Fledermäuse übertragen seltener Viren als gedacht
Als Blutsauger werden sie in Mythen gefürchtet. Und auch in der Realität haben viele Angst vor Fledermäusen. Denn die Tiere stehen in Verdacht, gefährliche Krankheiten zu übertragen.
Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie hat nun untersucht, für welche Krankheiten es handfeste Beweise gibt – am Beispiel von afrikanischen Fledermausarten. Dina Dechmann, die an der Fledermaus-Studie mitgearbeitet hat, findet die Ergebnisse erschreckend:
In über 160 Studien der letzten 40 Jahre fanden die Forschenden umfangreiche Belege für das Marburg-Virus. Und auch Übertragungen vom Sosuga- und Bombali-Virus können nachgewiesen werden.
Genaue Artbestimmung wichtig: Fledermaus ist nicht Fledermaus
Wichtig sei vor allem die genaue Artenbestimmung. Allein auf dem afrikanischen Kontinent gibt es hunderte Arten, erklärt Dina Dechmann.
In Deutschland gibt es im Vergleich deutlich weniger Fledermausarten. Doch auch hier können sie eine Krankheit übertragen. Die sogenannte "Fledermaustollwut", ausgelöst durch Lyssa-Viren.
Steckbrief Fledermaus
Manche denken bei Fledermäusen an Vampire. Dabei gibt es nur eine Fledermausart, die sich von Blut ernährt.
Wie kann man sich vor der Fledermaustollwut schützen?
Der Tierarzt Martin Straube kann Entwarnung geben. Eine Ansteckung ist unwahrscheinlich:
Wer einer kranken Fledermaus doch zu nah kommt, kann sich impfen lassen. Das empfiehlt der Tierarzt sowieso allen, die regelmäßig Kontakt zu den Tieren haben. Nicht etwa Personen, die Fledermäuse am Haus haben. Sondern Pflegende, die regelmäßig kranke Fledermäuse aufnehmen. "Die sollten sich gegen die gewöhnliche Tollwut impfen lassen", rät Straube. Denn das schütze auch zuverlässig gegen eine Infektion mit Fledermaustollwut.
Fledermäuse – gefährdet statt gefährlich
Weltweit lässt sich das Infektionsrisiko noch weiter reduzieren, indem Fledermäuse besser geschützt werden – und wir nicht noch weiter in ihren Lebensraum eindringen. In Deutschland stehen einige Arten auf der roten Liste.
Das Problem: "Wir restaurieren unsere Dachstücke. Wir fällen alte Bäume, die vielleicht noch Höhlen drin haben", erklärt die Verhaltensbiologin Dina Dechmann. Dadurch fehlt es den Fledermäusen an Unterschlupf. Auch Pestizide seien laut Dechmann eine große Gefahr. Die Fledermäuse essen dadurch entweder vergiftete Insekten oder finden nicht mehr ausreichend Nahrung.
In einigen Regionen auf der Welt werden Fledermäuse außerdem gejagt. Sie gelten als Delikatesse oder werden zum Beispiel als Medizin verwendet. Auch im Zuge der Virenforschung werden viele der Tiere getötet.
Tiere Bedrohte Fledermaus – Kommunikations-Genie im Klimastress
Fledermäuse sind weder gefährliche Blutsauger noch böse Corona-Überträger. Sie sind wichtig fürs Ökosystem. Einige Arten sind bedroht. Um sie zu schützen, baut die Deutsche Bahn sogar Brücken.
So wichtig sind Fledertiere für Ökosysteme
Sollte der Fledermausbestand weiter zurückgehen, hätte das verheerende Folgen für die Ökosysteme, in denen sie leben. Die Tiere sind fleißige Bestäuber und verteilen auch Pflanzensamen oft kilometerweit. Das macht sie zu wichtigen Aufforstern. "Wir müssen den Erhalt der Wälder, auch der Regenwälder, ganz klar in den Flügeln der Fledermäuse sehen", sagt Martin Straube.
Ein Beispiel dafür ist der Palmenflughund, den Dina Dechmann und das Max-Planck-Institut in Afrika viel erforschen.
Fledermäuse haben Super-Immunsystem
Und in der medizinischen Forschung könnten Fledertiere sogar noch eine ganz andere Rolle einnehmen. Ihrer Immunabwehr werden regelrechte 'Superkräfte' nachgesagt. Die Biologin plädiert für ein Umdenken: "Anstatt zu sagen: Oh, die Fledermäuse sind mit dem Virus in Kontakt, vielleicht können sie es übertragen? Könnte man fragen: Wie machen die das, dass sie dieses Virus so gut überleben?".
Auch Martin Straube sieht Potential: Wird das Immunsystem der Fledermäuse noch besser erforscht, könnten daraus neue Therapieansätze und auch Heilungsmöglichkeiten für den Menschen erwachsen. Fledermäuse scheinen also deutlich besser als ihr Ruf.