Sätze wie "Hat prima geschmeckt!", "Tolles Kleid!" oder "Wie geht´s? Danke, gut!" hat jeder schon mal gesagt, auch wenn sie geschummelt waren. Doch krasse Lügengeschichten, wie Detlev Buck alias Hotte sie im "Tatort" aus Münster "Der Mann, der in den Dschungel fiel" gezählt, sind eine andere Liga.
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Pseudologia fantastica nennen Fachleute das pathologische oder krankhafte Lügen. Der Begriff stammt vom Psychiater Anton Delbrück, der den Drang zum Lügen und Übertreiben 1891 zum ersten Mal beschrieben hat.
Krankhaftes Lügen kann zwei Ursachen haben
Für krankhaftes Lügen gibt es vor allem zwei Ursachen: mangelndes Selbstwertgefühl oder eine Persönlichkeitsstörung.
Bei einem geringen Selbstwertgefühl lügt die Person, weil sie besser dastehen will. Sie benutzt zum Beispiel einen Doktortitel, obwohl sie keinen hat, oder sie erfindet zwanghaft Krankheiten, an denen sie gar nicht leidet oder macht sich selbst bewusst krank. "Münchhausen Syndrom" heißt das in Fachkreisen.
Bei einer antisozialen Persönlichkeitsstörung lügen die Betroffenen, weil sie sich Vorteile verschaffen wollen. Betrügen bereitet ihnen keine Gewissensbisse.
Pathologische Lügner haben eine veränderte Gehirnstruktur
Solche Lügner mit einer antisozialen Persönlichkeitsstörung haben Anomalien im Hirn. Dies zeigte eine US-amerikanische Untersuchung, bei der krankhafte Lügner mithilfe von Magnetresonanztomografie (MRT) analysiert wurden.
Die Forschende fanden heraus: Diejenige Hirnregion, die für das Empfinden eines schlechten Gewissens zuständig ist, weist bei krankhaften Lügnern eine andere Struktur auf. Wegen der geringen Anzahl der untersuchten Lügner ist die Studie jedoch nicht repräsentativ.
Unklar ist, wie viele chronisch Lügende es in Deutschland gibt. Die Schätzungen reichen von ein paar tausend Menschen bis zu fünf Prozent der Bevölkerung – von letzterem geht Harald Freyberger aus. Er leitete bis zu seinem Tod im Jahr 2018 die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Greifswald und hat solche Menschen behandelt.
War Karl May ein chronischer Lügner?
Es gibt Fälle, bei denen die Gesellschaft dem Lügner seine Geschichten nicht übelnimmt. Ein bekannter Vertreter dieser Gattung - oder schöner formuliert: jemand, der Realität und Fiktion nicht auseinanderhalten kann - hat das Bild der US-amerikanischen Ureinwohner in Deutschland bis heute geprägt. Sein Name: Karl May.
Karl May behauptete, er habe persönlich mit Bären gerungen, gegen Indianer gekämpft und er spreche 1200 Sprachen.
Karl May saß - wie Hotte aus dem "Tatort" - ebenfalls lange im Knast. Bei May würde man das chronische Lügen aber vermutlich eher mit blühender Fantasie umschreiben und mit schriftstellerischer Freiheit entschuldigen.