Die Deutsche Frauen-Fußballnationalmannschaft beim Empfang nach der EM

Fußball | Frauen-Bundesliga

Vor dem Bundesliga-Start: Profitiert der Frauenfußball in Baden-Württemberg vom EM-Hype?

Stand
Autor/in
Leon Sander

Nach dem Hype um die EM ist vor dem Bundesliga-Alltag. Wie ist der Stand des Frauenfußballs in Baden-Württemberg im Anschluss an das Erfolgs-Turnier?

Die Fußball-Europameisterschaft der Frauen war ein Turnier der Rekorde. 365 Millionen Zuschauer weltweit verfolgten die EM insgesamt am Bildschirm. Das sind doppelt so viele wie noch bei der EM 2017. Das Finale zwischen Deutschland und England sahen 50 Millionen. Ein enormer Sprung zu 2017, damals waren es nur 15 Millionen. Weniger als dieses Jahr allein in Deutschland, knapp 18 Millionen saßen hierzulande vor dem Fernseher. All das ist Rekord für den Fußball der Frauen. Und nicht nur das. Im ausverkauften Wembley-Stadion verfolgten 87.192 Zuschauer die 1:2 Niederlage der Deutschen. Rekord bei einer EM-Endrunde. Für Frauen und Männer.

Merle Frohms, Tabea Waßmuth und Jule Brand jubeln nach dem Sieg im EM-Viertelfinale gegen Österreich. Alle drei haben in Baden-Württemberg gespielt
Merle Frohms, Tabea Waßmuth und Jule Brand jubeln nach dem Sieg im EM-Viertelfinale gegen Österreich. Alle drei haben in Baden-Württemberg gespielt

„Nicht nur ein Sommermärchen“

Und der Hype scheint weiter zugehen. Zum ersten öffentlichen Training der Nationalmannschaft nach der EM kamen 2.000 Zuschauer. „Mehr Zuschauer als bei vielen Bundesligaspielen. Es ist schön, dass die Euphorie nach der EM angehalten hat. Wir genießen das. So kann es weitergehen", sagte Defensivspielerin Sara Doorsoun. Auch Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg freute sich: "Es ist zu spüren, dass es nicht nur ein Sommermärchen ist, sondern nachhaltig.“ Kapitänin Alexandra Popp blickt in die Zukunft: "Wir hoffen, dass die Leute auch zahlreich in die Bundesligastadien kommen, um diese Welle im Frauenfußball mit voranzutreiben."

Können sich diese Hoffnungen erfüllen? Ab 16.09. rollt der Ball in der Frauen-Bundesliga wieder, die unteren Ligen starten schon früher. Kann sich der Boom um den Fußball der Frauen von Fluchtlichtspielen einer EM auf die Sportplätze in Baden-Württemberg auswirken? Kann man überhaupt ein EM-Finale im ausverkauften Wembley auf die Sportanlage Alberweiler übertragen? Die mit Stars gespickten europäischen Spitzenteams auf die ausgedünnten Mannschaften im Schwarzwald? Oder war die Zeit im Scheinwerferlicht doch nur eine Sommermärchen?

Sara Doorsoun unterschreibt Autogramme beim ersten Training nach der EM
Sara Doorsoun unterschreibt Autogramme beim ersten Training nach der EM vor 2000 Zuschauern

Ist der Hype auf Baden-Württemberg übertragbar?

Nur 1,56 Millionen Menschen verfolgten das erste live im TV übertragene Spiel der Frauen-Nationalmannschaft nach der EM. Weit weniger als während des Turniers und ungefähr auf dem Niveau vor der Europameisterschaft. Der Fußball der Frauen stand wieder in Konkurrenz zu den Männern und lief parallel zur Bundesliga-Konferenz. Aber immerhin erzielte das Spiel einen Marktanteil, der weit über ZDF-Senderschnitt lag.

