Bundeswehrsoldat sieht besorgt auf einen Computerbildschirm, tags: Bundeswehr, All, Satellit

Militärtechnik

Verteidigung im Weltall - wie handlungsfähig ist die Bundeswehr?

Stand
Autor/in
Ute Spangenberger
Onlinefassung
Leila Boucheligua

Die zwei Reflektorsatelliten des SARah-Aufklärungssystems der Bundeswehr, die im Dezember von der Vandenberg Space Force Base ins All geschossen wurden, sind nach wie vor nicht einsatzbereit. Wie geht es jetzt weiter? Die Lage ist verfahren.

Die Pleiten-, Pech und Pannenserie bei der Bundeswehr hat nun auch den Weltraum erreicht. Zwei der drei Satelliten des Spionagesystems SARah scheinen bislang keine Radarbilder liefern zu können.

Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums teilt auf Anfrage mit, bei den Satelliten „gibt es weiterhin Verzögerungen bei der Inbetriebnahme“. Seit Wochen gibt es Medienberichte über Probleme bei den beiden Satelliten.

Der ehemalige Astronaut und Raumfahrtexperte Ulrich Walter sagt:

Dass zwei der drei militärischen Aufklärungssatelliten SARah ihre Radarantennen nicht ausklappen können, ist für den Hersteller OHB und somit Deutschland hochpeinlich. Vor allem, weil das Ausklappen solcher Strukturen von Satelliten immer problematisch ist. Ein weiteres Problem: Solche mechanischen Hänger lassen sich Boden aus kaum beheben.

Verteidigung und Aufklärung im Weltall: Die drei SARah-Satelliten sollten eigentlich für militärische Zwecke genutzt werden. Doch bislang können zwei der drei Satelliten kein Radarbilder liefern.
Verteidigung und Aufklärung im Weltall: Die drei SARah-Satelliten sollten eigentlich für militärische Zwecke genutzt werden. Doch bislang können zwei der drei Satelliten kein Radarbilder liefern.

Zwei Satelliten nicht einsatzbereit: Fehlersuche

Das Bundesverteidigungsministerium verweist auf den Hersteller OHB und das zuständige Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw):

Der Auftragnehmer OHB arbeitet an einer Lösung und steht hierzu mit dem BAAINBw in Koblenz in einem engen Austausch. Bisher haben diese Bemühungen zu keinem Erfolg geführt.

In den kommenden Wochen werde man zusammen mit OHB einen Plan entwickeln, wie der Vertrag erfüllt werden könne, falls die Funktionsfähigkeit der Satelliten nicht wieder hergestellt werden könne. Und weiter: Die beiden in Frage stehenden Satelliten befinden sich noch im Eigentum der OHB.“ Die Aufklärungsfähigkeit der Bundeswehr sei nicht eingeschränkt.

Insgesamt verfügt die Bundeswehr derzeit über acht Satelliten im All, mit den beiden Satelliten der Firma OHB wären es zehn.

Das Unternehmen OHB äußert sich zu dem Fall nicht, aber es ist anzunehmen, dass man in Bremen fieberhaft an einer Lösung arbeitet. Wie die aussehen könnte, scheint fraglich. Sollten die beiden Satelliten nicht repariert werden können, würde es unter Umständen lange dauern, neue zu liefern.

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Was kann SARah?

Das Aufklärungssystem SARah (Synthetic Aperture Radar plus angehängtes „ah“) soll das ebenfalls radarbasierte und nach wie vor genutzte Satellitensystem SAR-Lupe ersetzen.

SARah besteht insgesamt aus drei Satelliten und ist ein bildgebendes Radarsatellitensystem, das nach Bundeswehrangaben „weltweit tageslicht- und wetterunabhängig höchstauflösende SARSynthetic Aperture Radar-Bilddaten gewinnt“.

Der erste Satellit des Systems ist 2022 in den Weltraum gebracht worden und funktioniert. Er kommt von Airbus. Damals hatte die Bundeswehr gesagt:

Mit SARah haben wir für die Zentrale Abbildende Aufklärung ein weltweit einmaliges System beschafft. Sobald die übrigen Komponenten betriebsbereit sind, verfügt die Truppe über ein Werkzeug, auf das sie stolz sein kann.

