwie steckt in uns was drin. Wir wollen uns dann wehren - und eines muss man immer wieder sagen: Das schaffst du dann, wenn Ruhe ist. Und das haben wir eigentlich immer hinbekommen. Die Leute in Mainz haben ein feines Gespür dafür.
SWR: Vor 20 Jahren ist Mainz 05 erstmals in die Bundesliga - damals an einem 23. Mai. Sind Sie froh, dass sie in diesem Jahr am 23. Mai nicht in der Relegation gegen Düsseldorf spielen müssen?
Heidel: Ja, klar. Relegation hatten wir noch nie. Auch dafür hätte ich mich nicht geschämt. Das kann passieren, das kann auch Mainz 05 passieren. Aber im 20-jährigen Jubiläum seit dem Aufstieg - das muss nicht unbedingt sein. Und ich bin eigentlich ganz froh, dass wir jetzt nächste Woche keine Spiele haben.
SWR: Bo Henriksen hat sicherlich ganz großen Anteil am Erfolg. 23 Punkte in 13 Spielen, mehr als der FC Bayern in dieser Zeit. Wie sind Sie damals auf Henriksen gekommen?
Heidel: Ich interessiere mich sehr für Trainer. Ich interessiere mich auch sehr, dafür wann Vereine Erfolge haben. Und wir hatten natürlich die Situation Ende Januar, wo etwas passieren musste. Und ich habe Bo schon längere Zeit verfolgt. Wenn man den Tabellenletzten der Schweiz übernimmt und ein paar Monate später Tabellenführer in derselben Liga ist - mit einer personell schwächeren Mannschaft - dann muss man irgendetwas haben. In den Wochen vor der Verpflichtung habe ich mich intensiv mit ihm beschäftigt. Und da kam ich zu der Erkenntnis, dass er genau das ist, was wir brauchen.
Ein bisschen ist er auch ein Verrückter, das passt gut zu Mainz. Einer, der den Jungs dieses Selbstbewusstsein zurückgibt, was natürlich durch die Negativserie komplett verloren gegangen ist. Wir brauchten jemand Frisches, der auch ein paar verrückte Dinge macht. Das hat dann glücklicherweise ganz gut geklappt. Jetzt muss ich eines dazu sagen: Man darf Bo Henriksen nie darauf reduzieren, dass er in die Kurve rennt und Motivator ist. Er hat auch eine überragende Fußball-Fachkenntniss und ist ein großartiger Teamplayer.
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Mainz 05 ist gerettet. Die erfolgreiche Aufholjagd im Abstiegskampf verdankt der Club nach Meinung der beiden Sportchefs vor allem einem Mann.
SWR: In der Henriksen-Tabelle liegt Mainz 05 auf Rang vier. Das weckt die Erwartung, dass es nächstes Jahr nicht ganz so knapp wird.
Heidel: Ja, und wenn wir in die neue Saison reingehen, dann kommen wieder die üblichen Heidel-Sprüche: Wir wollen möglichst schnell weit weg vom Strich sein. Letztes Jahr im Sommer wurde ich dafür schwer kritisiert, dass ich die Europa League nicht als Ziel ausgesprochen habe. Das werde ich diesen Sommer auch nicht tun. Die Erwartungshaltung bei uns ist, dass wir dann irgendwann ins 17. Bundesliga-Jahr gehen wollen. Und sollte es besser laufen, ist alles in Ordnung. Dann nehmen wir das gerne mit.
SWR: Beim FC Liverpool hat Jürgen Klopp seinen Abschied gegeben. Haben Sie schon miteinander gesprochen?
Heidel: Er hat mir nach dem Spiel in Wolfsburg ungefähr 35 Herze geschickt - und Bierflaschen und Sektflaschen. Keine Ahnung, was er da für Emojis gefunden hat. Aber nein, geredet haben wir nicht. Jetzt hat er natürlich auch ein paar andere Dinge im Kopf, denke ich. Weil es für ihn auch nicht so ganz einfach wird, Abschied zu nehmen in Liverpool.
SWR: Wie wird er das meistern? Gibt es da auch Tränen, wie damals beim Abschied hier?
Heidel: Das kann ich mir bei ihm sehr, sehr gut vorstellen. Er weiß, was er da getan hat, das meine ich positiv. Aber jeder weiß, wenn Kloppo bei einem Verein arbeitet - es gab ja nur drei in seiner Profikarriere - dann macht er das mit Haut und Haaren - und auch mit Emotionen. Deswegen glaube ich schon, dass er die eine oder andere Träne verdrücken wird. Wenn das nicht so wäre, dann wäre es ja nicht authentisch. Und da ich weiß, dass es authentisch ist, wird es garantiert passieren.