Im Cockpit besteht derzeit die Pflicht zur Doppelbesetzung. Die europäische Luftfahrtaufsicht EASA kann sich aber vorstellen, unter bestimmten technischen Voraussetzungen diese Pflicht aufzuheben. EASA-Chef Patrick Ky sagte zu Jahresanfang bei einer Fragerunde mit dem Luftfahrt-Presse-Club, dass in relativ naher Zukunft die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden könnten, dass bei Langstreckenflügen nur noch ein Platz im Cockpit besetzt sein muss, sobald die Reiseflughöhe erreicht ist. Während ein Pilot die Verantwortung habe, könnte der zweite beispielsweise eine längere Pause machen, ohne dass eine weitere Person den leeren Platz ausfüllt. Genehmigen will Patrick Ky dies aber nur, wenn dieser Ein-Pilot-Betrieb sicherer ist als ein Zwei-Piloten-Betrieb.
Im Frachtverkehr laufen Versuche
Vereinzelt fliegen Frachtmaschinen bei Forschungsprojekten mit „Single Pilot Cockpits“. Auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt ist schon seit Jahren an diesen Projekten beteiligt. Ende Februar 2021 begann Fedex gemeinsam mit dem US-amerikanischen Flugzeugbauer Sikorsky eine Testreihe mit einer Turboprop (ATR 42), bei der nur ein Flugzeugführer und jede Menge Software an Bord waren.
Piloten machen Fehler, Technik kann versagen
Die beiden weltweit größten Luftfahrtkonzerne Airbus und Boeing arbeiten seit vielen Jahren an „Single Pilot Cockpit“-Technik auch für Passagierflugzeuge. Ziel sei es dabei, die Sicherheit zu erhöhen, betonen die Konzerne. Dabei wird darauf hingewiesen, dass die meisten Flugzeugabstürze durch Pilotenfehler verursacht werden. Bei mehr als der Hälfte (58 Prozent) aller Flugzeugunfälle weltweit hat der Mensch im Cockpit Fehler gemacht. Dazu zählen unter anderem Navigationsfehler, Treibstoffmangel und Fehler bei Start und Landung. Wenn man nur die Unfälle mit Todesfolgen berücksichtigt, war in 90 Prozent der Fälle menschliches Fehlverhalten schuld. Diese Statistik sei aber sehr einseitig, denn sie führe gar nicht auf, wie häufig Menschen Unfälle vermieden haben, betont Bernd Korn. Er leitet beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt die Abteilung Pilot Assistance.
Ein Mensch kämpft um sein Leben, eine Maschine nicht
Die Pilotenvereinigung Cockpit betont, dass ein Mensch mehr um sein Leben kämpft als ein Computer. Und das könne im Zweifel entscheidend sein. Ein Pilot oder eine Pilotin können aber auch im Gegensatz zu einer Software müde werden, Stress haben. Die Technik zur Reduzierung von Menschen im Cockpit kann aber nur angewendet werden, wenn Passagiere ihr Vertrauen schenken:
Künstliche Intelligenz im Cockpit
Es geht aber längst nicht mehr nur um die Frage, ob sich Passagiere lieber einer Software oder einem Menschen anvertrauen wollen – sondern auch um Künstliche Intelligenz: Airbus präsentierte im Mai 2019 eine Cockpit-Software mit Künstlicher Intelligenz. Sie soll das zweite Crewmitglied weitgehend ersetzen. Das System soll nach Angaben des Fachmagazins "Flugrevue" in der Lage sein, die Anweisungen der Fluglotsen in Text zu übersetzen. Gleichzeitig sollen spezielle Kameras die Beschilderung der Rollwege und Hindernisse am Boden erkennen können.
Airbus will außerdem die Lasertechnologie Lidar benutzen, die schon bei der Apollo-Mission die Mondoberfläche kartografierte und inzwischen in iPhone-12-Modellen die Umgebung scannt. In Verbindung mit Infrarotkameras soll es durch die Lasertechnologie möglich sein, auch an Flughäfen automatisiert zu landen, die kein Instrumentenlandesystem (ILS) haben.
Wie kann eine Sicherheitsbehörde eine Software genehmigen, die sich selbst weiterentwickelt?
Wie kann die europäische Luftfahrtaufsicht eine Flug-Software mit Künstlicher Intelligenz genehmigen? Die Software soll schließlich in der Praxis dazulernen, befindet sich also in einem ständigen Entwicklungs- und Anpassungsprozess. Für Rachel Daeschler, die bei der europäischen Luftfahrtaufsicht für solche Zertifizierungen zuständig ist, wird dies – so sagte sie in einem Interview mit dem SWR – eine Herausforderung und sehr spezielle Sicherheitskontrolle: „Erst mal müssen wir schauen, für welche Aufgabenbereiche die Künstliche Intelligenz genutzt wird. Sie sollte eher nicht für die besonders kritische Funktionen gelten. Und zweitens entwickeln wir gerade neue Methoden für die Genehmigung solcher neuen Software, damit wir sicher stellen können, dass die Sicherheits-Zusagen mindestens genauso hoch sind, wie bei der Software, die wir derzeit im Flugzeug haben."
Zwischenstufe: ein Remote Co-Pilot – Pilot im Homeoffice
Eine Zwischenstufe hin zu einem „Single Pilot Cockpit“ könnte ein Remote Co-Pilot sein: Das wäre ein Pilot, der irgendwo vom Boden aus den Piloten in der Maschine unterstützt. Der also quasi im Homeoffice arbeitet. Dazu müssten dann die Datenverbindungen absolut stabil und geschützt vor Hacker-Angriffen sein. Ein Remote Co-Pilot würde gleichzeitig für mehrere Single Pilot-Flugzeuge zuständig sein, erklärt Bernd Korn vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.