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Wie muss sich Deutschland im All aufstellen

Statt Stolz nun Ernüchterung und Blamage. Die Schlagzeilen um die Einsatzfähigkeit der SARah-Satelliten kommen für die Bundeswehr und die Bundesregierung zur Unzeit. Derzeit ist die Diskussion darüber, wie sich Deutschland im Weltraum aufstellt, in vollem Gang und nicht selten gibt es Kritik an den politisch Verantwortlichen.

Der Kernpunkt: Deutschland müsse sich im Weltraum besser rüsten, da Satelliten zur kritischen Infrastruktur gehören. Längst finden militärische Operationen nicht mehr nur auf der Erde statt. Ob Aufklärung, abhörsichere Kommunikation oder Einsatzführung – Satelliten haben an Bedeutung gewonnen und müssen geschützt werden.

Auf viele Fragen muss die Bundesregierung Antworten geben und Lösungen finden. Antje Nötzold, Wissenschaftlerin an der Technischen Universität Chemnitz, führt beispielsweise den Aspekt Schutz der Satelliten an:

Welche Systeme sollen wie geschützt werden? Sollen Systeme nur weiterhin beobachtet, gewarnt und passiv geschützt werden oder müssen nicht auch Möglichkeiten aktiver Verteidigung in Betracht gezogen werden. Wie kann eine „ glaubwürdige Abschreckung“ gegen Bedrohungen von Raumfahrtsystemen aussehen, was sind für Deutschland Mittel der Abschreckung? Über welche verfügen wir, welche brauchen wir?

Weltraumsicherheitsstrategie soll kommen

Noch in diesem Jahr plant die Bundesregierung eine sogenannte Weltraumsicherheitsstrategie als ressortgemeinsames Dokument des Bundesverteidigungsministeriums und des Auswärtigen Amts zu veröffentlichen. Eigentlich sollte die Strategie schon veröffentlicht sein. Antje Nötzold sagt, dass Deutschland „sehr spät dran“ sei:

Alle wichtigen Verbündeten haben in den letzten Jahren Weltraumverteidigungsstrategien beschlossen. Bereits 2020 hat die USA in ihrer Space Defense Strategie den Weltraum als neue „warfighting domain“ ausgewiesen, die NATO hat den Weltraum als „operational domain“ neben Boden, Luft, See und Cyber definiert und in ihrer Nato Space Policy 2022 bekräftigt, dass Attacken im, aus oder durch den Weltraum den Artikel 5 Bündnisfall auslösen können.

Zeitenwende im All

Die Militarisierung des Weltraums findet längst statt, von Freund und Feind. Vier Staaten – die USA, China, Indien und Russland – haben bereits sogenannte Antisatellitentests durchgeführt, bei denen sie mit Absicht zu Testzwecken mit speziellen Raketen ihre eigenen Satelliten zerstört haben.

Das könnte man auch mit gegnerischen tun. Laserangriffe vom Boden oder Annäherungsmanöver feindlicher Satelliten sind ebenfalls realistische Szenarien oder finden bereits statt.

Antje Nötzold sagt, dass der Politik und der Gesellschaft in Deutschland der strategische Blick in den Weltraum fehle:

Wir müssen unsere weitgehend romantisch-wissenschaftliche, verklärende Sonnenbrille beim Blick in den Weltraum absetzen. Die Zeitenwende finde auch über unseren Köpfen bereits statt, ob wir es in Deutschland wahrhaben wollen oder nicht. Wir müssen Geopolitik nicht nur wieder auf der Erde denken lernen, die zunehmende Rivalität um Einfluss, Macht findet auch im Weltraum statt.

Damit sich Deutschland und Europa im Weltraum militärisch besser aufstellen, bleibt noch viel tun, etwa auch, was den Aufbau von Weltraumbahnhöfen angeht.

Bislang sind von Europa noch keine Raketen mit Satelliten in den Weltraum gestartet, außer vom russischen Weltraumbahnhof Plessezk. Auch einige der deutschen Militärsatelliten wurden dort gelauncht. Das ist spätestens seit Beginn des Ukraine-Kriegs undenkbar geworden.

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