Senpai - so wird Annika Huynh in der Kampfkunstabteilung Koku-Ryu-Do der Turngemeinde Trossingen genannt. Auf Japanisch bedeutet das so viel wie Mentor.
Im Gegensatz zum Lehrer, dem Sensei, ist ein Senpai ein persönliches Vorbild, das den Lernenden durch seine Erfahrung und sein Engagement den Weg weist. Den Titel hat Huynh jetzt auch schriftlich. Die 36-Jährige ist eine von landesweit zehn ausgewählten Vorbildern des Jahres 2023.
Einsatz für Kinder
In ihren sechs Jahren bei der TG Trossingen hat Annika Huynh viel bewegt. Sie ist Kindertrainerin, Sportlerin, Trainerin in Ausbildung und Vorstandsmitglied. Neben ihrer Arbeit im Ordnungsamt steht sie rund neun Stunden pro Woche für ihren Verein in der Halle.
Dank ihres Engagements können die Kinder inzwischen zweimal in der Woche trainieren - auf richtigen Matten. Um die zu finanzieren, sammelte Huynh Spenden bei Firmen in der Umgebung.
Engagement, das ansteckt
Für Cheftrainer Michael Gracia-Hernandez ist Annikas Engagement für die Kampfkunst-Abteilung der TG Trossingen unvergleichlich. "Die aktive Vereinsarbeit, die wir jetzt haben, die gab es früher nicht, das hat Annika ermöglicht." Gracia-Hernandez ist überzeugt, dass Huynhs Engagement die anderen mitgezogen hat, nicht zuletzt ihn selbst.
Es gab eine Zeit, in der Michael Gracia-Hernandez ernsthaft daran dachte aufzuhören. "Aber ihre Leidenschaft zu sehen, hat auch meine eigene Leidenschaft wieder entfacht. Ich finde, wenn jemand so besonders ist, muss man das auch anerkennen", erzählt er.
Ganz im Stil von Senpai Huynh ließ er dem Gedanken Taten folgen. Gracia-Hernandez steckt hinter Huynhs Nominierung zum Vorbild des Jahres 2024, von der die Preisträgerin bis zu ihrer Auszeichnung gar nichts wusste.
In nur sechs Jahren zur Deutschen Meisterin
Ihren Weg in den Verein fand Annika Huynh über das Eltern-Kind-Turnen mit der älteren ihrer zwei Töchter. Bald entdeckte sie die Kampfkunst-Abteilung und damit ihre Leidenschaft. Heute beeindruckt Huynh sowohl sportlich als auch menschlich.
Die Trossingerin ist Deutsche Meisterin in der Kategorie Softstyle-Formen. Auch bei den KADO-Europameisterschaften sicherte Huynh sich mit ihrem Shi San Quan (siehe Kasten) dieses Jahr bereits die Silbermedaille.
Huynh macht Kinder gegen Mobbing stark
Selbstverteidigung und Gewaltprävention liegen Annika Huynh besonders am Herzen. "Unter den Kindern gibt es viele, die in der Schule gehänselt oder gemobbt werden." Die Trainerin wisse leider selber, wie das ist. "Wir möchten Kinder schützen, ihnen helfen, sich selbst zu schützen und als Vorbilder vorangehen", erklärt Huynh.
Bei ihr im Training lernen die Mädchen und Jungen Befreiungstechniken, um sich in Konfliktsituationen, wie auf dem Schulhof, zu verteidigen. Doch Huynh geht es vor allem auch darum, "das Selbstbewusstsein der Kinder zu stärken, damit sie aus der Opferrolle herauskommen".
Respekt und Miteinander sind in der Kampfkunst wie im Training zentrale Werte. "Alle Kinder hier wissen, wenn wir zum Beispiel mitkriegen, dass sie anfangen, andere zu mobben, dann fliegen sie raus. Das wird bei uns nicht geduldet", betont Huynh.
Fachlich fit für Schutz und Sicherheit der Kinder
Eine zentrale Philosophie vieler Kampfkünste ist das lebenslange Lernen. Diese Herangehensweise verfolgt auch Annika Huynh in ihrer Trainerlaufbahn. Sie investiert viel Zeit und Geld in Fortbildungen, um die Vereinsarbeit und das Training noch besser gestalten zu können.
Huynh ist zertifizierte Gewaltpräventionspädagogin und Trainerin für diverse Kampfkünste und Selbstbehauptung. Sie engagiert sich intensiv für den Schutz und die Stärkung von Kindern und Jugendlichen und scheut dabei vor keinem Thema zurück.
Die nächste Weiterbildung ist schon geplant
Mit anderen aus dem Verein absolvierte sie eine Fortbildung zum Umgang mit sexualisierter Gewalt im Verein und im Kindergarten. Auch die Abteilungsleitung hat mitgezogen, um gemeinsam ein umfassendes Schutzkonzept für alle Mitglieder zu erarbeiten.
"Es geht darum zu wissen, wie man reagieren muss, welche Personen man ins Boot holen kann, wenn es zu einem Vorfall kommt. Damit niemand hilflos dasteht oder Vorfälle schlimmstenfalls sogar unter den Teppich gekehrt werden", erklärt Huynh.
Die 1.000 Euro, die sie als Vorbild des Jahres erhalten hat, will die Tossingerin nutzen, um noch mehr zu lernen. Im Herbst steht eine Ausbildung zur Freizeitpädagogin an, und Huynh meint: "Da ist das Geld gut angelegt."