Viele Patientinnen und Patienten berichten während und nach einer schweren Covid-19-Erkrankung über neurologische und psychische Beschwerden, wie Geruchs- und Geschmacksverlust, Kopfschmerzen, Sprachstörungen oder Depressionen. Diese Symptome treten bei Patient*innen mit schwerem Covid-19 Verlauf häufiger auf und können als „Long-Covid“ länger bestehen.
Forschende der Universität des Saarlandes und der Stanford University konnten nun in einer Studie zeigen, dass bei schweren Verläufen Zellen in bestimmten Gehirnregionen aktiviert werden, die für die psychischen und neurologischen COVID-19 Symptome verantwortlich sein könnten.
Gewebeproben entnommen und Zellen analysiert
Im Rahmen der Studie wurden acht an Covid-19 verstorbenen Personen und einer Kontrollgruppe von 14 verstorbenen Personen Gewebeproben aus Gehirnregionen entnommen, die unter anderem das Verhalten und die Konzentration steuern.
Mittels einer speziellen Methode – der RNA-Einzelzellsequenzierung – wurden 65.000 Zellen aus 30 Hirnproben untersucht, erklärt Andreas Keller, Gastprofessor in Stanford seit 2019. Dabei wurden die Gene im Zellkern jeder einzelnen Zelle analysiert. Das ist wichtig, um Veränderungen in der Genaktivität – also molekulare Veränderungen der Zelle – festzustellen, die bei einer Erkrankung vorliegen.
Entzündungsreaktion im Gehirn
Erbinformationen von SARS-CoV-2 konnten im Gehirn nicht nachgewiesen werden – das Virus selbst ist offenbar nicht ins Gehirn gelangt. Die Entzündungen werden also durch Covid-19 vermutlich an anderer Stelle im Körper verursacht, durch Entzündungsbotenstoffe bis ins Gehirn und schließlich in entsprechende Gehirnregionen weitergeleitet. Das führt dann dort zur Aktivierung von Immunzellen im Gehirn, die eine Entzündung auslösen.
Außerdem fanden die Forschenden aktivierte T-Zellen im Gehirn. Diese müssen über die Blut-Hirn-Schranke in das Gehirn gewandert sein und verstärken dort die Entzündung. Diese Entzündungen der Gehirnzellen könnten zu den veränderten kognitiven Funktionen von Erkrankten, wie Konzentrationsstörungen, führen. Bei den Gewebeproben der Kontrollgruppe konnten die Forschenden keine Entzündung des Nervengewebes im Gehirn feststellen.
Zellen im Gehirn bei Covid-19 Erkrankung ähneln Zellen bei neurologischen und psychischen Erkrankungen
Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen entdeckten auch Immun- und Nervengewebszellen im Gehirn, die ähnliche Veränderungen auf Genebene aufwiesen, wie Zellen von Menschen mit neurologischen und psychischen Erkrankungen, beispielsweise bei Schizophrenie oder Depressionen. Um diese ähnlichen Muster zu erkennen, mussten die Forschenden alle 20.000 Gene der jeweils 65.000 Zellen untersuchen – also ungefähr 1,3 Milliarden Datensätze! Ein langer Weg.
Bessere Therapien für schwere Covid-19 Erkrankungen
Mit diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen wollen die Forschenden zu besseren Therapien für schwer erkrankte Covid-19 Patienten beitragen. Bei Long-Covid-Patient*innen treten häufig Konzentrationsschwächen und Sprachstörungen auf, die vielleicht auch auf eben diese Entzündung in entsprechenden Gehirnregionen zurückgeführt werden könnten, erklärt Fabian Kern, Erstautor der Studie gemeinsam mit Andrew C. Yang.