Heuschrecken sind hierzulande meist klein und harmlos. Aber in weiten Teilen der Welt können sie zu einer großen Plage werden. Wenn sie in Schwärmen über Felder herfallen, können sie die Ernte von ganzen Landstrichen in kürzester Zeit vernichten. Vieles im Verhalten der Insekten ist bis heute nicht verstanden.
Jetzt haben Forschende aus Deutschland und China herausgefunden, wie sich die Tiere davor schützen, von ihren Schwarmkollegen gefressen zu werden. Denn Kannibalismus ist für die Heuschrecken eine ernsthafte Gefahr. Diesen Punkt könnte man sich eventuell auf der Suche nach Strategien gegen Heuschreckenplagen zunutze machen.
Wanderheuschrecken sind in der Regel Einzelgänger
Die Wanderheuschrecke an sich ist nicht unbedingt ein Schwarm-liebendes Tier. Sie sucht nicht die Nähe zu ihren Artgenossen. Doch manchmal geschieht es: Abertausende der kleinen Tiere formieren sich zum Schwarm, bilden Wolken von Insekten und schwirren im Kollektiv weiter zum nächsten Feld. Was bringt die Tiere dazu vom Einzelgänger zum Schwarmmitglied zu werden? Ein Faktor – das weiß man schon länger – ist die Tatsache, dass Wanderheuschrecken zum Kannibalismus neigen.
Kannibalismus im Tierreich durchaus verbreitet
Kannibalismus ist im Tierreich nicht ungewöhnlich. Tiere wie zum Beispiel Insekten fressen die Eier oder Jungen von anderen Artgenossen oder auch erwachsene Tiere. Das kann durchaus eine ökologische Funktion haben, zum Beispiel wenn es bei einer Überbevölkerung nicht genug Futter für alle gibt. Da löst Kannibalismus zwei Probleme auf einmal: Es gibt weniger Konkurrenten und mehr Futter.
Schwarmbildung schützt vor Kannibalismus
Auch bei Wanderheuschrecken hat man erkannt: Dass sie gigantische Schwärme bilden, passiert vor allem, wenn nach Wetteränderungen plötzlich besonders gute Bedingungen für Nachkommen herrschen. Dann wird plötzlich das Futter knapp. Die Gefahr, von anderen, hungrigen Artgenossen attackiert und gefressen zu werden, steigt.
Heuschrecken vermeiden dann, gefressen zu werden, indem sie sich in dieselbe Richtung wie alle anderen bewegt. So werden die Kontakte reduziert. Sobald das alle tun, entsteht eine kollektive Bewegung, ein Schwarm.
Duftstoffe schrecken kannibalistische Artgenossen ab
Forschende vom Max Planck Institut für chemische Ökologie in Jena haben gemeinsam mit chinesischen Kolleginnen und Kollegen nun einen Mechanismus entdeckt, wie sich Wanderheuschrecken vor ihren kannibalistischen Nachbarn schützen. Dafür haben sie alle Duftstoffe analysiert, welche die Heuschrecken nur aussondern, wenn sie in Gruppe unterwegs sind. Diese insgesamt 17 Düfte wurden den Insekten in Verhaltenstest präsentiert. Das Ergebnis: Einer davon wirkt abschreckend auf die Tiere – Phenylacetonitril oder kurz PAN.
Das ist ein Gift, das man schon früher im Körper von Heuschrecken entdeckt hatte. Bisher wusste man, dass die Insekten es nutzten, um sich gegen Konkurrenten bei der Paarung durchzusetzen oder sich gegen Fressfeinde wie Vögel zu wehren.
Duftstoff könnte Heuschreckenplage eindämmen
Mit genetisch veränderten Wanderheuschrecken konnten die Forschenden jetzt zeigen: Tiere, die PAN nicht mehr produzieren konnten, wurden häufiger gefressen als normale Artgenossen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten sogar nachweisen, mit welchem Geruchsrezeptor die anderen Tiere PAN detektieren können. Damit haben sie eine absolute Neuheit entdeckt: Einen Duftstoff, der steuert, wie viel Kannibalismus in einem Schwarm Heuschrecken vorkommt.
Das könnte durchaus interessant sein: Denn damit hat man einen wichtigen Faktor im Schwarmgefüge verstanden und einen möglichen Ansatzpunkt gefunden, um Heuschreckenplagen zu bekämpfen.