Im ersten Jahr der Pandemie ist die Zahl der neuen HIV-Diagnosen in Europa um 24 Prozent gesunken. Klingt gut, liegt aber vor allem daran, dass in vielen Ländern kaum noch getestet wurde, betont das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten ECDC. Noch immer ist die Versorgung von HIV-positiven Menschen weltweit durch Corona beeinträchtigt. Das ist ein wichtiges Thema auf der Welt-Aids-Konferenz, die gerade in Montréal stattfindet.
In Deutschland werden die sinkenden Zahlen positiv bewertet
Auch in Deutschland ist die Zahl der Neuinfektionen im ersten Pandemiejahr deutlich gesunken, von 2300 auf 2000. Neuere Zahlen liegen noch nicht vor. Die Deutsche Aidshilfe bezeichnet den Rückgang als Erfolg. Sie nennt gleich mehrere Gründe: Zum einen haben die Kontaktbeschränkungen durch Corona eine Rolle gespielt. Zum anderen hätten gute Testangebote in Deutschland zu mehr frühen Diagnosen geführt. Je früher HIV festgestellt wird, desto besser lässt es sich behandeln. Das führt dann auch zu weniger neuen Ansteckungen, denn wer die verordneten Medikamente zuverlässig nimmt, kann auch seine Partner nicht mehr infizieren.
HIV-Positive leiden in Deutschland vor allem psychisch
Medizinisch gesehen ist die Versorgung von HIV-positiven Menschen in Deutschland gut. Bei einer großen Befragung letzten Herbst sagten drei Viertel der Betroffenen, dass sie sich gesundheitlich kaum eingeschränkt fühlen. Das Leiden ist vor allem psychisch: Fast alle Teilnehmer berichten von diskriminierenden Erfahrungen, 44 Prozent verschweigen die Infektion deshalb im Job. Im Kampf gegen Stigmatisierung ist also noch viel zu tun.
Medikamente schützen vor HIV
Bei der Eindämmung von Aids hat es in Deutschland weitere Fortschritte gegeben: eine Schlüsselrolle spielt dabei das Medikament Truvada. Seit 2019 bekommen Menschen mit hohem Ansteckungsrisiko Truvada von der Krankenkasse bezahlt. Wer die Pillen regelmäßig schluckt, ist damit vor HIV geschützt.
In Großstädten klappt die Versorgung schon sehr gut, auf dem Land aber müsste es mehr Zugang zur vorbeugenden Behandlung geben, fordert die Aidshilfe. In den USA ist seit Dezember auch eine vorbeugende Behandlung mit zweiwöchentlichen Spritzen zugelassen. Die Injektionen mit dem Mittel Apretude haben aber mehr Nebenwirkungen als die tägliche Pillentherapie.
Kann ein Impfstoff gegen Aids helfen?
Bei den Impfstoffen fällt die Bilanz im Moment gemischt aus: Bei klassischen Impfstoffen ist im letzten Herbst gerade erst wieder eine Studie gescheitert– die Schutzwirkung lag nur bei 25 Prozent. Die Tests mit mehr als 2600 jungen Frauen in Afrika wurden abgebrochen. Jetzt ist noch ein weiterer ähnlich aufgebauter Impfstoff im Rennen, erste Daten dieser „Mosaico“-Studie werden nächstes Jahr erwartet.
Aber vielleicht gelingt ja der Durchbruch mit mRNA-Impfstoffen: Moderna hat im Januar erste Testreihen mit einer mRNA-Impfung gegen HIV gestartet, auch Biontech entwickelt einen Impfstoff gegen den Aids-Erreger. Die Hoffnungen sind groß, aber ob sich Aids mit Hilfe von mRNA eines Tages tatsächlich besiegen lässt, ist im Moment völlig offen. Denn das HI-Virus ist nochmal sehr viel wandelbarer als Coronaviren, deshalb dauert die Suche nach einem Impfstoff auch schon fast vierzig Jahre.