Ein weiteres schlechtes Zeichen: Die Mehrheit der Deutschen wird auch weiterhin keine Spiele der Frauen-Bundesliga verfolgen. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov im Auftrag der dpa. 49 Prozent der Befragten hätten keinerlei Interesse, den Frauenfußball über die EM hinaus zu gucken. Nur 15 Prozent wollen künftig die Bundesliga genauer verfolgen, egal ob am Fernseher oder im Stadion. 24 Prozent sind noch unschlüssig. Zwölf Prozent machten keine Angaben. Das bedeutet auf der anderen Seite allerdings auch, dass noch ein großes Potenzial vorhanden ist. Doch wie sieht die Wachstumsgrundlage im baden-württembergischen Fußball der Frauen überhaupt aus?

Status Quo des Frauenfußballs in Baden-Württemberg

Die Grundlage für den Frauenfußball in Baden-Württemberg kann hoffnungsvoll stimmen. Das Bundesland ist Teil des größten Regionalverbandes beim DFB, des Süddeutschen Fußball-Verbandes. Anders als beispielsweise in Rheinland-Pfalz, das im kleinsten Regionalverband organisiert ist. In Baden-Württemberg gibt es mehr Mannschaften, Spielerinnen und finanzielle Möglichkeiten, auch wegen der Zahl der Großstädte.

Baden-Württemberg ist aufgeteilt in drei Landesverbände. Den Badischen Fußballverband (bfv), den Südbadischen Fußball-Verband (SBFV) und den Württembergischen Fußball-Verband (wfv). Der bfv ist der Kleinste mit knapp über 4.000 Frauen und Mädchen, die Fußball spielen. Damit hat er aber schon ähnliche Zahlen wie der größere der beiden Landesverbände in Rheinland-Pfalz. Beim SBFV gibt es schon ca. 7.300 Spielerinnen, im wfv sind es um die 14.000. Auch wenn man die Größe des Bundeslandes in Relation setzt, spielen damit in Baden-Württemberg mehr Frauen und Mädchen als in Rheinland-Pfalz.

Daten zum Frauenfußball in Baden-Württemberg (Quelle: bfv, SBFV, wfv & DFB)
bfvSBFVwfv
Vereine für Frauen und Juniorinnen9774 (21/22)434
Frauen-Mannschaften89179293
Juniorinnen-Mannschaften114170449
Frauen (21/22)1.7863.4086.925
Juniorinnen (21/22)2.4003.9057.020

Lücken an der Basis

Dennoch sagt Mareike Ludwig, die Verbandsausschussvorsitzende des SBFV im Interview mit SWR Sport: "Es ist alles noch ausbaufähig. Im Vergleich zum Jungs- und Herrenbereich sind die Mannschaftszahlen natürlich eher gering." Zwar stemmt der SBFV einen Spielbetrieb von den E-Junioren bis zu den Frauenmannschaften. Er sei für sich alleine aber ein eher kleiner Landesverband und die einzelnen Bezirke strukturell sehr unterschiedlich. Im Ballungsgebiet Freiburg gäbe es relativ viele Mannschaften mit vergleichsweise wenig Nachwuchssorgen. Dem gegenüber stehen ländlichere Bezirke wie der Schwarzwald, Offenburg oder Baden-Baden, die Probleme haben Nachwuchs zu finden.

In den anderen Verbänden sieht es im ländlichen Raum wenig anders aus. Oft wird versucht, das mit Spielgemeinschaften auszugleichen. Das klappt aber nicht immer. Manchmal sind die Vereine schlicht zu weit entfernt oder aber lokale Rivalitäten stehen einer Zusammenarbeit im Weg. Aus diesem Grund bieten die Verbände in manchen Regionen auch einen bezirksübergreifenden Spielbetrieb.

Zudem haben kleinere Vereine oft Probleme, eine spieltagstaugliche Mannschaft mit 15 Spielerinnen oder mehr zu stellen. Mit Verletzungen oder anderweitigen Ausfällen wird es oft dünn am Spieltag. Der FV Bad Saulgau ist vergangene Saison aus der Landesliga abgestiegen, unter anderem weil oft Spielerinnen fehlten, z.B. wegen Corona. Ein Spiel etwa konnte gar nicht bestritten werden, weil keine 11 Frauen zusammenkamen - es wurde gegen Bad Saulgau gewertet. „Es ist schwer auf dem Land, wo sollen die denn herkommen?“, so eine Spielerin von Bad Saulgau. Erschwerend käme hinzu, dass in der Landesliga gar keine Spielgemeinschaften erlaubt sind. Dies kompliziere einen Übergang zwischen den unteren zu den oberen Ligen. Das Niveau in der Landesliga sei merklich höher, das Spiel schneller. „Das können nicht alle Spielerinnen leisten, das ist zu viel Aufwand nebenher.“ Vom Anstieg des Frauenfußballs sei wenig zu spüren: „Das geht schon eine Weile so und es kommt auch nichts nach von unten.“

Diesen Eindruck bestätigt auch der Württembergische Fußball-Verband. Die Mannschaftszahlen der Frauen seien in den letzten Jahren relativ konstant, die bei den Mädchen rückläufig. Und das auch schon vor Corona. Dies hinge mit einem allgemein sinkenden Interesse von Kindern und Jugendlichen an Fußball und Sport allgemein zusammen. Außerdem würde sich die heutige Jugend nicht mehr so gerne an feste Vereinsstrukturen binden. Lisa Lang, die Vereinsmanagerin des VfB Stuttgart, sieht auch die wenig erfolgreiche Zeit der Nationalmannschaft vor der EM als Grund. Deswegen glaubt sie, dass durch die EM junge Frauen und Mädchen zurück auf den Platz kommen.

Zeichen des Aufwärtstrends

Tatsächlich gibt es Entwicklungen, die Mut machen. So haben einige Vereine bereits während oder nach den Corona-Beschränkungen bei den Mädchen Zuwachs vermeldet. Möglicherweise ist das eine Reaktion auf die Zeit der Isolation in den vier Wänden. So hatten alle drei Verbände zur Saison 2021/2022 einen deutlichen Sprung an Erstregistrierungen von Mädchen, insgesamt knapp 6.000 Stück. Das sind nicht nur deutlich mehr als zu Coronazeiten, sondern auch als in den Saisons davor. 2017/2018 wie 2018/2019 waren es nur um die 3.500.

Auf diese Zahlen hatte die Europameisterschaft dabei noch gar keinen Einfluss. Sie fand nach dem Meldezeitraum zur aktuellen Saison statt. Das heißt, ein möglicher Anstieg ließe sich erst nächstes Jahr beziffern. Dieser zeichne sich aber zumindest ab. Laut den Verbänden gab es schon erste positive Rückmeldungen und Nachfragen nach der EM. Sie versuchen diesen Boom nun mitzunehmen.

Lisa Lang will dabei überhaupt gar keinen Boom, denn das sei nichts Gutes: "Das ist dann immer so eine kurze Blase, die dann auch irgendwann wieder schnell verblasst. Ich würde sagen, es war auf jeden Fall ein positiver Trend [...] und ich hoffe, dass der eben deutlich länger anhält als nur so ein kurzer Moment."

Ähnlich formuliert es Birgit Bauer-Schick, die Abteilungsleiterin der SC Freiburg Frauen. Sie freut sich über das gesteigerte Interesse, dieses gelte es aber zu stabilisieren: "Ich erhoffe mir, dass wir die Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit behalten." Dann sei die EM ein gutes Fundament, um darauf aufzubauen. Bauer-Schick ist hoffnungsvoll: "Ich habe ein richtig starkes Gefühl, dass sich was bewegen kann. Es bewegt sich einfach was im Frauen- und Mädchenfußball. Und ich hoffe einfach, dass wir das mitnehmen können in die Liga."

