Neandertaler nutzten bereits vor mehr als 40.000 Jahren einen Mehrkomponentenkleber, um ihre Steinwerkzeuge mit Griffen zu versehen. Forschende der Universität Tübingen entdeckten, dass sie dazu eine ausgeklügelte Mischung aus Ocker und Bitumen herstellten.
Es handelt sich um den bisher frühesten Fund eines Klebers aus mehreren Komponenten in Europa. Die Ergebnisse sind im Fachmagazin Science Advances erschienen.
Mehrkomponentenkleber an Neandertaler-Steinwerkzeugen in Berlin gefunden
Die Forschenden der Uni Tübingen haben den Mehrkomponentenkleber an einer jetzt erst in Berlin aufgetauchten weitgehend unberührten Sammlung aus Steinwerkzeugen der Neandertaler entdeckt.
Das Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin hatte diese Sammlung aus dem Jahr 1907 eingelagert. Die zunächst private Sammlung aus der bekannten französischen Neandertalerfundstelle Le Moustier war seit den 1960-er Jahren dort, doch niemand hatte genau drauf geschaut.
Nun hat ein Team um den Archäologen Patrick Schmidt vom Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters der Uni Tübingen die einzeln verpackten Fundstücke angesehen und an den Abschlägen, Schabern und Klingen organische Reste in Form von rote Spuren gefunden:
Mehrkomponentenkleber bestand aus Bitumen und Ocker
Dabei fanden das Forschungsteam um Patrick Schmidt heraus, dass für den Kleber Bitumen mit ungefähr 55 Prozent Ocker gemischt wurde. Doch es gelang den Archäologen nicht, diesen Kleber aus getrocknetem Bitumen aus der Nähe der Fundstelle und Ocker herzustellen. Das funktionierte erst, als sie auf flüssiges Bitumen setzten.
Flüssiges Bitumen kommt als teerähnliches Erdöl in sogenannten Bitumenseen - oder besser Bitumentümpeln - an die Oberfläche. Solche Tümpel können sich über Ölquellen bilden. Das Bitumen ist dann zähflüssig und kann so mit Ocker gemischt werden, um an ein Steinwerkzeug eine Art Griff anzubringen.
So wurde in der Steinzeit Kleber hergestellt
Ein Beleg für die Ingenieurskunst der Neandertaler
Bisher war bekannt, dass Neandertaler Birkenpech als Kleber genutzt haben, um solche Griffe an Werkzeuge zu heften. Der Fund des ersten Mehrkomponentenklebers aus Bitumen und Ocker bedeutet nun, dass Neandertaler auch anderes Material nutzten, wenn kein Birkenpech vorhanden war.
Hoffnung auf weitere Entdeckungen aus der Zeit der Neandertaler
Das ist eines der ersten Male, dass so etwas in Europa entdeckt wurde. Deshalb sei der Fund so spektakulär, erklärt der Tübinger Archäologe Schmidt. Und möglicherweise haben die Neandertaler noch andere Klebergemische genutzt. Der Archäologe hofft auf weitere Entdeckungen:
Auch ob der Neandertaler seinen Kleber nur für die Steinwerkzeuge benutzt hat oder auch für andere Dinge wie zum Beispiel Behausungen, ist schwer zu sagen. Denn die Quellenlage ist extrem schwierig - immerhin geht es um die Zeit zwischen vor 40.000 Jahren und 200.000 Jahren. Sicher ist: