Klimawandel und Gesundheit

Steigende Temperaturen erhöhen das Risiko für Infektionskrankheiten

Stand
Autor/in
Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell.
Onlinefassung
Elisabeth Theodoropoulos

Der neue Bericht des Robert-Koch-Instituts zum Thema Klimawandel und Gesundheit warnt davor, dass es künftig mehr krankheitserregende Bakterien in Deutschland geben könnte und fordert eine Anpassung des Gesundheitssystems.

Virus-Überträger wie Zecken und Mücken breiten sich bei steigenden Temperaturen stärker in Deutschland aus und tropische Arten werden bei uns heimisch. Auch Nagetiere werden vermehrt zu Überträgern von Infektionen, sodass Erreger verstärkt in Wasser oder Lebensmitteln vorkommen können. Expertinnen und Experten des Robert-Koch-Instituts fordern jetzt, dass das Gesundheitssystem für die veränderte Verbreitung von Krankheitserregern fit gemacht wird.

Die Tigermücke — eine Überträgerin von Viren — breitet sich in Deutschland aus

Am Beispiel der Asiatischen Tigermücke lässt sich der Einfluss des Klimawandels sehr gut zeigen. Sie ist bereits in Südwestdeutschland heimisch, ebenso in Berlin, Jena und Bayern. Der Experte für tropische Infektionen am Robert Koch-Institut, Klaus Stark, erklärt, dass durch den Klimawandel und die steigenden Temperaturen in Deutschland das Verbreitungsgebiet der Zecken immer größer wird. Problematisch ist, dass die Tigermücke exotische Viren wie zum Beispiel das Dengue Virus, das Chikungunya Virus und das Zika Virus übertragen kann.

Diese Viren vermehren sich in der Stechmücke. Je höher die Temperaturen im Sommer sind, desto schneller können die sich vermehren und desto besser können sie übertragen werden. Das setzt natürlich voraus, dass Personen von diesen Mücken gestochen werden, die das Virus im Blut haben, also aus tropischen Ländern mitgebracht haben.

Laut Expert*innen hilfreich: Monitoring der übertragenden Arten und Aufklärung der Bevölkerung

Deshalb ist jetzt auch ein verstärktes Monitoring gefragt, um einen Überblick zu bekommen, wo sich die Stechmücken ausbreiten – und um eingreifen zu können, wenn die Population zu groß wird. Laut Stark ist es wichtig, dass die Bevölkerung gut informiert ist, wie man sich gegen Zecken schützt, wie man einen Zeckenbiss erkennt und wie man ihn behandelt.

Asiatische Tigermücke
Da die Tigermücke gefährliche Viren übertragen kann, ist es wichtig, dass man einen Zeckenbiss erkennen kann und weiß wie man ihn behandelt.

Bestimmte neue Zeckenarten dringen auch nach Deutschland vor. Sogenannte Hyalomma Zecken, die eigentlich bis vor wenigen Jahren in Deutschland überhaupt nicht gefunden wurden, sind jetzt vorhanden. Noch nicht sehr viele, aber sie können auch Fleckfieber durch Bakterien übertragen. Das kann zum Problem werden.

Expert*innen fordern: Gesundheitssystem sollte Ärzt*innen für "neue" Krankheiten sensibilisieren

Die Forschenden appellieren, es sei höchste Zeit unser Gesundheitssystem anzupassen. So sollten zum Beispiel Ärztinnen und Ärzte sensibilisiert werden, damit diese bei unklarem Fieber in bestimmten Gegenden, in denen eben die Asiatische Tigermücke vorkommt, auch an Denguefieber denken, selbst wenn die Kranken nicht verreist waren. Oder bei Zeckenbissen auch an Fleckfieber.

Eine Zecke sitzt auf menschlicher Haut.
Ärzt*innen sollten in Zukunft bei unklarem Fieber auch an Dengue- oder Fleckfieber denken, welches von Tigermücken oder Zecken übertragen wird, selbst wenn die Patientin nicht verreist war.

Klimawandel begünstigt das Vorkommen von Krankheitserregern in Deutschland

Neben Mücken und Zecken gibt es eine ganze Reihe weiterer Infektionen, die durch den Klimawandel häufiger auftreten werden: Verursacht zum Beispiel durch Hanta-Viren. Die vermehren sich stärker, wenn es mehr Wirtstiere gibt. Hanta-Viren haben ihr Reservoir in Rötelmäusen, die sich von Bucheckern ernähren.

Buchen wiederum produzieren bei höheren Temperaturen deutlich mehr Früchte, was zu einem Anwachsen der Rötelmaus-Population führt – und zu einem Anstieg der Übertragungsrisiken. Rötelmäuse leben auf der Schwäbischen Alb, in Bayern, im Bayerischen Wald, aber auch in Norddeutschland und in einzelnen Gebieten in Mitteldeutschland. 

Diese Mäuse tragen die Hanta-Viren in sich, erkranken selbst nicht, können aber über Urin und Kot den Erreger ausscheiden. Der kann auch in getrockneter Form viele Wochen überleben. Und wenn Personen diese Exkremente einatmen, diese Stäube einatmen, dann können sie zum Teil sehr schwer erkranken mit hohem Fieber, Nierenbeteiligung und so weiter.

Ein weiteres Beispiel für sogenannte „klimasensitive“ Erreger sind Vibrionen. Diese eigentlich natürlich vorkommende Bakterienart vermehrt sich in der immer wärmer werdenden Ostsee überdurchschnittlich stark. Vibrionen können über kleinste Wunden in die Haut eindringen. Bei älteren oder Menschen mit geschwächtem Immunsystem kann das zu schweren Infektionen führen.

Die Menschen machen Urlaub an der Ostsee und kommen heim und haben eine Infektion. Und dann ist es natürlich wichtig, dass die entsprechenden Hausärzte da auch darüber Bescheid wissen.

Menschen, die in der Ostsee baden wollen, sollten aufgeklärt werden, sagt Hertig, die den Sachstandsbericht mitverfasst hat. Denn gerade Personen mit Vorerkrankungen und oder mit einer gewissen Immunschwäche sollten dort nicht ins Wasser gehen.

RKI fordert Anpassung des Gesundheitssystems

Wir stehen hier vor einer wirklich großen Herausforderung, auch für das Gesundheitssystem. Ich möchte es jetzt nur am Beispiel Hitze festmachen. Die wirkt sich eben nicht nur auf ältere Bevölkerungsgruppen aus, die bestimmte Vorerkrankungen haben wie zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sondern wir sehen, dass die Auswirkungen sehr vielseitig sind. Von Hitze sind zum Beispiel auch Schwangere stark betroffen, es kann zu Frühgeburten kommen. Menschen, die unter Diabetes leiden, sind sehr stark betroffen. Die Hitze wirkt auf unser Nervensystem, auf die Nieren, auf viele Organe. Und auch Medikamente wirken anders bei Hitze. Also es sind sehr vielschichtige gesundheitliche Auswirkungen nur allein durch Hitze.

Der RKI-Bericht zieht das Fazit: Das Gesundheitssystem muss jetzt an die Folgen des Klimawandels angepasst werden. Denn zu der steigenden Infektionsgefahr kommt die Tatsache, dass wir eine alternde Gesellschaft sind und hier zahlreiche ältere Menschen mit vielen Vorerkrankungen leben, die besonders verwundbar sind. 

Mehr zum Thema

Stand
Autor/in
Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell.
Onlinefassung
Elisabeth Theodoropoulos