Wie die Verbände den Frauenfußball unterstützen wollen

Um dieses Interesse in die Liga mitzunehmen, haben die drei Verbände gemeinsam die Kampagne "Girls Kick It" gestartet. Dabei stehen prominente Fußballerinnen aus der Region als Patinnen für den Mädchenfußball für Aktionen zur Verfügung. Beispielsweise geben die frisch gekürte Vizeeuropameisterin Klara Bühl oder die Welt- und Europameisterin Melanie Behringer Interviews in den sozialen Medien. Sie sollen den Mädchen als Vorbilder dienen und über Identifikation an den Fußball binden. Der Südbadische Verband konnte dafür den SC Freiburg als Kooperationspartner gewinnen. Der Verband erhofft sich, die Bekanntheit des Vereins zu nutzen. "Da geht es vor allem darum, die Sichtbarkeit und die Wahrnehmung des Frauen und Mädchenfußballs zu stärken und aufzuwerten", sagt Mareike Ludwig.

Die Patinnen sollen zudem an weiteren, bereits etablierten Maßnahmen wie den Tag des Mädchenfußballs, den Mädchen-Aktionstagen an Schulen oder auch den sogenannten AOK-Treffs FußballGirls teilnehmen. Diese bieten Mädchen in Vereinen und Schulen Schnupper-Trainingseinheiten an, ohne dass sie direkt Mitglied werden müssen. Ludwig betont, dass diese Maßnahmen zuletzt ausgebaut wurden: "Dieses Jahr haben tatsächlich im Südbadischen Fußballverband bereits zehn Tage des Mädchenfußballs stattgefunden. Das ist sehr viel im Vergleich zu den letzten Jahren."

Gesteigertes Interesse mit der EM im Rücken

Im Kontext der EM baut sie darauf, dass die Aktivitäten noch mehr Aufmerksamkeit bekommen: "Ich erhoffe mir tatsächlich ein bisschen, dass durch die gestiegene mediale Präsenz und auch die Präsenz bei den Leuten der Frauen und Mädchenfußball etwas aufgewertet worden ist." Dennoch sieht auch sie die EM nicht als Allheilmittel: "Dadurch werden jetzt nicht die Spieler- und Vereinszahlen oder Mannschaftszahlen in die Höhe schnellen." Die mediale Präsenz müsse konsequent eingefordert und gewährleistet werden. Die Verbände aber auch die Vereine hätten noch viel Arbeit vor sich, Mädchen für den Fußballsport zu begeistern.

Spielerinnen, die vom Fußball überzeugt wurden, gilt es anschließend auch im Verein zu halten. Das steht und fällt oft mit der Qualität der Trainer und Trainerinnen sowie weiterer kompetenten Personen im Verein. Dafür bieten die Verbände Qualifizierungsstipendien an für Personen, die im Frauen- und Mädchenfußball aktiv sind, sowie spezielle Lehrgänge nur für weibliche Junior-Coaches. Für Frauen in der Vereinsführung- und Verwaltung gibt es ein eigens dafür geschaffenes Seminar.

Auch an diesen Maßnahmen sind oft die großen Vereine wie der SC Freiburg beteiligt, unter anderem in der Ausbildung. Gerade im kleinen Bereich bei den Mädchen würde man unterstützen, so Abteilungsleiterin Bauer-Schick. Beispielsweise mit dem Mädchen-Füchsle-Tag des SCF, einem offenen Training mit Talentsichtung. Mehr als Repräsentation und Untersützung könne der Verein aber nicht für die Basis leisten, sagt Bauer-Schick. Für die großen infrastrukturellen Fragen seien die Verbände verantwortlich.

Gute Vereinsstrukturen in Baden-Württemberg

Dennoch lässt sich daran die Bedeutung von großen Vereinen für die Region erkennen. Baden-Württemberg hat den Vorteil einer soliden Vereinsstruktur. Das Land hat mit dem SC Freiburg und der TSG Hoffenheim zwei Vertreter in der 1. Bundesliga. In der 2. Bundesliga spielen der SC Sand sowie die zweiten Mannschaften von Freiburg und Hoffenheim. Dazu kommt die Frauenabteilung des Karlsruher SC, die in den vergangenen Saisons knapp am Aufstieg in die zweite Liga gescheitert ist.

Der SCF und die TSG sind zwar keine absoluten Spitzenklubs der 1. Bundesliga, aber dennoch renommierte Adressen. Beide sind fest in der ersten Liga verankert. Freiburg stand zudem 2019 im DFB-Pokalfinale, Hoffenheim spielte vergangene Saison Champions League. Ganz besonders haben sich aber beide Vereine einen Ruf als Talentschmieden erarbeitet. Viele Spielerinnen haben über badische Mannschaften den Weg in die weite Fußballwelt geschafft. So auch einige der Vize-Europameisterinnen.

Talentschmiede SC Freiburg

Der SC Freiburg ist als ehemalige Station der Vize-Europameisterinnen oft vertreten. Viele Spielerinnen wurden im Breisgau ausgebildet, wie Giulia Gwinn oder Klara Bühl. Oder haben sich dort in einem Zwischenschritt entscheidend weiterentwickelt. Merle Frohms oder Lina Magull beispielsweise. Die starke Ausbildungsarbeit des SCF ist kein Zufallsprodukt und auch ein Verdienst der Abteilungsleiterin Birgit Bauer-Schick. Seit 1991 ist sie dabei und hat die Strukturen mit aufgebaut.

Nicht von ungefähr steht der SC Freiburg da, wo Borussia Dortmund, Mainz 05 oder der VfB Stuttgart erst noch hinwollen. In Freiburg wurde über Jahre eine nachhaltige Infrastruktur etabliert. Die Frauen werden konsequent vom Verein unterstützt, sagt uns Birgit Bauer-Schick: "Wir sind fester Bestandteil vom SC Freiburg. Wir sind auch keine Randsportart oder laufen so mit, sondern gehören richtig fest dazu." Die erste Mannschaft trainiert und spielt z.B. inzwischen im alten Dreisamstadion und hat dort die guten Bedingungen der Männermannschaft geerbt. "Deswegen sind wir da richtig gut aufgestellt. Das hat sich so entwickelt, das hätte ich mir vor 30 Jahren nicht träumen lassen, dass wir mal so weit sind.", so Bauer-Schick. 

Baden-Württemberg kann alles. Außer Talente halten

So hat es der SCF zu einer Anlaufstelle für Talente der Region geschafft, ähnlich wie die TSG Hoffenheim. Hier wurden die vorhandenen finanziellen Mittel bewusst in den Frauenfußball investiert. Allerdings betrachten die Top-Spielerinnen die Klubs und damit auch die Region als Sprungbrett. Von Freiburg aus gehen sie gerne nach Bayern zu den Münchnern, beispielsweise die erwähnten Giulia Gwinn, Klara Bühl oder Lina Magull. Über Hoffenheim ging es oft nach Niedersachsen zum VfL Wolfsburg, wie z.B. Tabea Waßmuth, Lena Lattwein oder Jule Brand.

Birgit Bauer-Schick und Jochen Saier verabschieden Sandra Starke vom SC Freiburg
Birgit Bauer-Schick verabschiedet Sandra Starke am letzten Spieltag der Saison 2020/2021 in Richtung Wolfsburg

Birgit Bauer-Schickt trauert ihren Talenten nach: "Glauben Sie mir eins, ich hätte die ganzen [Spielerinnen] wahnsinnig gerne behalten." Aber der SCF habe nicht die Mittel, um mit den Dauermeistern aus Wolfsburg und München mitzuhalten. Oft habe sie das Argument des "berühmten nächsten Schritts" gehört. Bauer-Schick zweifelt, ob sich das in Zukunft ändern kann. Dafür müsse der Verein nochmal finanziell "Betrag X" drauflegen, damit rechne sie aber nicht. Trotz der vorhandenen Bundesligisten ist Baden-Württemberg nicht die Nummer eins im Frauenfußball.

Bringt der VfB das Schwabenland auf die Karte?

In der Bundesliga sind bisher nur Vereine aus Baden vertreten, Württemberg fehlt komplett. Das könnte sich allerdings bald ändern. Der VfB Stuttgart ist in den Frauenfußball eingestiegen. Dank einer Kooperation mit dem VfB Obertürkheim konnte man in dieser Saison unter eigenem Namen in der Oberliga, der vierten Spielklasse, an den Start gehen. Und dort will man nicht lange verweilen. „Die klare Zielsetzung ist natürlich aufzusteigen“, sagt Alexander Wehrle, Vorstandsvorsitzender des VfB Stuttgart, im Gespräch mit SWR Sport. Ein Zwischenjahr in der Regionalliga gibt er dem Verein anschließend und erwartet danach den Aufstieg in die 2. Liga. „Und dann ist alles möglich, und das muss unsere Zielsetzung sein“, so Wehrle.

Der VfB könnte als Leuchtturmverein einen starken Einfluss auf die Region haben. Und dabei helfen, den EM-Boom in eine stetige Entwicklung des Frauenfußball zu überführen. Davon ist Vereinsmanagerin Lisa Lang überzeugt: „Wir sind der größte Sportverein Baden-Württembergs. Ich glaube, wenn nicht wir, wer dann? Es war es ein großes Zeichen und auf jeden Fall auch echt dringend notwendig, dass wir mit dem Frauenfußball starten“. Sie glaubt zudem, dass der VfB zum Start von dem gesteigerten Interesse nach der EM profitieren kann. Die Regionen habe ganz viele Talente. Die Aufmerksamkeit könne einige dazu animieren vom Bolzplatz in die Vereine zu gehen. Deswegen sagt sie: "Ich glaube, dass es insgesamt dem Fußball, aber auch der Region hier echt gut tun kann."

Auch Birgit Bauer-Schick glaubt, dass die neue Konkurrenz der Region helfen wird: „Für den Frauenfußball insgesamt tut das bestimmt gut.“ Der SCF habe viele Nachwuchsspielerinnen aus Württemberg, die mangels Alternative nach Baden kommen. Diese hätten in Zukunft mehr Auswahl und möglicherweise eine kürzere Anfahrt: „Es wird bestimmt schwieriger, die zu überzeugen zum SC Freiburg zu gehen.“ Auch wenn es für Freiburg schwerer wird, der Fußball der Region profitiert. Und Bauer-Schick kann dem neuen Wettbewerb auch gute Seiten abringen: „So ein Derby gegen den VfB Stuttgart ist bestimmt eine coole Sache.“ Sie ergänzt: „Wettbewerb ist Wettbewerb. Stuttgart ist natürlich auch ein cooler Name. Also fast so gut wie SC Freiburg.“

Wie geht es weiter mit dem Frauenfußball in Baden-Württemberg?

Die Vereine, Verantwortlichen und Verbände sind sich einig. Die EM wird nicht von jetzt auf gleich den Frauenfußball in Baden-Württemberg zum Volkssport machen. Man müsse Schritt für Schritt gehen, den Aufschwung stabilisieren und nachhaltig investieren. Ein Fundament ist da bezüglich Aufmerksamkeit, Vereinen und Spielerinnen. Darauf gelte es aufzubauen, um den Frauen- und Mädchenfußball im Land weiter auszubauen. Möglicherweise gibt es bald drei Erstligisten in Baden-Württemberg und möglicherweise führt dann der berühmte nächste Schritt baden-württembergischer Talente nicht mehr aus dem Bundesland heraus.

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